Kriminelle Kinder, wie jetzt in Murrhardt, bereiten den Jugendämtern Kopfzerbrechen. Foto: dpa

Einbruch, Sachbeschädigung, Körperverletzung: Dass ein Zehnjähriger Eltern und Kinder einer ganzen Stadt in Angst und Schrecken versetzt, ist eher ungewöhnlich. So wie derzeit in Murrhardt. Jetzt bahnt sich offenbar eine Lösung an.

Murrhardt - Die Bilanz ist imposant, besser gesagt: erschütternd. 37 Taten listet die Statistik der Polizei auf – Vergehen, die der Junge seit Juli 2012 in der Kleinstadt (13.800 Einwohner) im nordöstlichen Rems-Murr-Kreis begangen haben soll. Alle paar Tage mussten die Beamten des Polizeipostens wieder ausrücken, um ein weiteres Vergehen aufzunehmen – mal waren es Einbrüche, mal Sachbeschädigungen, mal Diebstähle. Dazu kommen mehrere Körperverletzungen. Der gravierendste Fall ereignete sich im September am Murrhardter Bahnhof. Dort soll der Zehnjährige ein anderes Kind mit einer Folie gefesselt und anschließend gedroht haben, es auf die Gleise zu legen – was der Junge bestreitet.

Zwar hatten sich diese Vorkommnisse in Schülerkreisen und der Elternschaft schon längst herumgesprochen. An die breite Öffentlichkeit kam das Ganze aber erst durch eine Anfrage des CDU/FWV-Stadtrats Klaus Lang im Gemeinderat. Angesichts des hohen Aggressionspotenzials des Jungen hätten ihn, so der Ortsparlamentarier, zahlreiche Mütter oder Väter gefragt: Was alles muss noch passieren, damit das Treiben des Jungen endlich unterbunden wird? Und falls die Behörden nicht reagierten, ob man dann nicht selbst handeln müsse?

Tatsächlich hat etwa die Walterichschule, wie die „Backnanger Kreiszeitung“ jetzt unter Berufung auf den Rektor berichtet, bereits 2011 den damals Achtjährigen vom Unterricht ausgeschlossen und ihm später Hausverbot erteilt. Um mögliche Zwischenfälle zu vermeiden, würden die Schüler auf dem Weg zur nahen Turnhalle zum Schutz mittlerweile von Sportlehrern begleitet.

Keiner äußert sich zu dem konkreten Fall

Bürgermeister Armin Mößner bestätigt, dass es in seiner Stadt diesen „heiklen Fall“ gibt, den man in den vergangenen Monaten mit großer Aufmerksamkeit verfolgt habe. Es habe Gespräche mit dem Jungen selbst gegeben und mit seiner Familie. Sie soll, wie es heißt, aus dem ehemaligen Jugoslawien stammen. Auch habe die Stadtverwaltung das bei der Kreisbehörde angesiedelte Jugendamt dringend ersucht, eine Lösung zu finden. Konkreter will Mößner allerdings nicht werden. Er verweist auf den Persönlichkeitsschutz im Jugendhilferecht.

Aus diesem Grund möchte sich auch das Kreisjugendamt nicht zu dem konkreten Fall äußern. Der Staat, so der Fachbereichsleiter Kinder- und Jugendhilfe, Holger Gläss, habe in der Jugendhilfe einen sehr ausgeprägten Datenschutz vorgeschrieben, „um die jüngsten und schwächsten Mitglieder der Gesellschaft gerade dann zu schützen, wenn sie der besonderen Hilfe bedürfen“. Sicher könne, wie jetzt in Murrhardt, in der Öffentlichkeit der Eindruck entstehen, es geschehe zu wenig. Doch seien die Behörden in einem solch gravierenden Fall alles andere als untätig.

Auch Mößner versichert: „Die Murrhardter Bürgerschaft, Eltern und ihre Kinder dürfen gewiss sein, dass der Fall von allen Seiten ernstgenommen wurde und nach den Regeln des geltenden Rechts die notwendigen Schritte eingeleitet wurden.“ Mittlerweile, so die jüngste Mitteilung aus dem Rathaus, sei eine Lösung gefunden worden. Wie die konkret aussieht, will man aber nicht sagen. Offenbar ist es den Jugendhilfe-Fachleuten in den Behörden mittlerweile gelungen, mehr Einfluss als anfangs auf die Eltern des Jungen auszuüben. Diese hätten zunächst nicht so recht mitgezogen, so ein Beobachter in Murrhardt. Jetzt sollen die Eltern zugestimmt haben, dass der Zehnjährige besser in einem Heim aufgehoben sei.