Horst Kieß aus Oberwaldach debütierte im Alter von 68 Jahren in der "Klassik Trophy" und belegte prompt den vierten Platz in der Jahreswertung. Foto: Wagner

Motorsport: Rennfahrer aus Oberwaldach wechselt auf 110-PS-Maschine. Debüt mit 68 Jahren gefeiert. 

Mit 70 setzen sich viele Rentner aufs Sofa. Horst Kieß aus Oberwaldach dagegen steigt lieber auf sein neues Motorrad und startet als Rennfahrer weiter durch.

Waldachtal-Cresbach . Im Jahr 2018 gab Horst Kieß aus Oberwaldach sein Debüt in der "Klassik Trophy" und erreichte einen respektablen vierten Platz in der Jahreswertung der Viertakt-Maschinen (500 ccm). Im vergangenen Jahr wurde die "Klassik Trophy" als "Moto Trophy" ausgerichtet und wartete mit acht Veranstaltungen in vier europäischen Ländern auf, wobei Kieß in der Jahreswertung den fünften Platz in seiner Klasse einfuhr. Das Klischee vom langsam fahrenden Rentner trifft auf den mittlerweile 70-Jährigen definitiv nicht zu. Denn nur zwei Jahre nach seinem Rennfahrerdebüt auf seiner Honda XBR 500, Baujahr 1983, geht Kieß heuer mit einer schnelleren und höher motorisierten Rennmaschine an den Start.

Die Frage, warum er sich so entschieden hat, ist schnell beantwortet. "Ich bin noch nie so ein Motorrad gefahren", konstatiert Kieß im Gespräch mit unserer Zeitung. Der Tacho der neu aufgebauten Honda CBR 600 Supersport zeigt 300 Stundenkilometer in der Spitze an, circa 110 PS ermöglicht der Vierzylinder der Maschine. Je nach Getriebeübersetzung läuft die Maschine bis zu 265 Stundenkilometer zugunsten der Beschleunigung.

Im Rennbetrieb werden die Hö chstgeschwindigkeiten regelmäßig erreicht. "Wenn ich in Oschersleben nach der Zielkurve hoch beschleunige, dann bin ich vor der nächsten Kurve schon im Begrenzer", verdeutlicht Horst Kieß. Die Jungfernfahrt der Honda CBR 600 Supersport fand auf dem Sachsen-Ring an einem Wochenende im Juni statt. "Mir ging es zunächst gar nicht gut. Ich hab gezittert", erinnert er sich leicht amüsiert. Dennoch zog der Rennfahrer letztlich ein positives Fazit. Zwischen dem neuen Bike und dem alten liegen nämlich Welten. "Das Bremsen, die Geschwindigkeit, das Fahrverhalten – kein Vergleich zur alten Maschine", resümiert Kieß.

Insgesamt zehn Turns, also Trainingseinheiten, absolvierte er im Rahmen der Test- und Einstellfahrten. Dabei ging es dem Rentner hauptsächlich um die Abstimmung des Fahrwerks und des Sitzes. Die eigentliche Vorbereitung auf die neue Saison begann jedoch bereits im Januar dieses Jahres.

Über 1000 Kilometer strampelte Horst Kieß auf dem Fahrrad ab, drei bis vier Mal die Woche stand Kraft- und Athletiktraining auf dem Programm. "Die Geschwindigkeit im Motorsport ist nämlich von vielen Faktoren abhängig. Dazu gehören auch körperliche Voraussetzungen sowie die Fitness des Fahrers", verdeutlicht der 70-jährige Motorsportler. Der technische Zustand des Fahrzeugs und die optimale Abstimmung der Maschine komplettieren die Grundvoraussetzungen.

"Dann bin ich aber noch lange nicht schnell. Das erreicht man nur mit Training. Mensch und Technik müssen perfekt zusammenpassen", betont Kieß. Vor allem eine konstante und zugleich schnelle Fahrweise will sich der Rennfahrer in der Klasse "Regularity" aneignen.

Am 23. Juli startet Horst Kieß in Oschersleben, wo die zwei Rennläufe aufgrund der Corona-Pandemie ohne Zuschauer stattfinden werden. Ebenfalls auf der Agenda stehen jeweils zwei Läufe in Most (Tschechien), auf dem Lausitzring und sogar dem bekannten Red-Bull-Ring in Österreich. Sein Jubiläumsjahr wird mit dem Saisonabschluss auf dem "Adria International Raceway" in Italien im Oktober abgerundet.

Bereits seit 50 Jahren engagiert sich Kieß unter anderem als Mechaniker, Funktionär in Motorsportclubs sowie als aktiver Fahrer im Motorsport. Ans Aufhören denkt der Rentner mit Benzin im Blut nicht. "So lange ich das noch machen kann, mache ich es auch noch", so sein Entschluss, welcher sicherlich auch noch aus einer tieferen Motivation heraus entstand. "›Höher, schneller, weiter‹ steckt in jedem von uns", meint Horst Kieß.