„Willas“ und Thomas Herbrand sind oft im Haslacher Städtle anzutreffen. Foto: Reinhard

Pferd statt Auto: Nach diesem Motto ist Thomas Herbrand im Kinzigtal unterwegs. Er und „Willas“ sind oft in Haslach anzutreffen – manchmal auf dem Wochenmarkt oder mitten im Narrentreiben. Dass der Wallach dabei so gelassen bleibt, hat gute Gründe.

Manchmal steht auf dem Haslacher Martkpatz, zwischen Gemüse-, Obst-, Brot- und Wurstständen, ein Pferd. Es steht meist unangebunden da, döst mit angewinkeltem Hinterbein und lässt sich weder durch Fahrräder, rennende Kinder oder dicht vorbei fahrende Autos aus der Ruhe bringen. Dass das Pferd ein blendend weißer Schimmel und dazu noch wunderschön ist, hat so manchen Marktbesucher im ersten Moment bestimmt schon an eine Fata Morgana glauben lassen. Doch Willas, so heißt der 19-jährige Araber, ist real und lässt sich auch gerne streicheln. Nicht nur das: Sein Besitzer Thomas Herbrand hat auch kein Problem damit, Kinder, die von dem Tier magisch angezogen werden, auf seinen Rücken zu setzen. Auch das stört Willas nicht, im Gegenteil. Trotz des Marktgewusels um ihn herum hält er dabei brav still und wenn ihn jemand fotografieren will, scheint er sich sogar in Pose zu werfen.

 

Dass der Wallach trotz seiner Instinkte als schreckhaftes Fluchttier so gelassen bleibt, kommt nicht von Ungefähr. Er und sein Besitzer Thomas Herbrand, vielen Haslachern auch als „Tommy“ bekannt, sind des Öfteren im Städtle anzutreffen und haben zusammen schon jede Menge erlebt. Sie waren nicht nur sportlich unterwegs und nahmen erfolgreich an Wettkämpfen im Westernreiten teil, sondern präsentierten sich und ihre Reitweise auch auf der Messe Euro-Cheval in Offenburg.

Sie haben gemeinsam viele Wanderritte unternommen

Vor allem aber hat das Paar jede Menge Wanderritte absolviert – unter anderem in den Dolomiten und über die Alpen. Acht Mal haben er und Willas diese Tour hinter sich gebracht. Dabei mussten sie natürlich auch einige Ortschaften durchreiten. „Willas hat schon so viel gesehen, dass es kein Problem für mich ist, ihn mit ins Städtle zu nehmen. Ich kann mich sogar in Ruhe zum Essen hinsetzen und das macht er alles mit“, erzählt Herbrand. Dass Willas dabei so gelassen bleibt, ist jedoch nicht gottgegeben, sondern habe viel mit Training zu tun, führt Herbrand aus – zumal Araber bei Reitern nicht gerade für ihre Nervenstärke bekannt sind. „Das geht alles über Vertrauen und man muss entsprechend üben. Wir haben viel Schrecktraining gemacht und es war mir stets wichtig, ihm die ganze Welt zu zeigen, damit ich ihn überall mit hin nehmen kann.“ Mit „überall hin“ meint Herbrand zum Beispiel ein italienisches Restaurant, Kaffee und Kuchen beim Haslacher Bistro oder ein Ausflug zum Golfplatz. Auch im Narrentreiben und dem Weihnachtsmarkt waren sie schon anzutreffen. Er bindet das Pferd dann irgendwo an, beim Bistro zum Beispiel am Bachgeländer vorm Kloster, und kann essen und trinken, während sein Pferd sich entspannt.

Wenn es keine Anbindemöglichkeiten gibt, stellt er ihn einfach ab; das Pferd rührt sich nicht vom Fleck. Trotz allen Trainings und des Vertrauens, das zwischen Pferd und Reiter herrscht, weiß Herbrand aber auch: „Das ist nicht mit jedem Pferd so möglich.“ Willas bringe die entsprechenden Voraussetzungen mit und Herbrand ist ein erfahrener Reiter, der schon viele Pferde ausgebildet hat. Auch Willas hat er mit vier Jahren selbst angeritten. Der Mühlenbacher hat schon seit seiner Kindheit Kontakt zu Pferden. Sein Vater war Metzger, kam dementsprechend herum und setzte seinen Sohn auf jedes Pferd, das sie trafen. Doch auch der Großvater war ein Pferdemensch und ritt im Ersten Weltkrieg in der Kavallerie. „Ich bin Schwarzwälder Kaltblüter geritten, ohne Sattel und frei in der Natur“, erinnert sich Herbrand an seine Kindheit. Sein erstes Pferd kaufte er im Alter von 19 Jahren, eine Hannoveranerstute. Damals ritt er noch in der englischen, traditionellen Reitweise, wechselte aber nach zwei Jahren zu Western. Bald fing er an, sich für Araber zu interessieren, die im Westernsport von sich reden machten. Sein erster Araber war eine Stute, aus der er vier Fohlen züchtete. Ab diesem Zeitpunkt kaufte er seine Pferde alle roh, also jung und ungeritten. „Ich arbeite sehr gerne mit jungen Pferden. Das liegt mir“, fasst Herbrand zusammen. Dafür hat er mit seinen 45 Jahren Erfahrung nicht nur das nötige Wissen, sondern auf seinem Hof in Mühlenbach auch die nötige Infrastruktur. Die Pferde stehen direkt am Haus und es gibt neben einem Reitplatz und weitläufigen Weiden alles, was Pferde brauchen. Momentan hat Herbrand neben Willas noch zwei weitere Pferde: einen jungen Araber-Grauschimmel und einen Quarter Horse-Wallach. Ersterer ist gerade in Ausbildung. „Willas ist für ihn ein super Lehrmeister“, lobt Herbrand.

Umweltfreundliche Auto-Alternative

Bis der Nachwuchs so weit ist, reitet er weiter mit Willas durchs Kinzigtal. Tatsächlich nutzt er das Pferd oft anstatt seines Autos. Der Grund: „Das ist umweltfreundlicher und ich habe ja die Zeit. Außerdem ist der Spaßfaktor tausend mal höher“, erklärt Herbrand lachend. Das liegt wohl auch daran, dass die Menschen sich immer sehr über das Pferd freuen. Negative Kommentare oder Reaktionen habe es laut Willas’ Besitzer noch nie gegeben, im Gegenteil. Dass der Wallach ein Sicherheitsrisiko darstellt, diese Sorge habe auch noch niemand geäußert – was angesichts dessen Gelassenheit auch nicht verwundert. Auf die Frage, ob es einen Ort gebe, den Willas nicht mag, meint Herbrand nur: „Zu einem Motorradrennen würde ich ihn jetzt vielleicht nicht mitnehmen.“

Pferdeäpfel

Thomas Herbrand hat für den Fall der Fälle stets große Mülltüten dabei, um die Hinterlassenschaften seines Pferde zu beseitigen. Das macht er nicht nur aus Rücksichtnahme. Im öffentlichen Raum und in Wohngebieten müssen Pferdeäpfel aus Gründen der Verkehrssicherheit beseitigt werden.