Feucht, sauerstoff- und nährstoffarm: Moore bieten ganz besondere Bedingungen – für Lebenskünstler, die sich an diese extremen Bedingungen angepasst haben. Und sie sind ein ausgezeichneter Kohlenstoffspeicher. Doch das Moor auf dem Kaltenbronn ist in Gefahr. Ein Projekt soll es retten.
Das Hochmoor auf dem Kaltenbronn, mitten im Herzen des nördlichen Schwarzwalds, kämpft als einzigartiges Ökosystem ums Überleben. Der lebenswichtige Wasserhaushalt gerät aus dem Gleichgewicht – denn Klimawandel und historische Eingriffe setzen diesem besonderen Landschaftsraum massiv zu. Ausgebildete Moorguides öffnen die Augen und Herzen der Besucher für ein stilles Wunder, das mehr und mehr zu verschwinden droht.
Mit jedem trockenen Jahr stirbt das Moor ein Stück weiter. Und mit ihm ein kostbares Reservoir an Artenvielfalt, Klimaschutz und Landschaftsgeschichte.
Widerstandsfähig machen
„Wenn wir nichts tun, ist das Moor verloren“, sagt Renate Fischer, stellvertretende Leiterin des Infozentrums Kaltenbronn. Sie führt die erste Exkursionsgruppe durch das Schutzgebiet, erklärt ökologische Zusammenhänge und berichtet vom langen Atem, den das Projekt „LIFE MooReKa“ – Moorrevitalisierung Kaltenbronn-Hohlohmoor benötigt. Ziel ist es, das Moor durch gezielte Wiedervernässung widerstandsfähiger gegen die Auswirkungen des Klimawandels zu machen. Denn eines ist klar: Nur ein nasses Moor ist ein lebendiges Moor.
Darauf zu hoffen, dass die Natur es schon richten wird, wäre auf dem Kaltenbronn ein zu großes Risiko. Als reines Regenmoor hat das Gebiet keinen Anschluss an das Grundwasser. Der Hohlohsee „lebt“ also ausschließlich von Regenfällen – und hat einen pH-Wert von 3,5.
„Er ist damit so sauer wie Essig“, erklärt Fischer und ergänzt: „Fische leben hier keine, aber dafür seltene Pflanzen und spezialisierte Insektenarten.“
Diese besondere Welt ist feucht, sauerstoff- und nährstoffarm. Hier wachsen fast nur spezialisierte Pflanzen wie Torfmoose, Wollgräser und Sonnentau – Lebenskünstler, die sich an diese extremen Bedingungen angepasst haben.
Torfmoos als Hauptdarsteller
Torfmoose (Sphagnum) sind die eigentlichen Hauptdarsteller: Sie saugen sich mit Wasser voll wie ein Schwamm – bis zum 30-fachen ihres Eigengewichts. Dabei wächst das Moos oben immer weiter, während die unteren Pflanzenteile unter Luftabschluss absterben.
Und genau hier beginnt die Entstehung des Torfs: In der nassen, sauerstoffarmen Umgebung zersetzen sich die abgestorbenen Pflanzenteile kaum. Stattdessen lagern sie sich Schicht um Schicht ab – es entsteht Torf. Nur etwa ein Millimeter pro Jahr wächst so das Moor in die Höhe. In 1000 Jahren also gerade einmal ein Meter. Ein Prozess, so langsam und doch so mächtig, dass er Kohlenstoff speichert und das Klima schützt.
Doch dieser Kreislauf ist empfindlich: Wenn das Moor austrocknet, zersetzt sich der über Jahrtausende gewachsene Torf in wenigen Jahrzehnten. Der gespeicherte Kohlenstoff entweicht als CO₂ in die Atmosphäre. Und das Moor – einst ein lebendiger Schwamm – wird zur Kohlenstoffquelle statt zur -senke.
Fischer erklärt: „Ein einziger Hektar Moorboden speichert so viel Kohlenstoff wie sechs Hektar Wald.“
Aufwendiges Projekt
Sie erläutert die Hintergründe des aufwendigen Projekts: „Durch die Wiedervernässung bekommt das Moor eine echte Chance – und die Aussicht auf eine deutlich längere Lebensdauer.“ Die Ursache für die Austrocknung liegt tief: In früheren Jahrhunderten wurden kilometerlange Entwässerungsgräben von Hand gegraben, um Torf als Brennstoff zu gewinnen. Zwar war der wirtschaftliche Erfolg nur von kurzer Dauer – doch die Spuren im Moorboden blieben. Und sie wirken bis heute.
Noch immer entwässern diese Gräben das Gebiet, auch wenn viele fast ausgetrocknet erscheinen. Deshalb ist es heute umso wichtiger, den Naturraum nicht sich selbst zu überlassen, sondern gezielt einzugreifen. Mit sogenannten Grabensperren soll rückgängig gemacht werden, was durch menschliche Eingriffe aus dem Gleichgewicht geraten ist.
Hier setzt „LIFE MooReKa“ an. Mit wissenschaftlicher Begleitung und viel Fingerspitzengefühl werden Methoden erprobt, um das Moor wieder mit Wasser zu versorgen. Noch sind keine Bagger im Einsatz – zunächst testen die Fachleute verschiedene Materialien wie Holz, Kunststoff oder Stahl, mit denen künftig die Grabensperren errichtet werden sollen. Diese sollen helfen, das Wasser im Moor zu halten und so die Lebensbedingungen für Flora und Fauna zu verbessern.
„Es geht hier nicht um globale Klimarettung – das ist nicht unsere Dimension“, sagt Fischer. „Aber wir wollen diese kleine Fläche schützen, damit sie ihre Aufgabe weiter erfüllen kann – als Rückzugsraum, als Kohlenstoffspeicher und als Ort der Vielfalt.“
Ein Gemeinschaftswerk
Das Projekt ist ein Gemeinschaftswerk – getragen von der Europäischen Union, dem Regierungspräsidium Karlsruhe, der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA), ForstBW und dem Naturpark Schwarzwald Mitte/Nord. Eine zentrale Rolle spielt das Infozentrum Kaltenbronn, das wertvolle Bildungsarbeit leistet.
Doch das Bewusstsein für die Rettung des Hochmoors ist in der Bevölkerung noch ausbaufähig. Daher sind die Führungen des Infozentrums Kaltenbronn so wichtig.
Moor-Guides zeigen Besuchergruppen das besondere Ökosystem, vermitteln Zusammenhänge und machen die Bedrohung sichtbar. Die Exkursionen sind mehr als ein Spaziergang – sie sind eine Reise in ein fragiles Naturreich, das ohne menschliche Hilfe keine Zukunft hätte.
„Nimm nichts mit als deine Eindrücke – und lasse nichts zurück als deine Fußspuren“, lautet der Leitsatz, den Fischer ihren Gruppen mit auf den Weg gibt. Und doch weiß sie aus Erfahrung: „Manchmal habe ich das Gefühl, dass das Bewusstsein in der Bevölkerung noch wachsen muss.“