Kurz vor dem Cannstatter Wilhelmsplatz müssen Radfahrer mit dem Ziel Innenstadt links abbiegen. Beim Bau des Radwegs wurde dafür eine sogenannte indirekte Linksabbiegespur eingeführt. Foto: Leif Piechowski

Wenn der Amtsschimmel wiehert, wenn Service ein Fremdwort ist oder eine Verkehrsregel Unsinn, wenn einem Ärgerliches, Absurdes das Leben schwermacht, ist unsere Serie „Muss das sein?“ der richtige Platz dafür. Zum Auftakt geht es um eine Radfahrerampel am neuen Bad Cannstatter Radweg.

Wenn der Amtsschimmel wiehert, wenn Service ein Fremdwort ist oder eine Verkehrsregel Unsinn, wenn einem Ärgerliches, Absurdes das Leben schwermacht, ist unsere Serie „Muss das sein?“ der richtige Platz dafür. Zum Auftakt geht es um eine Radfahrerampel am neuen Bad Cannstatter Radweg.

Stuttgart - Darf ich, oder darf ich nicht? Die falsche Antwort auf diese Frage kann für Radfahrer in Bad Cannstatt zur Gefahr werden. Die Radroute 1 von Fellbach nach Vaihingen, auch Tallängsweg genannt, ist im Bereich der Verkehrsdrehscheibe Wilhelmsplatz unterbrochen. Wer auf dem neuen Radweg auf der Waiblinger Straße den Wilhelmsplatz ansteuert und weiter Richtung Innenstadt will, muss kurz vorher nach links abbiegen und durch die Daimlerstraße. Die Gefahr an dieser Steller lauert beim Abbiegen, wie ein Leser der Stuttgarter Nachrichten festgestellt hat. Eine missverständliche Ampelschaltung „führt im ungünstigsten Fall dazu, dass Autos beim Überqueren der Waiblinger Straße die Radfahrer umfahren“.

Tatsächlich könnten Radfahrer auf der Waiblinger Straße annehmen, dass sie fahren dürfen – obwohl die Ampel vor der Kreuzung Rot zeigt. Denn am gegenüberliegenden Kreuzungseck zeigt ein kleines Zusatzämpelchen mit Radfahrersymbol Grün.

In dem Fall gilt: Niemals weiterfahren! Radler landen sonst vor den Kühlern des Querverkehrs aus der Daimlerstraße. Denn die kleine Radampel ist Bestandteil einer sogenannten indirekten Linksabbiege- oder Auffangspur für Radfahrer. Sie soll den Rad- und den Autoverkehr im Sinne von mehr Sicherheit voneinander trennen.

Verkehrsplaner haben sich das indirekte Linksabbiegen folgendermaßen gedacht: Bei Grün darf auf der Waiblinger Straße in die Kreuzung geradelt werden bis zu einer Markierung auf dem Asphalt, die den Weg nach links weist. Hier gilt nun das Rotlicht der kleinen Ampel. Also: Nicht einfach links abbiegen, sondern anhalten. Erst wenn der Querverkehr der Daimlerstraße Grün erhält, springt auch die Radfahrerampel um, so dass Radler ihren Linksabbiegevorgang abschließen können. Klingt kompliziert – ist es auch. Nicht nur Leser dieser Zeitung beurteilen diese Art der Verkehrsregelung kritisch. Auch im Internet weisen Besucher von Radfahrerportalen auf die Fragwürdigkeit solcher Regeln und auf die Gefahren hin, die vor allem Radfahrerampeln in sich bergen. „Die Spielzeugampeln für Radfahrer zählen zum Gefährlichsten, was die Verkehrsplanung für uns bereithält“, heißt es in einem Online-Blog der Seite „Radfahren in Stuttgart“. Tenor: Die Signalanlagen werden von Autofahrern – weil zu klein – nicht wahrgenommen und führen zu Missverständnissen, weil sich Radfahrer auch an herkömmliche Ampeln halten müssen. Unter Umständen sei man tot, schreibt einer in den Blog.

Beim indirekten Linksabbiegen können Radfahrer auch Grünlicht per Knopfdruck anfordern. Doch um die Apparate bedienen zu können, benötigt man zuweilen Teleskoparme, so weit sei das Knöpfchen entfernt, lautet ein zweiter Kritikpunkt. Dritter Mangel der nicht alltäglichen Linksabbiegeregel: Wollen einmal mehr als zwei Radfahrer in die Daimlerstraße, wird es eng auf der Kreuzung. Der Platz auf dieser sogenannten Aufstellfläche ist zu knapp. „Gut gemeint ist nicht gut“, heißt es im Radfahrer-Blog zum indirekten Linksabbiegen à la Stuttgart.

Eine identische oder vergleichbare fragwürdige Radverkehrsführung existiert auf derselben Straße wenige Hundert Meter weiter Richtung Fellbach, ebenso an der Löwentorstraße Richtung Hallschlag.

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