Eindrücke aus „Junghans - Das Musical“ Foto: 48GradNord PhotoGraphics/Rainer Langenbacher

Mit minutenlangen stehenden Ovationen und häufigem Szenenapplaus feierte das Publikum „Junghans – Das Musical“ bei der Uraufführung im Schramberger Bärensaal, die auch die kühnsten Erwartungen übertraf.

Zweimal hatte es gefunkt, damit das Musical entstehen konnte. Da war zum Ersten die Idee des Alpenvereins, den Gästen der Mitgliederversammlung die Junghans-Geschichte durch ein paar Theaterszenen etwas näherzubringen.

 

Die kurzen Szenen bauten die Autoren Lars Bornschein und Roland Eisele später zum Theaterstück „Die Unruh des Herrn Junghans“ aus und dies wiederum war dann die Initialzündung für das 2023 anlässlich des 200. Geburtstags von Erhard Junghans I entstandene Musical, wobei die Autoren das Theaterstück erneut erweiterten und mit Songtexten versahen.

Was aus der Anfrage von Musikdirektor Meinrad Löffler an Kirchenmusikdirektor Rudi Schäfer bezüglich der Umsetzung des Theaters in Musik geworden ist, konnten die Besucherinnen und Besucher der Uraufführung von „Junghans – Das Musical“ im Bärensaal in einem einzigartigen unter die Haut gehenden Musikereignis erleben - eine Sternstunde für Schramberg und ein idealer Glücksfall für die Stadt.

Passende Verbindung

Im richtigen Augenblick waren die richtigen kongenialen Könner und Künstler zur Stelle: zwei talentierte kompetente Texter, eine Gruppe hochmotivierter Schauspieler der Theaterwerkstatt, ein genialer, in allen Stilrichtungen erfahrener Komponist , ein hoch qualifiziertes großes Symphonieorchester (Leitung: MD Meinrad Löffler), hervorragend ausgebildete Sängerinnen und Sänger aus verschiedenen Chören und Ensembles (Leitung: Claudia Habermann und Rudi Schäfer) und begabte Tänzerinnen und Tänzer der beiden örtlichen Tanzschulen (Tanzzentrum Arabesque, geleitet von Janina Rodriguez und Tanzstudio Dierstein).

Ausschließlich eigene Kräfte

Das Besondere bei dieser Bündelung der Kräfte ist, dass alle Akteure und Leiter ausschließlich eigene Kräfte aus Schramberg sind. Der Aufführung kam auch die digitale Entwicklung der Bühnentechnik zugute. Doch nur durch die souveräne Gesamtleitung von Musikschuldirektor Meinrad Löffler lief die Produktion des Musicals Hand in Hand, konnte dieses einzigartige Großprojekt und Highlight gemeistert werden. Die Regie unter Roland Eisele war ebenfalls ein Garant für das sichere Gelingen.

Ein Gewinn für Schramberg

Dass dieses Musical für Schramberg ein ganz besonderer Gewinn ist, spürten die Zuschauer von Anfang an: neben den baulichen Monumenten der Junghans-Ära war nun zum 200.Geburtstag von Erhard Junghans durch bürgerschaftliches Engagement auch ein musikalisches Denkmal geschaffen worden. Einerseits sachlich hervorragend recherchiert, andererseits aber spannend wie ein Kriminalroman, zog das Musical das Publikum durch die überzeugende Schauspielkunst der Darsteller und die überragenden Gesangsbeiträge mit dem Schicksal der beiden verwandten und dennoch verfeindeten Familien Junghans und Landenberger sofort in Bann.

Atemlos rascher Aufstieg

Die Besucher erlebten den atemlos raschen Aufstieg der beiden konkurrierenden Firmen und spürten auch unter der Fassade des äußeren Welterfolgs das Menschlich-Allzumenschliche, etwa wenn die Brüder Erhard und Arthur ihren Kummer über den nahenden Konkurs in Alkohol ersäuften oder wenn sich die Rivalen Arthur Junghans und Paul Landenberger eine Keilerei vom Feinsten lieferten. Umgekehrt gab es auch diverse Stellen, wo zarte Gefühle und lyrische Stimmung gefragt waren. Diese häufigen Stimmungsschwankungen wurden vom Komponisten genial in adäquate Orchesterklänge umgesetzt, weich und zärtlich etwa, wenn Frau Junghans mit ihrem verstorbenen Gatten sprach, schrill und dissonant, wenn Unfriede oder gar tätliche Gewalt herrschte. Häufige Tonart- , Takt- und Tempowechsel forderten den Musikern das Äußerste ab.

Fesselnde Rhythmen

Der Melodienreichtum und die kompositorischen Einfälle bei diesem Musical und die farbenreiche Instrumentierung waren phänomenal. Auch bekannte Melodien wie „O du lieber Augustin“ bekamen mit geändertem Text ihren Platz. Musikzitate wie „I Like to be in America“ aus dem Musical „Westside Story“ oder einige Takte aus dem Hochzeitsmarsch von Wagner drückten die gehobene Stimmung aus. Das Thema Uhren und Maschinen war geprägt durch fesselnde Rhythmen, bei denen sogar das Publikum mit Körperinstrumenten mitmachte, wenn etwa morgens die Maschinen „aufwachten“. Eine besonders expressive Rolle war der Mandoline zugedacht (Frank Scheuerle). Außerdem wurde das Orchester noch durch Rhythmusinstrumente und Xylofon ergänzt.(Annika Kußberger).

