Im Mordprozess um einen 21-Jährigen Schramberger, der seine Mutter getötet haben soll, schildert die Arbeitskollegin des Opfers den Tag, an dem sie die Polizei alarmierte.
Ein 21-Jähriger Schramberger muss sich vor dem Landgericht Rottweil verantworten, weil er seine Mutter mit einem Fleischklopfer getötet haben soll.
Nach seinem emotionalen Geständnis und den tiefen Einblicken in seine Kindheit am ersten Verhandlungstag standen am zweiten Prozesstag nun die Zeugen im Mittelpunkt – Menschen, die die Mutter kannten, Freunde der Familie und Bekannte des Angeklagten. Als erste sagte ihre Arbeitskollegin aus – jene Frau, die am Tattag die Polizei alarmierte, nachdem die 54-Jährige ganz gegen ihre Gewohnheit nicht zur Arbeit erschienen war. Sie habe von Anfang an ein ungutes Gefühl gehabt, berichtet die Zeugin. Was zunächst nur ein „mulmiges Gefühl“ gewesen sei, entwickelte sich binnen Stunden zu einer tödlichen Gewissheit. Ihre Stimme zittert, als sie im Zeugenstand von diesem 21. Februar erzählt – und von dem Moment, in dem sie spürt: „Etwas stimmt nicht.“
„Nie so einen guten Menschen kennengelernt“
Zu Beginn erzählt sie, dass sie die Mutter bereits seit über 25 Jahren kannte und „nie so einen guten und aufrichtigen Menschen kennengelernt“ habe. Während sie von ihrer früheren Kollegin spricht, wirft der Angeklagte ihr keinen Blick zu.
An diesem Tag kann der 21-Jährige keinem der Zeugen in die Augen sehen, blickt die gesamte Verhandlung über zu Boden. Hin und wieder ist ein Schluchzen zu hören. Sein Gesicht verbirgt er hinter den Händen.
Der Tag, an dem die Mutter verschwand
Der vorsitzende Richter Karlheinz Münzer bat die Zeugin, von jenem Tag zu berichten, an dem die als äußerst zuverlässig geltende Kollegin nicht zur Arbeit erschienen war. „Sie war immer da. Jeden Morgen trafen wir uns um sieben Uhr – doch an diesem Tag eben nicht.“ „Ich kann mir bis heute nicht erklären, warum, aber ich hatte sofort ein ungutes Gefühl.“ Die Mutter habe weder auf Nachrichten noch auf Anrufe reagiert. „Wir dachten zuerst, sie sei krank. Aber als sie auf keine Nachricht antwortete, war das komisch – sie war sehr pflichtbewusst.“
Sie wusste, dass etwas nicht stimme
„Ich dachte dann nur: Mir reicht’s, da stimmt was nicht. Also bin ich zur Sekretärin und habe gefragt, ob sie etwas wisse.“ Als diese verneinte, sei sie zur Wohnung der Kollegin gefahren – sie wohnte nicht weit entfernt. „Das Auto stand vor dem Haus, auch die Nachbarin wusste von nichts.“ Diese habe sie dann ins Haus gelassen. Mehrfach habe sie geklingelt und gegen die Tür geklopft, bis der Angeklagte öffnete. „‚Wo ist deine Mama?‘, habe ich direkt gefragt.“ Der damals 20-Jährige habe geantwortet: „Sie ist arbeiten“. Darauf habe sie erwidert: „Nein ist sie nicht, sie ist dort nie angekommen.“ Die 57-Jährige meinte sich auch zu erinnern, dass der Angeklagte erklärte, dass „schon nichts sei“, und er sich keine Sorgen mache. „Für mich war das alles sehr komisch. Sie hatten ein sehr gutes Verhältnis, und er war mir einfach viel zu ruhig dafür, dass von seiner Mutter jede Spur fehlt.“
Angeklagter will Handy geortet haben
Sie bat ihn dann, Bescheid zu geben, falls er etwas von ihr höre. Kaum zurück in der Firma, habe der Angeklagte schon angerufen: „Ich habe ihr Handy geortet. Sie ist in Dunningen“, soll er gesagt haben. Die Zeugin erinnert sich: „Das war noch komischer, weil das Auto ja vor der Tür stand.“ Sie habe ihm dann geraten, die Polizei zu rufen – das habe er abgelehnt. Später habe sie erneut angerufen, da habe er gesagt, er fahre gerade mit seiner Tante durch Dunningen, um nach ihr zu suchen, und werde doch die Polizei rufen.
„Ich bin dann in der Mittagspause wieder hin, weil mir das keine Ruhe ließ. Ich weiß nicht, warum, aber ich habe gespürt, dass sie tot ist“, so die Zeugin. Der Angeklagte sei ihr einfach viel zu ruhig gewesen. Er habe dann gesagt, er habe die Polizei verständigt. Diese habe ihn beruhigt und erklärt, das Handy sei nicht ortbar, wenn ein Verbrechen vorläge, da es dann zerstört worden wäre. „Ich glaubte ihm kein Wort – also habe ich selbst angerufen.“
Sie habe wissen wollen, ob er tatsächlich bei der Polizei angerufen hatte. „Ich hoffte, dass ich mit meinem Gefühl über ihren Sohn unrecht hatte. Ich hätte mich sofort für alles entschuldigt.“ Doch die Polizei teilte ihr mit, dass niemand etwas gemeldet habe – weder auf dem Revier in Schramberg noch bei einer anderen Dienststelle. „Die Polizei sagte dann, sie schauen nach und rufen ihn an. Ich konnte aber nicht mehr still sitzen und bin selbst zur Polizei gefahren.“
Beamten teilen ihr Gefühl
Dort habe sie gefragt, wie er den Beamten am Telefon vorkam. Der Polizist habe ihr gesagt, auch ihm sei der junge Mann viel zu ruhig erschienen. „Sie beruhigten mich und sagten, sie fahren jetzt hin und ich solle heimfahren.“ Auf dem Heimweg kam dann der Anruf der Kriminalpolizei. „Ich fragte nur: Haben Sie sie gefunden?“ Ihr Bauchgefühl hatte recht.
„Ich habe in meinem ganzen Leben nie einen Menschen wie sie kennengelernt, der nie geschrien hat und nie ein böses Wort über einen verloren hat“, sagte die Zeugin über die Mutter. Der Angeklagte habe sie, so ihre Einschätzung, die ganze Zeit über gelenkt und manipuliert. Zum Abschluss sagte sie: „Ich kaufe ihm nicht ab, dass sie ihn in der Tatnacht geschlagen hat. Er ist einfach ein guter Lügner.“