Als MTV am 1. August 1981 auf Sendung ging, gab es viele Pannen, wenig Zuschauer und noch weniger Videos. Jetzt wird das Stück Popkultur 30 Jahre alt. Zeit, einen Blick zurückzuwerfen. Foto: dpa

MTV hat die Achtziger geprägt und die Neunziger regiert. Am 1. August wird der Sender 30.      

New York - Der Ritterschlag kam mit den Dire Straits. In „Money for Nothing“ flötete 1985 Sting „I want my MTV“, und dann lästerte Mark Knopfler ein ganzes Lied über die Musiksender, die die ganze Bandszene bestimmen würden. DIE Musiksender? Zu der Zeit gab es doch eigentlich nur einen, und der kam im Text ja auch dauernd vor: MTV hat die Achtziger geprägt und die Neunziger regiert. Im dritten Jahrzehnt war die Krone weg, doch MTV ist noch da. Irgendwie. Am 1. August wird das Stück Popkultur 30.

Angefangen hatte alles mit Michael Nesmith, dem Ex-Sänger der „Monkees“. Der bemerkte auf einer Plattentournee in Australien den Vorteil der Musikvideos: Die Bands müssen für Fernsehshows nicht bei den Sendern sein und können sich weit besser in Szene setzen als in den Studios. Die Idee traf auf Gegenliebe bei der Musikindustrie, die - wie sich herausstellte völlig zu Recht - einen neuen Markt witterte. Und nicht zuletzt boomten damals gerade die Kabelkanäle in den USA. Nachschub musste her - warum nicht ein Sender nur mit Musikvideos?

"Video killed the Radio Star"

Es war dann ausgerechnet „Video Killed the Radio Star“, das am 1. August 1981 als erstes MTV-Video über den Sender ging. Mit dabei war ein Deutscher: Am Keyboard steht der heutige Filmmusikkomponist und Oscar-Gewinner Hans Zimmer. Doch so viele Killervideos waren noch gar nicht da. Nicht einmal 170 Kassetten standen damals im MTV-Regal, fast jedes fünfte dabei allein von Rod Stewart. Doch jeder wollte es: Die Musiker, die Plattenfirmen, die Sender - und auch die Zuschauer. Der Musikvideomarkt wuchs nicht, er explodierte.

Die Veröffentlichung des Videos wurde bald ebenso wichtig wie die des Liedes. Der Erfolg von Michael Jackson, Madonna oder unzähliger Eintagsfliegen wäre ohne die Minutenclips kaum denkbar. Und eine ganz neue Kunstrichtung entstand. So schuf Regisseur John Landis („Blues Brothers“) für Jacksons „Thriller“ das vielleicht einflussreichste Popvideo der Musikgeschichte. Duran Duran verfeuerten für „Wild Boys“ mehr als eine Million Dollar. Und Mark Knopfler sang im ersten computergenerierten Video: „Money for Nothing“.

Starrummel um Moderatoren

MTV wurde zu einem Symbol der Popkultur. Wer die Jugend erreichen wollte, musste auf den quietschbunten Kanal mit den schnellen Schnitten und der verwackelten Kamera. Zumindest dachte das jeder. „Wir haben festgestellt, dass der Einfluss gar nicht so groß war, wie jeder dachte“, sagt der Soziologe Klaus Boehnke. Der Professor an der Bremer Jacobs University hatte schon 1999 den Einfluss des Fernsehens auf die Jugend untersucht: „Die Jugendlichen haben Orientierung gesucht: Was trägt man? Welche Trends gibt es? Wie verhält man sich? Da war MTV wichtig, aber es war trotzdem nur eine Randerscheinung. Der Einfluss wurde von all den Medienkritikern überschätzt.“

Und trotzdem wurden die Discjockeys, pardon Videojockeys, in den Neunzigern zu Stars. Eine ganze Schar heutiger Showgrößen hat damals bei MTV oder den Konkurrenzsendern angefangen, von Stefan Raab über Charlotte Roche, Heike Makatsch, Oliver Pocher, Christian Ulmen bis Matthias Opdenhövel. Und Kristiane Backer war die Heldin einer ganzen Generation. Und das sind nur die Deutschen! Aber MTV war mit seinen Dutzenden nationalen Ablegern praktisch auf der ganzen Welt zu sehen.

In Deutschland nur noch im Bezahlfernsehen

Doch das Medium war nicht nur schnell, sondern auch schnelllebig. Musik allein reichte nicht, MTV zeigte immer mehr Filmchen und dann ganze Serien. Heute mag der Kanal jugendlicher als andere wirken, ein Musiksender ist er nicht mehr. Folglich verschwand im letzten Jahr auch das „Musik Television“ aus dem Logo. Und in Deutschland kann den Sender seit Jahresbeginn nur noch sehen, wer extra zahlt.

Abgesang auf das Musikvideo? Aber nein, sagt der Kunstgeschichtler Henry Keazor, der Clip sucht nur neue Verbreitungswege: „Er kommt über das Internet, über das Handy und über Live-DVDs. Der Clip diffundiert.“ Und auch Boehnke glaubt, dass Jugendliche auch künftig fernsehen: „Es gibt heute einfach mehr Angebote. Und die müssen sich das Interesse der Jugendlichen teilen.“

Nur der Coolness-Faktor ist längst weg. Den hat noch die Serie „Two and a Half Men“. Darin sagt Jon Cryer, er und sein Bruder seien nicht mehr so jugendlich, „so MTV“. Der andere, Charlie Sheen, guckt ihn entsetzt an: „MTV? Sag' mal, haben sie Dich gerade aufgetaut?“