Kiebitze sind eine gefährdete Art – seit 1980 ist ihre Population dramatisch geschrumpft. Foto: Susanne Grossnick/Nabu

Weil die Gemeinde Mötzingen für die Erweiterung des Baugebiets „Röte“ dringend Ausgleichsflächen benennen muss, dürfen sich nun Kiebitz-Brutpaare im Schwenninger Moor freuen – dort kümmert sich Landwirt Jochen Hauser um die „Gaukler der Lüfte“.

„Die Planung eines Neubaugebiets beinhaltet sehr unterschiedliche Facetten“, stellt Mötzingens neuer Bürgermeister Benjamin Finis fest, der sich seit seinem Amtsantritt Ende April im Austausch mit Fachplanern und Behörden in die Planungen der Baugebiete „Röte II“ und „Röte III“ einarbeitet und den Planungsprozess gerne mit Schwung zu einem Satzungsbeschluss führen würde.

 

Bevor das jedoch gelingen kann, gibt es viele Dinge zu klären: Ein wichtiger Aspekt in den Überlegungen ist der Umgang mit dem Natur- und dem Artenschutz. „Ein Eingriff in die Natur löst automatisch die Verpflichtung aus, diese Eingriffe wieder auszugleichen“, so Finis. „Leider hat Mötzingen bisher kein verfügbares Guthaben auf dem Ökokonto, so dass für die Neubaugebiete extern Ökopunkte erworben werden müssen.“ Künftig beabsichtigt der Schultes auf dem eigenen Gemeindegebiet natur- und artenschutzrechtliche Maßnahmen zu initiieren, um dafür Sorge zu tragen, dass die örtliche Tierwelt und die Natur profitieren.

„Für das Neubaugebiet lässt sich aufgrund der großen Zahl der benötigten Ökopunkte und der gewünschten zeitnahen Realisierung allerdings keine Lösung auf dem eigenen Gemeindegebiet finden, so dass wir uns über die Flächenagentur Baden-Württemberg auf die Suche nach einem geeigneten Projekt gemacht haben, welches dazu beiträgt, bedrohte Tierarten zu schützen.“

Der Wiesenbrüter ist stark gefährdet

Und so ist die Gemeinde beim Vogel des Jahres 2024, dem Kiebitz, gelandet, einem stark gefährdeter Wiesenbrüter, dessen Population seit 1980 um mehr als 93 Prozent zurückgegangen ist. Deutschlandweit wurden zuletzt nur noch 42 000 bis 67 000 Brutpaare gezählt, auch europaweit hat sich der Bestand mehr als halbiert.

Grund genug für den Naturschutzbund Deutschland (Nabu) auf das Schicksal des „Gauklers der Lüfte“ aufmerksam zu machen. Die Gemeinde Mötzingen hat dank der Vermittlung ein Projekt von Landwirt Jochen Hauser entdeckt, der in Villingen-Schwenningen im

Vollerwerb große Flächen bewirtschaftet und einen Acker aus dem Betriebsvermögen genommen hat, um dort Kiebitze anzusiedeln und ihnen ein geeignetes Umfeld für die Brut und die Aufzucht zu schaffen.

Mötzingens Bürgermeister Benjamin Finis (von links), Nabu-Vorsitzender Markus Bihler und Landwirt Jochen Hauser begutachten die für Kiebitz-Brutpaare reservierten Flächen. Foto: Bohn

„Ein ehrenamtlicher Naturschützer hat mich darauf hingewiesen, dass auf der Fläche ein Kiebitzpaar brütet, was mich natürlich sehr gefreut hat“, beschreibt Hauser den Startpunkt für sein Projekt. Bis dahin war die Vogelart noch nicht in Erscheinung getreten.

In der Folge habe er sich intensiv über die Tiere erkundigt und mit den Behörden geprüft, wie mit dem Brutpaar und der Population zu verfahren sei. „Ich habe schließlich einen Antrag gestellt, dass mein Acker aus dem Betriebsvermögen genommen wird und die Eingriffe zur Schaffung eines optimalen Umfeldes anerkannt werden, so dass Ökopunkte entstehen.“

Seit 2017 kämpft Hauser inzwischen dafür, die gefährdete Vogelart dauerhaft dort anzusiedeln. Schutzzäune werden jedes Jahr aufgestellt und intensiv überwacht, so dass Füchse den Bruterfolg nicht gefährden können. In diesem Frühjahr waren es immerhin zwei Kiebitz-Paare, im vergangenen Jahr hatte Hauser allerdings noch fünf Paare gezählt. Ziel sei es, auf der Fläche zehn Brutpaare anzusiedeln, so dass ein gesicherter Bestand im Schwenninger Moor gewährleistet sei.

Bürgermeister Finis und der Vorsitzende der Nabu-Ortsgruppe, Markus Bihler, verschafften sich vor Ort einen eigenen Eindruck von der Maßnahme und kamen durchaus zufrieden wieder nach Mötzingen zurück. „Das Monitoring des Projekts übernimmt ein echter Kiebitz-Experte, der das Projekt sehr positiv beschrieben hat und der dieses mit viel Idealismus unterstützt“, ist Finis überzeugt von günstigen Voraussetzungen.

„Natürlich hoffen wir alle, dass es auch durch die Mötzinger Unterstützung gelingt, dass sich viele Kiebitze auf der Fläche wohlfühlen und die Population gestärkt werden kann“, spannt Finis den Bogen zu den Mötzinger Neubaugebieten.

Für das nächste Frühjahr ist beabsichtigt, für alle Interessierten einen Ausflug nach Villingen-Schwenningen zu organisieren, um Landwirt Hauser zu besuchen und möglichst viele Kiebitze bei ihren Kunstflügen in der Luft zu beobachten. „Ich habe mir sagen lassen, dass der Kiebitze wirklich spektakuläre Flugmanöver fliegen“, freut sich nicht nur der Bürgermeister schon auf den Besuch bei den gefährdeten Wiesenbrütern.