Der Hinterhof des mittlerweile abgerissenen Elternhauses des getöteten Michael Riecher – hinter dem Schuppen befand sich der Komposthaufen. (Archivbild) Foto: Ganswind

"Mein Name ist Hase, ist weiß von (fast) nichts." Ein Zitat, womit sich ein Student in Heidelberg aus einem Duell-Mord 1855 herausgeredet hatte. Das gilt wohl auch für Hassan L. (26, Name geändert) aus dem Raum Ludwigsburg. Einer der drei Männer, die nach dem Mord an Michael Riecher gut drei Monate später offenbar nach einer Beute gegraben haben sollen.

Rottweil/Horb-Nordstetten - Es ist eins der größten offenen Rätsel im Mordfall des Nordstetter Immobilienunternehmers Michael Riecher: Nach der Tat wurde der Komposthaufen neben dem Elternhaus des Opfers komplett ausgegraben. Hier hatte der Angeklagte Mohammed Omran A. gewohnt. War hier die Beute aus dem Überfall von A. und seinem Komplizen Iyad B. versteckt? Goldmünzen, Bargeld? Bis heute wurde nichts von den Ermittlern sichergestellt.

Polo von Hassan L. stand vor der Volksbank Nordstetten

Fakt ist: Der Polo von Hassan L. stand am 4. Januar 2019 vor der Volksbank in Nordstetten. Einer Zeugin waren mehrere verdächtige Männer aufgefallen, sie hatte die Polizei gerufen. Die kam Stunden später. Die Polizeibeamten bemerkten dann im Dunkeln, dass der Komposthaufen komplett ausgegraben war. An der Bretterumrandung, so wurde jetzt im Gerichtssaal gezeigt, hingen jede Menge leere Plastiktüten. Fein säuberlich mit dem Henkel am Pfosten befestigt. Waren hier Geldbündel oder Gold drin? Die Beute aus dem Mord an Michael Riecher?

Hassan L. sagt: "Ich war Fahrer. Mein Cousin ist auf mich zugekommen und hat mich gebeten, ihn zu fahren. Erst sind wir vor die JVA Rottweil gefahren. Er wollte dort mit einem Gefangenen sprechen. Am nächsten Tag sind wir dann nach Horb gefahren. Mein Cousin hat gesagt, wir sollen da und da graben. Das habe ich dann gemacht." Pikant: Damals saß Omran A. in der JVA Rottweil in Untersuchungshaft.

Zeuge wusste, dass es um "Gold oder Geld‹ ging

Richter Thomas Geiger: "Was haben sie ausgegraben?" Antwort des Zeugen: "Nix. Da war nix." Der Richter: "Was sollte drin sein?" Antwort: "Das weiß ich nicht. Ich habe nur gewusst, dass es um Gold oder Geld ging." Richter Geiger: "Das ist ein bisschen dünn. Jetzt stellen sie sich vor: Sie fahren zum Gefängnis. Einer steigt aus. Da wird was gesprochen und sie fragen nicht nach?" Hassan L.: "Ich habe gefragt, aber mein Cousin hat mir nichts erzählt."

Richter Geiger: "Woher wissen sie, dass es um Gold oder Geld ging?" Der Zeuge: "Mein Cousin sagte mir: Jemand ist gestorben, hat Geld oder Gold hinterlassen." Der Richter: "Wie lange haben sie gegraben, was haben sie gesucht?" Der Zeuge: "20 Minuten. Ich habe nicht gesagt bekommen, wie es aussieht. Ich habe nur gegraben. Ich habe nichts gemacht. Ich bin ehrlich."

Richter Geiger bohrt nach

Geiger bohrt nach. Dann sagt der "Ausgräber": "Ich hatte viele Schulden. Mein Cousin wollte die abdecken, wenn ich mitmache." Der Richter: "Sie müssen uns die Wahrheit sagen. Wir vernehmen die anderen auch noch. Wenn die was anderes sagen, haben sie die Arschkarte."

Dann hält ihm Richter Geiger den Chat mit seiner Freundin vor. Zitat: "Das mache ich morgen früh. Psst." Der Richter: "Wie können sie sowas schreiben, wenn ihnen nicht klar war, was passiert?" Hassan L.: "Weil es um Mord ging und Geld. Weil das Gold entwendet wurde." Richter Geiger: "Das ist jetzt neu. Das haben sie vorhin nicht gesagt."

Die "Goldgräber" fuhren zur JVA

Iyad B.s Verteidiger Wido Fischer hakt nach: "Wie oft sind sie zur JVA gefahren?" Der Befragte antwortet: "Ich glaube zwei Mal. Einmal vor dem Buddeln, einmal danach." Fischer: "Was war in den Taschen, die sie in Nordstetten dabei hatten?" Hassan L.: "Eigentlich nichts." Der Verteidiger: "Was ist mit der Tasche passiert, die in ihrem Auto war?" Der Zeuge: "Weiß ich nicht."

B.s Verteidiger: "Ich wundere mich. Sie spielen hier den Naiven, obwohl ihnen klar ist, dass es um Mord und potenziell Gold ging. Das glaubt doch kein Mensch mehr." Der Verteidiger: "Was wissen Sie über den Mord?" Zeuge: "Ich habe gestern einen Artikel drüber gelesen." Immerhin hatte Hassan zugegeben, mit einem Komplizen den Komposthaufen "per Hand" ausgegraben zu haben. Mit Handschuhen.

Am Pfosten hingen mehrere leere Tüten

Nebenkläger Rüdiger Kaulmann konfrontiert den Zeugen mit dem Foto der leeren Tüten am Pfosten des Komposthaufens:  Am Pfosten hängen jede Menge Plastiktüten. Was war in diesen Tüten?" Der Zeuge: "Ich sehe das zum ersten Mal." Kaulmann fasst nach, wird energisch: "Sagen Sie uns, was in den Tüten war." Hassan L.: "Ich weiß es echt nicht." Richter Geiger: "In den Komposthaufen gehören Blätter oder Bananenschalen. Aber keine Plastiktüten. Das fällt auf." Zeuge L.: "Die Tüten – auch wenn ich die anschaue, sagt es mir nichts. Es kann sein, dass wir die ausgegraben haben. Oder nicht."

Nebenkläger Kaulmann fasst noch mal nach: "Sie haben vor den Grabungen und danach nach ihren Angaben ihren Cousin zur JVA Rottweil gefahren. Sehen sie einen Zusammenhang zwischen diesen Besuchen und den Grabungen?"

Der Zeuge sagt: "Nein. Ich weiß nicht wer, wie, wo, was." Immerhin gibt er noch zu: Nach den Grabungen habe man im Auto besprochen, vorsichtig zu sein: "Wir haben geredet, dass wir von der Polizei kontrolliert wurden. Dass wir aufpassen sollen. Mit allem." Hinterher habe man noch zu dritt gechattet. Inhalt unter anderem: Man solle die Schuhe reinigen.

Am kommenden Freitag sind die beiden andere Männer ins Landgericht Rottweil geladen. Die Polizei hatte sie in Nordstetten ermittelt und kontrolliert.