Stephan Salscheiders Herz schlägt für den Mountainbikesport und für seine Heimatstadt Albstadt. Deshalb wünscht er sich, dass beide weiterhin voneinander profitieren. Foto: Bernhard Jung

WM-Absage: Wie sehen zwei Kenner der Szene die Zukunft Albstadts als Hochburg des Mountainbikesports?

Albstadt - Nach der Absage der UCI-Mountainbike-Weltmeisterschaft im Cross Country in Albstadt ist die Enttäuschung bei allen Beteiligten groß. Wie sehen Stephan Salscheider von "Skyder" und der einstige Weltklasse-Fahrer Mike Kluge die Chancen für die Zukunft?

Rational versucht Stephan Salscheider, Gründer und Inhaber des Sportveranstalters "Skyder" und seit mehr als zwei Jahrzehnten einer der größten Aktivposten in der Entwicklung Albstadts zum Mountainbike-Mekka, die Absage der Weltmeisterschaft im Cross Country zu betrachten. Dennoch ist ihm anzumerken, dass er schwer daran knabbert. Immerhin ist es vor allem Salscheider zu verdanken, dass die WM- und Weltcup-Strecke im Bullentäle so ausgebaut ist, dass Wettkämpfe der Spitzenklasse dort möglich sind. Als gebürtiger Tailfinger und langjähriger Aktiver hat er immer wieder daran gefeilt, Sponsoren für den Ausbau gesucht und mit seinem Team selbst Hand angelegt.

"Die Absage war letztlich unausweichlich", sagt er dennoch, "denn derzeit ist nichts planbar. Da geht es allein schon darum, wer in welches Land einreisen darf", ergänzt er mit Blick auf einen zunächst angedachten Ausweichtermin im Oktober und die Unsicherheit darüber, ob die WM-Teilnehmer aus aller Welt dann schon hätten reisen dürfen.

Mike Kluge, der frühere Weltmeister und langjährige Weltklasse-Fahrer, der bei bisher sieben MTB-Weltcup-Rennen in Albstadt quasi zum Inventar gehörte und immer wieder gerne nach Albstadt kommt, macht aus seiner "wahnsinnigen Enttäuschung" kein Hehl und glaubt, dass es sich gelohnt hätte, mit der Entscheidung über eine WM im Oktober noch zu warten, trotz der finanziellen Risiken. Immerhin wären das Ausgaben gewesen, die Betrieben in der Region zugute gekommen wären, stellt Kluge klar. "In der derzeitigen Situation hätte da keiner Vorkasse verlangt und alle wären froh gewesen, daran mitzuwirken, dass in Albstadt etwas entsteht." Die Wirtschaft könne nur wieder auf die Füße kommen, wenn die Politik antizyklisch investiere. "Sport hat schließlich auch eine soziale Aufgabe, und es hätte bei der Freiluftveranstaltung schon Möglichkeiten geben, dass die Sportler und Zuschauer sich schützen, also Bitte."

"Eine WM im eigenen Land ist eine riesige Chance"

Kluge weiß, wovon er spricht, wenn er den Wert einer Heim-WM für deutsche Sportler thematisiert, ist er doch bei der bisher einzigen WM auf deutschem Boden, 1995 in Kirchzarten, selbst mitgefahren und hat erlebt, wie das Publikum ihn getragen hat. "Als Sportler bleibt einem nur eine gewisse Zeit, sich zu präsentieren", sagt er mit Blick auf Aktive wie Lokalmatadorin Ronja Eibl, die das Gesicht der WM werden sollte. "Und eine WM im eigenen Land ist für den gesamten deutschen Radsport eine riesige Chance."

Wie sehen die beiden Kenner Albstadts Chancen, 2026 – am nächstmöglichen Zeitpunkt – den Zuschlag für eine WM zu bekommen? Stephan Salscheider will darüber nicht spekulieren, zumal noch nicht feststehe, ob der Gemeinderat Albstadt überhaupt eine Bewerbung zulasse. "Außerdem ist es noch ziemlich lange bis dahin. Dass die Zeichen im Gemeinderat derzeit eher in die andere Richtung stehen, weil noch niemand weiß, wie Albstadt die Corona-Krise finanziell überstehen wird, findet Kluge schade. "Eine WM bringt Albstadt Bekanntheit und Reichweite rund um die Welt." Außerdem sei schon jede Menge Vorarbeit, etwa in Umbaumaßnahmen für die Witterungsbeständigkeit der Strecke investiert worden – darauf ließe sich aufbauen.

Dass Albstadt gut beraten ist, nun nicht komplett den Stecker zu ziehen, betonen sowohl Salscheider als auch Kluge ausdrücklich und befürworten deshalb auch die Bewerbung der Stadt um die Weltcups 2021 und 2022, von denen beide hoffen, dass der Weltverband Union Cycliste Internationale (UCI) und der Bund Deutscher Radfahrer sie wohlwollend quittieren.

Selbst auf Kulturvereine hat so eine WM Auswirkungen

"Jetzt auszusteigen hieße, die ganze bisherige Arbeit zunichte zu machen", betont Kluge, während Salscheider auch die Auswirkungen auf die Vereine im Blick hat: Radsportvereine wie die RSG Zollern-Alb ’82, deren Mountainbike-Abteilung er einst mit initiiert hat, und andere, die bei den Großveranstaltungen ihre Kasse aufbessern und für sich werben könnten – bei der WM etwa hätten die Stadtkapelle Tailfingen und der Konzertchor Eintracht Ebingen Gäste bewirtet. "Wir müssen jetzt den Fokus darauf legen, diesen Sport in Albstadt zu erhalten", betont Salscheider, "und dazu brauchen wir auch Rückhalt. Das hat auch Auswirkungen auf den Masterplan Tourismus. Inzwischen hat Albstadt eine Reputation in Deutschland und sogar in der Welt, und ich persönlich glaube, dass es wichtig ist, weiter in Tourismus zu investieren, denn nach den Erfahrungen der Corona-Krise werden wohl viele Deutsche häufiger als bisher Urlaub im eigenen Land machen."

Albstadt habe in Sachen Mountainbikesport viele von hinten überholt, betont Salscheider, und Wettkämpfe seien wichtig für die Reputation und damit die Zugkraft, aber auch für die Entwicklung vor Ort – am dritten Mountainbike-Trail im Eyachtal arbeitet die Stadt gerade. Nicht zuletzt brächten die Wettkämpfe viele Übernachtungen, darunter auch Gäste, die bei anderer Gelegenheit wiederkommen.