Profis in Sachen Biotonne haben den Abfall im Schwarzwald-Baar-Kreis unter die Lupe genommen und schlagen jetzt einen neuen Weg vor. Für manchen Eigenkompostierer im heimischen Garten kündigen sich bereits Veränderungen an.
In Kreisverwaltung und -tag ist man sich schon lange einig: Wünschenswert wäre eine Steigerung aus Sicht der Behörde vor allem im Bereich Biomüll gewesen – seit Jahren bemüht man sich darum, diese zu steigern, doch auch gegenüber 2022 sank die Menge erneut um zwei Kilogramm je Einwohner und Jahr auf gerade einmal 9666 Tonnen.
Zehn Kilogramm weniger als der Landesschnitt – damit ist man im Schwarzwald-Baar-Kreis nicht zufrieden. Gesucht wird jetzt die Braune-Tonnen-Strategie für den Schwarzwald-Baar-Kreis.
Deshalb müssen mehr Braune Tonnen her
Um sich Anregungen zu holen, wie man das Ziel erreichen kann, blickte man von Villingen-Schwenningen nach Witzenhausen. Michael Kern vom gleichnamigen Institut Witzenhausen stammt von dort und somit aus dem „Geburtsort der Biotonne“, wie er stolz vor den Kreisräten verkündete – wer sonst weiß, wie man den Biomüll steigern kann?
Die Motivation ist klar: Einerseits droht eine steigende CO2-Abgabe – die Müllverbrennung wird damit immer teurer. Und: Aus Biomüll lässt sich Kompost herstellen – und je hochwertiger der Biomüll, desto besser der spätere Kompost. Doch: Manches, das die Qualität des Komposts beträchtlich steigern könnte, landet heute noch im Restmüll.
Der Kreistag im Schwarzwald-Baar-Kreis soll sich nun auf eine künftige Strategie einigen. Wie genau die ausschauen könnte, war am Montag beim Umweltausschuss allerdings noch äußerst umstritten, denn klar ist: Um den Anteil an Biotonnen zu steigern, rücken automatisch jene Bürger ins Blickfeld, die auf diese bislang verzichten, weil sie einen Komposter im eigenen Garten betreiben. Soll das Eigenkompostieren künftig verboten sein? Diese Frage stellt sich nun in der Region.
Kreisbewohner machen schon vieles richtig
Fakt ist: Ein Qualitätsproblem hat man im Schwarzwald-Baar-Kreis damit nicht, stellte Kern klar. Sein Institut hat den Bioabfall in der Region analysiert. Die Kreisbewohner machen vieles richtig: wenig Gartenabfälle, die ohnehin wenig Gas erzeugen und damit nicht sonderlich wertvoll sind, dafür im Verhältnis viele Nahrungsmittelabfälle, die ordentlich Energie hergeben – und ein geradezu „phänomenal“ geringer Anteil an Folienbeuteln, die im Biomüll-Kreislauf so empfindlich stören.
Jedoch: 30 Prozent des Restmüllaufkommens seien eigentlich Bioabfall – da steckt also viel Potenzial drin. „Genau der Biomüll, um den es uns eigentlich geht, landet im Restmüll“, bedauerte Martin Fetscher, der Chef des Abfallwirtschaftsamtes im Schwarzwald-Baar-Kreis. Schließlich wolle man im Sinne einer hohen Kompostqualität auch den Biomüll mit hohem Nährstoffgehalt künftig zunehmend in der Biotonne wissen. Und für Landrat Sven Hinterseh ist ohnehin klar: „Der Bioabfall hat im Restmüll nichts verloren!“
Die Empfehlung des Fachmanns
Um ein Umdenken zu erreichen, empfiehlt der Fachmann aus Witzenhausen: Die Biotonne sollte eine Pflicht für alle, auch Eigenkompostierer, sein – der Kreis solle gezielt für die braune Tonne werben. Und: Für die Eigenkompostierung solle künftig ein Nachweis erforderlich sein – nur wer die Voraussetzungen erfüllt, soll das tun dürfen. So müsse ein Eigenkompostierer entsprechende Flächen nachweisen, und auch mit Kontrollen und möglicherweise entsprechenden Konsequenzen rechnen. Der Kreis könne zudem Gebührenanreize für die Biotonne setzen – die aktuelle Gebühr im Landkreis sei mit zwei Dritteln der Restabfallgebühr zu hoch angesetzt, sie solle maximal 40 Prozent der Restabfallgebühr betragen.
