Das Schramberger Dieselmuseum erinnert an die Zeit der Industrialisierung. In dessen Zentrum: Der imposante MAN-Diesel-Motor, der aus 340 Litern Hubraum 325 PS schöpfte und damit die Hamburg-Amerikanische Uhrenfabrik (H.A.U.) mit Strom und Druckluft versorgte.
Schwarz und mächtig steht er da und strahlt pure Kraft aus. Heute mag er ein technisches Fossil sein, Anfang des 20. Jahrhunderts war er ein Stück Hightech. Der MAN-Diesel-Motor im schmucken Jugendstilbau versorgte die H.A.U. in Schramberg einst mit Strom.
Die Zahlen waren damals beeindruckend: Der Viertakt-Motor mit vier Zylindern schöpfte aus sagenhaften 340 Litern Hubraum 325 PS (239 kW) bei 167 Umdrehungen pro Minute. Und dennoch war er mehr oder weniger nur das Backup für die beiden Kraftwerke des Unternehmens, die die Grundlast des Strombedarfs deckten. Heute ist er der größte Dieselmotor aus der Zeit vor dem ersten Weltkrieg, der immer noch am ursprünglichen Aufstellungsort steht.
Für U-Boote konstruiert
Das Dieselmuseum bildet mit der Uhren- und Autowelt „Erfinderzeiten“ und dem Eisenbahnmuseum Schwarzwald ein „Dreieck für Technikfans“ auf dem Gelände der H.A.U. Diese Art von Diesel-Motoren wurde eigentlich für U-Boote konstruiert. Während der Überwasserfahrt trieben sie das Boot an und luden gleichzeitig die Batterien für die Fahrt unter Wasser auf, wie Rolf Munziger, einer der „Väter“ des Dieselmuseums, erklärt.
Der Diesel drohte vor Jahren in Vergessenheit zu geraten, aber eine Gruppe von Enthusiasten hob 1995 einen Förderverein aus der Taufe, um Gebäude und Maschine zu erhalten. Der Förderverein war die Voraussetzung, um das kühne Vorhaben zu finanzieren. Die Stadt Schramberg, der Kreis Rottweil, das Landesdenkmalamt und die Landesstelle für Museumsbetreuung brachten rund 590 000 Euro für die Restaurierung auf, der Verein steuerte aus Mitgliedsbeiträgen, Spenden und Eigenleistungen rund 176 000 Euro bei.
Der finanzielle Aufwand hat sich gelohnt, denn auch viele andere Städte besinnen sich heute auf ihre Industrie-Tradition. Statt abzureißen und zu verschrotten, entstehen Industriedenkmäler mit kunsthistorischer und sozialgeschichtlicher Bedeutung. Zudem lässt das Schramberger Dieselmuseum, das mehr oder weniger für ein einziges Ausstellungsstück entstand, einen Blick auf die Ingenieurskunst der damaligen Zeit zu.
Das Gebäude selbst hat die Anmutung einer Villa und diente doch ausschließlich der Technik. Typisch Philipp Jakob Manz möchte man sagen, denn der Arbeitersohn war ein Pionier einer Industriearchitektur, die Zweckmäßigkeit und Ästhetik verband. Nach seinen Entwürfen wurden mehrere Gebäude in der H.A.U. gebaut.
50 Jahre lang in Betrieb
Im Jahr 1912 in der ehemaligen Umspannstation aufgestellt, lieferte der Diesel fast 50 Jahre Strom und Druckluft. Zwei Mann „Besatzung“ sorgten dafür, dass die Maschine reibungslos lief. Die Teile im Diesel sind teilweise riesig, wie man an einer ausgestellten Pleuelstange sehen kann. Eine der Wände ist von der Druckluftanlage bedeckt. Und wenn die Besucher die steile Treppe hinaufgehen, finden sie sogar noch die beiden Treibstofftanks. Und – Überraschung – ein Fotostudio. Dort wurden einst die Produkte der H.A.U. für Werbezwecke fotografiert.
Wenn man vor dem Diesel steht, glaubt man fast, den mächtigen Dynamo drehen zu sehen. Doch aus Umweltgründen sieht man davon ab, das von Teeröl angetriebene stählerne Ungetüm soweit zu restaurieren, dass es seinen Dienst wieder aufnehmen könnte. So steht der Diesel unbeweglich in seiner Halle, wartet auf die Besucher und scheint von der Zeit zu träumen, als sein stählernes Herz noch schlug.
Errata
Ergänzend hat uns Hermann Ginter aus Schramberg-Sulgen, der sich als Mitglied im Verein mit dem Diesel eingehend beschäftigt hat, mitgeteilt: "Der Motorr brauchte Druckluft, mehrstufig hochverdichtet auf etwa 50 bar, zum Laufen. Damit wurde der Brennstoff mittels Einblasventilen in die Brennräume eingeblasen. Eine Hochdruckeinspritzung mit Einspritzpumpe und Einspritzventilen wurde erst etwa 15 Jahre später für Prosper L’Orange patentiert. Einen Anlasser gibt es nicht, der Motor wird durch „Anblasen“ gestartet, die Kolben einzelner Zylinder werden bei passender Stellung mit Druckluft beaufschlagt, ’angeblasen’ und damit die Kurbelwelle gedreht, bei Großmotoren nach wie vor üblich. Der Motor lief bei 150 Umdrehungen pro Minute, hatte dann etwa 300 PS, der Lahmeyer-Generator lieferte dann einen Strom mit 50 Hertz Frequenz, der ins Netz eingespeist werden konnte."