Zu einem Festakt wurde das 101. Montagsgebet auf der Liebfrauenhöhe, an dem der friedlichen Revolution der DDR-Bürger im Herbst 1989 gedacht wurde.
Zeitzeuge an diesem denkwürdigen Abend in der fast vollen Krönungskirche waren der ehemalige Verleger und Volkshochschuldirektor Rolf Sprink aus Leipzig und seine Gattin. Sie waren der Einladung des Organisationsteams aus Eutingen gerne gefolgt.
Festlich war auch der Auftakt. Die Besucher wurden von den Wild Voices aus Weitingen mit einem stimmgewaltigen Halleluja willkommen geheißen.
Seit 2017 finden die Montagsgebete statt und Jürgen Oberle, einer der von Anfang an mit dabei war, begründete auch warum die politischen Abendgebete für ihn von besonderer Bedeutung sind. Der Austritt von Großbritannien aus der EU 2016 seien für ihn wie ein Schlag in die Magengrube gewesen und er habe sich die Frage gestellt, wie und warum England aus diesem demokratischen Verbund austreten könne. Er glaube, auch die Briten selbst hätten das nicht verstanden.
Demokratie ist mehr gefragt denn je
Aber auch die Amerikaner, die gerne auf ihre älteste Demokratie verwiesen, seien derzeit und mit diesem Präsidenten auf dem besten Wege, diese zu verlassen. Demokratie sei also mehr gefragt denn je und beispielgebend seien unter anderen auch die Leipziger Bürgerinnen und Bürger gewesen, die gewaltlos mit zum Ende der DDR – Diktatur beigetragen hätten.
Beatrix Oberle sagte, das Christentum und Politik sehr wohl zusammengehören. Darum befasse man sich bei den seit 2017 stattfindenden konfessionslosen Montagsgebeten immer wieder mit dem Thema Stärkung der Demokratie. Dazu gehörte die Unantastbarkeit der Menschenwürde, politische Entscheidungen zu Gunsten aller Menschen, Meinungsfreiheit und Toleranz, für die es einzutreten gelte.
Dazu brauche es Mut, meinte sie mit einem Hinweis auf die Leipziger, die 1989 mit einer brennenden Kerze in der Nikolai-Kirche saßen und nicht wussten, was sie nach dem Gottesdienst draußen erwartete.
Zeitzeuge Rolf Sprink, sagte zu Beginn seiner Ausführungen, dass sich die friedliche Revolution in der DDR im Gedächtnis der Menschen eingebrannt habe. Letztere sei seitens der Stasi als antisozialistischer Machtkampf betitelt worden und sein eigener Bruder sei deshalb auch im Gefängnis gesessen.
Wer zu Beginn der friedlichen Revolution mitgewirkt habe, sei mancherorts gleich als Kapitalist eingestuft worden. Ein viel belachter Witz sei im Vorfeld der Demonstrationen gewesen: „Biete Vierzimmer-Wohnung, suche einfaches Loch in der Mauer“.
Allerdings hätten die Menschen an ein besseres Deutschland geglaubt und mit angehaltenem Atem auf das geschaut, was auf der Straße passierte. Viele Menschen seien mit Transparenten mit der Aufschrift „jetzt oder nie, Demokratie“ und brennenden Kerzen unterwegs gewesen, Alles sei friedlich verlaufen, die Staatsgewalt habe sich zurückgezogen und dem Ruf aus der Menge „Wir sind das Volk“, hätten sich Hunderttausende angeschlossen. Das System brach zusammen.
Der Weg für ein vereinigtes Deutschland war frei
Viele Menschen verließen das Land, allein am 23. Oktober 1989 waren es 320 000. Der Weg für Reformen und ein vereinigtes Deutschland war frei. Allerdings wohl nur, weil der russische Präsident damals Michael Gorbatschow hieß, so Sprink, der gegen Ende der offiziellen Veranstaltung, die mit einem kleinen Imbiss endete, gerne auch Fragen der Besucher beantwortete.
Bildtexte:
Die Wild Voices aus Weitingen umrahmten das 101. Montagsgebet auf der Liebfrauenhöhe mit zwei festlichen Chören.
Der gebürtige Leipziger Rolf Sprink referierte als Zeitzeuge über den Zusammenbruch der ehemaligen DDR.
Fotos: Ranft