Spezialkräfte der Polizei waren am Donnerstagabend und in der Nacht in Ihlingen im Einsatz. Foto: -/dpa

Der SEK-Einsatz in Ihlingen während einer Zwangsräumung bei einem mutmaßlichen Reichsbürger wirkt nach. In den Sozialen Medien wird noch immer diskutiert, ob der Einsatz verhältnismäßig war. Das sagt die Polizei.

Ihlingen im Ausnahmezustand – das, was die Ihlinger am Donnerstagabend erlebten, war außergewöhnlich. Und es darf sicherlich von einer belastenden Situation für einige Anwohner gesprochen werden.

 

Der Ortskern war mehrere Stunden abgeriegelt. Niemand kam mehr nach Hause. Menschen, die aus dem Haus wollten, wurden in ihre Wohnungen zurückgeschickt. Im Ort kursierten Aussagen, dass direkten Anwohnern entweder geraten wurde, ihr Haus zu verlassen oder sich in die Keller zu begeben. Einige Anwohner saßen stundenlang in ihrem Auto, weil sie nicht nach Hause durften. Das Verständnis hielt sich bei einigen in Grenzen. „Was soll das denn? Muss das denn sein?“, sagte beispielsweise ein Anwohner. „Das ist doch eine ruhige Wohngegend. Da ist keiner auffällig geworden“, sagte ein anderer.

So sind die Reaktionen auf den SEK-Einsatz

Reichsbürger-Razzia schon Im Jahr 2022 Doch so ganz stimmt das nicht. Denn schon 2022 kam es zu einem ersten SEK-Einsatz und zur Durchsuchung des Hauses im Zuge der großen Reichsbürger-Razzia rund um Ralf S.. Ziel damals: die Wohnung von Matthes H., der als Vordenker der Reichsbürger gilt, und nicht erst durch die ARD-Dokumentation „Schattenkrieger“ bekannt geworden ist. Matthes H. blieb aber auf freiem Fuß und beklagte sich in der Doku später über das polizeiliche Vorgehen.

Diesmal war aber Matthes H. außen vor. Die Zwangsräumung und Durchsuchung galt dem Hauseigentümer. Doch wieso kam es überhaupt zu so einem massiven Polizeiaufgebot mit Unterstützung des Polizeipräsidiums Einsatz, zu dem auch das Sondereinsatzkommando gehört?

Wie die Polizei entscheidet, SEK einzusetzen Vor allem in den sozialen Medien kochte der Vorwurf der Unverhältnismäßigkeit hoch. Benjamin Koch, Leiter Öffentlichkeitsarbeit des Polizeipräsidiums Pforzheim, stellt erst einmal klar: „Ohne auf den konkreten Fall einzugehen, lässt sich sagen, dass nicht jede Zwangsräumung durch die Polizei unterstützt wird und erst recht nicht mit Unterstützung des SEK.“

„Es gibt immer eine Lageeinordnung“

Doch in welchen Fällen wird dann zu solch massiven Mitteln gegriffen? Koch nennt erst einmal denn Vorfall in Stuttgart-Boxberg als Beispiel. Dort schoss ein mittlerweile verurteilter Reichsbürger auf ein Spezialeinsatzkommando. Diese Erfahrungen haben wohl noch einmal sensibilisiert. „Es gibt immer eine Lageeinordnung. Was für eine Person ist das? Wie ist die Örtlichkeit? Gab es eine latente und konkrete Drohung?“

Sorgt also die Kombination aus mutmaßlichem Reichsbürger und Zwangsräumung automatisch für solch ein Szenario? Das verneint Koch ausdrücklich. „Es ist eine Einzelfallentscheidung.“

Im konkreten Fall habe das Amtsgericht die Polizei um Unterstützung bei der Zwangsräumung des Hauses in der Burghalde in Ihlingen gegeben. Eine Gefährdungseinschätzung führte dann zur Hinzuziehung des Polizeipräsidiums Einsatz. In der Pressemitteilung formulierte die Polizei es so: „Eine Gefährdung der eingesetzten Kräfte konnte aufgrund erlangter Erkenntnisse über den Bewohner, welcher der Reichsbürger-Szene zugeordnet werden kann, nicht gänzlich ausgeschlossen werden.“

Für den Einsatz, der am späten Donnerstagnachmittag begann und in den frühen Morgenstunden des Freitags endete, gab es schließlich am Ende Entwarnung. „Es wurden keine Waffen und auch keine Sprengsätze gefunden“, so der Polizeisprecher.

Hätte das Polizeiaufgebot nicht eine Nummer kleiner sein können, wie so manche Stimmen in den sozialen Medien nun hinterfragen? „Das SEK geht sicher nicht mit einer Person rein“, sagt Koch zugespitzt. Hier gebe es feste Größen und vorgegebene Szenarien.

War das Vorgehen auch gerechtfertigt, obwohl keine Person mehr anzutreffen war? Aus dem Nachbarschaft war direkt zu hören, dass der mutmaßliche Reichsbürger und seine Familie schon längst ausgezogen seien. Koch dagegen betont, dass man dennoch nicht ausschließen konnte, dass sich eine Person im Haus aufhalten hätte können. „Allgemein gesprochen: Da müsste man tagelang vorher observieren. Das wird in den seltensten Fällen passieren.“

Ein weiterer Vorwurf, der in den Sozialen Medien zu hören ist: Sollte ein Exempel statuiert werden? Der Polizeisprecher widerspricht vehement: „Die Polizei macht kein Exempel, um abzuschrecken.“