Beim Besuch von Klara Stingel und Heike Götz mit Exponaten des Museums für Volkskunst sind bei den Bewohnerinnen des Pflegehauses Erinnerungen an frühere Zeiten erwacht.
Manchmal sind Probleme einfach und pragmatisch lösbar: Kommt der Besucher nichts in das Museum, so kommt das Museum eben zum „Besucher“: so geschehen im Ameos-Pflegehaus am Pfarrbaum.
Bis zum Sonntag war im Museum für Volkskunst in Meßstetten die Sonderausstellung „Vielfältige Stickkunst – Unesco-Weltkulturerbe und Leinenherstellung“ zu sehen. Der gute Kontakt zwischen Museumsleiterin Klara Stingel, Fachexpertin Heike Götz aus Binsdorf und Susanne Wysotzki vom Pflegehaus machte es den Bewohnern des Pflegehauses möglich, die Ausstellung zu erleben, ohne ins Museum kommen zu müssen.
Die Bewohnerinnen können das selbst auch noch ganz gut
Die Frauen legten den betagten Bewohnern mehrere selten gewordene Exponate vor, die diese untereinander weiterreichten und die ihnen die Fachfrauen erklärten. Heike Götz hatte außerdem mehrere kleine Stickereien zur Weiterbearbeitung mitgebracht – die Frauen im Pflegehaus hatten schließlich schon in früher Jugend das Arbeiten mit Textilien und Garnen gelernt.
So begann die eine oder andere noch flinke Hand schließlich auch zu sticken. Manche angehende Schwiegermutter hatte früher mit Argusaugen die ihr vorgelegte Stickerei, den „Musterflecken“, unter die Lupe genommen. Die junge Braut durfte ihr Sohn dann – nachdem die Schwiegermutter in Spe ihr Plazet durch Kopfnicken erteilt hatte – „vom Fleck weg“ heiraten.
Heute leben solche Traditionen noch in Ländern wie Bulgarien und Dänemark fort
Weil sich unter anderem auch die Hochzeitskultur verändert hat, ist das Sticken und Besticken sichtlich aus der Mode gekommen. So besteht für mache traditionelle Tracht die Gefahr, dass sie – weil es am nötigen handwerklichen Können fehlt – nicht mehr hergestellt werden kann und sie ausstirbt.
Auch die himmelblauen Leinenfelder, die den Himmel zu berühren schienen und die das Aussehen der Schwäbischen Alb einst geprägt hatten, sind verschwunden. Sie hatten es möglich gemacht, dass junge Frauen früher jedes Laken, jeden Kartoffelsack und die gesamte Aussteuer selber weben konnten.
Heute leben solche Traditionen noch in Ländern wie Bulgarien und Dänemark fort, erfuhren die Ameos-Bewohner. Bei Deutschlands nördlichen Nachbarn existiert sogar eine Stickschule.
Das Symbol der Eule etwa habe für Weisheit gestanden
Früher hätten auch die Kirchen christliche Motive und Symbole weitergegeben, um so dem einfachen Volk die Inhalte der Bibel verständlich zu machen. Das Symbol der Eule etwa habe für Weisheit gestanden. Das Interesse der Bewohner an den seltenen Exponaten war groß und es entwickelte sich ein interessanter und reger Austausch darüber. Die Zusammenarbeit des Museums für Volkskunst mit dem Pflegeheim soll deshalb weiterhin gepflegt werden.