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Seit 20 Jahren sortieren Deutsche Müll in Gelbe Säcke - Wertstoffausbeute mäßig.

Eine Metallkralle reißt die gelben Schutzmäntel in Fetzen, dann purzelt der Müll auf ein Förderband. Milchverpackungen fahren neben Schuhen, schrumpeligen Auberginen, einem Spielzeughubschrauber und Windeln in die Höhe. Dort sortieren flinke Hände das aus, was die Verbraucher falsch in die Gelben Säcke einsortiert haben. Fehlwürfe nennen die Mitarbeiter im Mittelbadischen Entsorgungs- und Recyclingbetrieb (Merb) bei Bietigheim das.

Auch zwanzig Jahre nach der Geburt des Grünen Punkts machen Fehlwürfe noch immer 40 Prozent des gesammelten Mülls aus. Anfangs waren es bis zu 60 Prozent. Zwar nennen zwei Drittel der Deutschen die Mülltrennung an erster Stelle, wenn sie nach ihrem persönlichen Beitrag zum Umweltschutz gefragt werden. Kunststoff wollen gar 94 Prozent meist vom Restmüll trennen. Der metallene Sacköffner aber enthüllt wenig vorbildliches Sortierverhalten.

Als das Umweltministerium den Gelben Sack 1990 ins Leben rief, war er eine Notgeburt. Die Mülldeponien quollen über, weil sich immer mehr Dosen, Tüten und Tetrapaks darauf türmten. Abbauen sollten diese Türme nun die Hersteller selbst - indem sie ihre Verpackungen zurücknehmen und wiederverwerten. Diese Aufgabe übertrugen sie an eine Firma, die heute den Namen Der Grüne Punkt - Duales System Deutschland (DSD) trägt. An die DSD zahlen die Hersteller für jede produzierte Verpackung einen kleinen Betrag. Der Beleg: ein Grüner Punkt auf Joghurtbecher und Shampooflasche. Die eigentliche Rechnung begleicht der Käufer, der für den Joghurt ein paar Cent mehr bezahlt. Dafür darf er den Becher in den Gelben Sack stecken, der von Firmen wie der Merb im Auftrag des DSD abgeholt wird. So weit die Theorie.

Je sortenreiner der Müll getrennt wird, desto wertvoller wird er

"Manche Leute wissen noch immer nicht, was in den Gelben Sack gehört", sagt Hugo Gerber, Geschäftsführer bei der Merb, und zeigt auf Plastikeimer und Gummistiefel, die auf dem Förderband vorbeifahren. Zwar sind auch diese Gegenstände aus Kunststoff und können mit den Verpackungen recycelt werden. Aber ihre Entsorgung wird eben nicht über die Hersteller finanziert. Und seit es nicht mehr nur den DSD, sondern noch neun weitere Duale Systeme gibt, funktioniert auch die Merkhilfe: Grüner Punkt gleich Gelber Sack nicht mehr. Denn der Punkt ist das Markenzeichen des DSD.

Die Arbeiter klauben die Aubergine, die Babywindeln und einen ganzen Müllsack vom Band. "Um zu sparen, wählen manche eine möglichst kleine Restmülltonne. Entsorgen müssen sie ihren Müll aber trotzdem", sagt Gerber und schließt schnell die Tür zum stinkenden Sortierraum. Für Entsorgungsbetriebe wie den seinen wird es durch solches Verhalten nicht leichter, den Müll möglichst sortenrein zu trennen.

Das schwarze Förderband schiebt den vorsortierten Müll unter einem Magnet hindurch, der sich die Blechdosen angelt. Dann entscheidet eine Infrarotkamera, dass Folien links herum auf dem Band weiterreisen sollen, Tetrapaks rechts herum. Ab dem kommenden Jahr werden die restlichen Verpackungen per Scanner auch noch nach Kunststoffarten getrennt. 40 verschiedene nutzt die Industrie derzeit. "Je sortenreiner wir den Müll bekommen, desto wertvoller ist er für die Recyclingfirmen", sagt Gerber.

Als der Gelbe Sack in den 90ern eingeführt wurde, hätte die Inhalte niemand als wertvoll bezeichnet. Keiner wusste so recht, wohin mit dem Verpackungsmüll. "Anders als für Glas oder Altpapier gab es dafür noch keine Märkte, es wurde viel experimentiert, wenig davon war wirtschaftlich", sagt Norbert Völl vom DSD. Als unrentable Denkmäler dieser Zeit sind bis heute einige Lärmschutzwände und Parkbänke übrig geblieben. Auch Versuche, aus den alten Kunststoffen wieder Rohöl und Benzin zu gewinnen, wurden schnell wieder eingestellt. "Viel zu teuer", sagt Völl.

Selbst wenn es weniger Mülltonnen gibt: Trennen muss der Verbraucher

Nachdem Hände, Magnete, Kameras und Scanner den Müll aus den Gelben Säcken gefiltert haben, kippt ihn das Förderband in eine Presse und quetscht ihn zu riesigen Paketen. Ein Tetrapak-Hügel wächst neben einem Dosen- und Folien-Berg empor. Erst dieses sortenreine Gebirge macht den Gelben-Sack-Müll zu einer lukrativen Rohstoffquelle. Statt minderwertiger Produkte wie Parkbänke können daraus solche hergestellt werden, die dem Wert des Ausgangsprodukts entsprechen - etwa Papier aus Tetrapacks oder neue PET-Flaschen als alten.

Trotzdem sehen viele Wissenschaftler den Gelben Sack als Auslaufmodell. "Er gehört in die Tonne", sagt Klaus Wiemer. Der Professor für Abfallwirtschaft an der Universität Kassel meint das wörtlich. Weil die Bürger noch immer schlampig trennen und ähnlich viel wiederverwertbares Verpackungsmaterial im Restmüll und damit im Verbrennungsofen landet wie Essensreste und Windeln im Gelben Sack, will er die Mülltrennung ändern. "Die Wertstoffgewinnung muss erhöht werden."

Wiemer kritisiert auch die gesetzlichen Vorgaben. Von den rund 2,6 Millionen Tonnen verbrauchten Verpackungskunststoffen im Jahr müsse das DSD weniger als eine Million Tonnen wieder zu neuen Kunststoffen recyceln. Der Rest dürfe auch als Energiequelle in Müllheizkraftwerken verwertet werden.

In verschiedenen Städten wird bereits mit verschiedenen neuen Trennsystemen experimentiert. Mal verschmelzen Restmüll und Gelber Sack. Mal gibt es eine Wertstofftonne, in die auch Kunststoffe dürfen, die kein Verpackungsmaterial sind - wie Quietscheenten oder Bobbycars. Mal werden trockene und nasse Abfälle getrennt. Bis zum 12. Dezember muss die Bundesregierung die neue Abfallrahmenrichtlinie der Europäischen Union (EU) in nationales Recht umsetzen. Vermutlich wird es dann ab 2015 flächendeckend eine Wertstofftonne geben. Im Kreis Böblingen kommt sie schon 2012.

Im Mittelbadischen Entsorgungs- und Recyclingsbetrieb tragen die Förderbänder weiter Milchverpackungen neben Schuhen, schrumpeligen Auberginen, einem Spielzeughubschrauber und Windeln zum Sortieren in die Höhe. Egal welche Tonne der Verbraucher am Ende vor die Tür gestellt bekommt: Er muss sie auch richtig füllen wollen.