Ballett-Eleven schweben übers Parkett

Begleitet vom Pizzicato des Orchesters führten die Ballett-Eleven als reizende Dienstmädchen einen aparten Tanz auf und die eleganten Tanzpaare der Tanzschule Dierstein schwebten bei Walzerklängen über das Parkett. Für Erheiterung sorgte bei den Kulissen der Daimler-Wagen von Arthur Junghans, der sich ohne Zugmaschine wie ein richtiges Automobil über die Bühne bewegte. Auch die große Kunstuhr, die Arthur Junghans den ersten Platz bei der Weltausstellung in Paris verschaffte, war ein Magnet.

Grandioses Finale

Beim grandiosen Finale sangen die nacheinander auf die Bühne tretenden Gruppen in einem gewaltigen Schlusschor , arrangiert von Rudi Schäfer das Lied der Uhrmacher mit einem Text von Helmut Junghans. Damit verbeugten sich alle Mitwirkenden zum Schluss noch einmal in einer großartigen Hommage vor der grandiosen Lebensleistung der gesamten Familie Junghans.

Die Hauptrollen

Die Besetzung
der Hauptrollen hätte passender nicht sein können.

Steffi Flaig (Mezzosopran)
war als Luise Junghans-Tobler strahlende Hauptakteurin, die die Fäden niemals aus der Hand gab. Ihr schien diese Hauptrolle direkt auf den Leib geschneidert. Immer stolze Haltung bewahrend und souverän die Ehre der Junghans-Familie hoch haltend, war sie der Fels in der Brandung. Sie schreckte einerseits nicht davor zurück, ihre erwachsenen Söhne bei Fehlverhalten mit dem Stock zu traktieren, andererseits konnte die Mezzosopranistin beim Gespräch mit ihrem verstorbenen Mann auch wieder durch ihren lyrischen Gesang ihre seelische Lage offenlegen. Ihre schauspielerische und gesangliche Leistung war fernsehreif, doch auch die übrigen Darsteller spielten auf sehr hohem Niveau.

Dominik Dieterle,
ihr jüngerer Sohn Arthur, mimte überzeugend den Willensmenschen und Draufgänger Arthur Junghans,, der für seinen Ehrgeiz, der Beste zu sein, sich auch über Familienzusammenhalt und Moral hinwegsetzte. Dominik Dieterle wurde in allen Nuancen und auch gesanglich seiner facettenreichen Rolle gerecht: hier der Choleriker und Supererfinder, der im Kampf um sein Ziel auch vor Gewalt nicht zurückschreckte dort der ausgeflippte verzweifelte Säufer und andererseits auch der zärtliche Liebhaber. Doch zeigte er sich dem weltmännischen Format als Chef des größten Uhrenunternehmens und Erfinder zahlreicher Patente durchaus gewachsen.

Anselm Pfaff
als Darsteller seines Bruders Erhard Junghans II bewies in seinem lebendigen Spiel und seinem großartigen Gesang die gegensätzlichen Eigenschaften. Er verkörperte äußerst gekonnt den leichtlebigen Künstlertyp, menschlich, friedfertig und familienorientiert und dennoch auf sein Ziel eines selbstbestimmten Lebens konzentriert.

Celine Gökoglu
als Junghans-Tochter Frida trat als friedvolle Vermittlerin zwischen den verfeindeten Familien auf, konnte aber durchaus sehr selbstbewusst auf ihre Abstammung pochen und eine feministische Haltung zeigen. Auch gesanglich überzeugte sie.

Tobias Bantle
in der beinahe tragischen Rolle des Paul Landenberger ließ in seiner Darstellung überzeugend den ehrgeizigen Aufsteiger durchblicken, mimte aber immer stärker den enttäuschten ewig Zweiten hinter Arthur und konnte seine guten Manieren vergessen, wenn es um die Firmenanteile ging. Auch gesanglich zeigte er eine hervorragende Leistung.

Lara Inge Kiolbassa
wurde ihrer Rolle als Gattin von Arthur Junghans durch ihre ausdrucksvolle Mimik und Gestik ebenfalls gerecht.

Fabian Penalver
zuerst Schuster, dann „Schofför“ spielte den Part von Melchior mit Genuss aus. Mit schwäbischem Akzent mimte er den Ahnungslosen, der zwar als leutseliger Schuhmacher in seinem Element war, als technischer Beistand aber keinerlei Hilfe darstellte. Seine Auftritte brachten stets Humor ins Spiel, wie sich besonders bei der Story von der Landung der drei großen Erfinder Junghans, Daimler und Maybach im Misthaufen zeigte. Gesanglich bewies er ein sehr hohes Niveau.

Auch die Darsteller der Nebenrollen
wussten zu überzeugen. Ein interessanter Einfall der Autoren war das Erscheinen der größten Erfinder des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts, in deren Himmel Arthur Junghans am Ende ebenfalls aufgenommen wurde. Als Bühnenbild wurden die Aufnahmen zeitgenössischer Postkarten der Junghans-Gebäude verwendet. (Arkas Förstner, Stefan Link , Annika Kußberger).