Und weil der Ton die Musik macht, schlägt Michael Kern sogar ungewöhnliche Wege vor: Warum nicht den neuen Biomülltonnen-Verwendern ein regelrechtes Begrüßungsgeschenk überreichen? Ein Behälter zur Vorsortierung in der Küche beispielsweise könne ein solches Präsent sein.
Das meinen die Kreisräte
Ob man im Schwarzwald-Baar-Kreis den radikalen Weg einschlägt und das Eigenkompostieren künftig untersagt und die Biotonne zur Pflicht macht, sollte der Kreistag entscheiden. Abfallwirtschaftsamtsleiter Martin Fetscher denkt ganz praktisch und will möglichst viele Anreize setzen: Kritiker könnten sich beispielsweise von einem speziellen Biotonnenmodell überzeugen lassen – eine Filtertonne mit Gummilippe, die dichter abschließt als die herkömmliche braune Tonne und Ungeziefer somit ausbremst.
Und auch die kreiseigenen Papiertüten für den Biomüll, die in den Recyclinghöfen künftig „so günstig wie keine anderen“ zu bekommen seien, könnten doch ein echtes Argument pro Biotonne sein.
Und wer unbedingt selbst weiterkompostieren will, so Fetschers Vorschlag, solle das künftig noch tun dürfen – am besten aber mit einer kleinen 60-Liter-Biomülltonne zusätzlich, dann ließen sich vielleicht auch Ratten wirkungsvoller von den heimischen Kompostern fernhalten.
Uneins waren sich die Fraktionen im Ausschuss, wie radikal man den Kurs in Richtung Biotonne in der Region einschlagen soll.
Der Kompromiss: ein Stufenmodell
Landrat Sven Hinterseh versuchte sich daher in einem Kompromiss: So könnte man doch stufenweise vorgehen und in einem ersten Schritt die vorgeschlagene Gebührenveränderung vornehmen – geringere Gebühren für die Biotonne mit maximal 40 Prozent der Restmüllgebühr als ersten starken Anreiz. Die Entscheidung über eine obligatorische Biotonne für alle und den Umgang mit den bisherigen Eigenkompostierern könnte aufgeschoben werden.
Der eine oder andere Kreisrat hatte zwar, wie Anton Knapp, SPD, „große Bedenken“, ob der finanzielle Anreiz alleine tatsächlich schon etwas bewirken kann – allerdings punktete Hinterseh für sein Stufenmodell in einem Punkt besonders: Er wolle noch einmal in Ruhe gemeinsam mit Michael Kern und Martin Fetscher einen Weg suchen, „ohne dass man in die Gärten gehen und Detektiv spielen muss“, und im ersten Halbjahr 2025 vorschlagen, mit welcher Strategie man künftig mehr Kreishaushalte an die Braune Tonne bekommen könnte.
Folgt der Kreistag in seiner nächsten Sitzung der Empfehlung des Umweltausschusses, dürfte man sich im Landkreis also Schritt für Schritt dem Ziel annähern, die Biotonnen künftig in jedem Haushalt stehen zu haben. Stufe zwei der Braune-Tonnen-Strategie im Schwarzwald-Baar-Kreis wird also mit Spannung erwartet.
Die neuen Gebühren
Im ersten Schritt werden Biotonnen also – vorbehaltlich der endgültigen Zustimmung des Kreistags – erst einmal günstiger: Von 67,40 auf 42,40 Euro pro Jahr soll die Gebühr für eine 60-Liter-Tonne sinken. Ein Musterhaushalt mit drei Personen würde nach neuer Kalkulation mit verschiedenen Anpassungen bei einer 120-Liter-Restmülltonne mit vierwöchentlicher Leerung und einer 60-Liter-Biotonne ab dem 1. Januar 2025 statt bislang 202,30 Euro nur noch 186,80 Euro bezahlen.