Am Landgericht in Stuttgart wurde der Prozess gegen einen Mötzinger fortgesetzt.Foto: Naupold Foto: Schwarzwälder Bote

Landgericht: Nach Zwangspause wurde der Prozess gegen den Mötzinger Künstler E. fortgesetzt

Mötzingen/ Stuttgart. Genau zwei Monate musste das Stuttgarter Landgericht in die Corona-Zwangspause. Nun jedoch konnte der Fall des Mötzinger Künstlers Stefan E. endlich neu beginnen. Die Schwurgerichtskammer hat mit dem Beginn der Beweisaufnahme begonnen. Das Gericht soll entscheiden, ob der 52-Jährige, der vor 13 Jahren in Mötzingen die eigene Mutter erschlug, jetzt in die Sicherheitsverwahrung muss.

Staatsanwaltschaft sieht im Angeklagten Gefahr für die Allgemeinheit

Es ist ein ungewöhnlicher Prozess, mit dem sich die Stuttgarter Richter jetzt beschäftigen. Das Verfahren wäre beinahe wegen der Pandemie geplatzt und hätte dann irgendwann neu beginnen müssen. Der Angeklagte war im Jahre 2007 wegen Tötung seiner Mutter im Mötzinger Elternhaus vom Landgericht Stuttgart wegen Totschlags zu 13 Jahren Haft verurteilt worden.

Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft sieht in dem Künstler, der vornehmlich weibliche Nackt-Skulpturen herstellte, auch nach diesen 13 Jahren eine Gefahr für die Allgemeinheit. Es habe Vorfälle im Strafvollzug gegeben, die eine "Nachträgliche Sicherungsverwahrung" begründen, so der Antrag. Die Folge: Stefan E., der eigentlich im Januar dieses Jahres hätte entlassen werden müssen, bleibt weiter hinter Gitter.

Ein Zustand, den sein Verteidiger, Michael Lepp aus Stuttgart, schwer kritisiert. Seiner Meinung nach könne ein Häftling, der ab und zu im Strafvollzug mal ausrastet, seine Zelle demoliert und Wachleute beleidigt, deshalb nicht gleich als "gefährlich" eingestuft und nachträglich in die Sicherungsverwahrung genommen werden. Lepp wörtlich: "Da müssten viele Strafgefangene in die Sicherungsverwahrung kommen!" Zudem habe der Europäische Gerichtshof diese nachträgliche Anordnung der Überhaft als rechtswidrig bezeichnet.

Angeklagter stellte viele Anträge zur besseren Behandlung

Ebenso sieht es auch der Herrenberger Kunst-Papst und einstige Leiter der VHS-Kunstschule, Professor Helge Bathelt, der Stefan E. seit vielen Jahren kennt. Für ihn ist der Antrag des Staatsanwalts "unerhört". Er sieht in E. heute noch das Potenzial eines großen Künstlers mit tragischem Fortgang.

Am zweiten Prozesstag ordneten die Stuttgarter Richter Lesestunde an. Alle Protokolle, die über Stefan E. im Strafvollzug der vergangenen 13 Jahre angelegt wurden, werden öffentlich verlesen. Allein in einem Jahr seiner Haft hatte E. demnach bis zu 100 Anträge hinsichtlich einer besseren Behandlung und Unterkunft gestellt. Er fühlte sich gemobbt, Er habe die Arbeit verweigert, habe Drogen konsumiert und sei letztlich, wie es in einem Gesprächs-Protokoll heißt, ein "äußerst komplizierter Gefangener" gewesen. Von Gewalt in der Haft steht jedoch nichts in den Protokollen.

Als E. vor 13 Jahren verurteilt wurde, galt er nach einem psychiatrischen Gutachten als "Ich bezogen" und "emotional verarmt mit narzisstischen Zügen und einer schweren Persönlichkeitsstörung". Jetzt 13 Jahre später soll der Angeklagte laut einem ganz neuen Gutachten eine große Gefahr für die Allgemeinheit darstellen. Der Ankläger: "Die Öffentlichkeit darf nicht gefährdet werden!"

Ebenfalls als Folge der Corona-Pandemie hat das Landgericht die Dauer dieses ungewöhnlichen Verfahrens bis Mitte August ausgedehnt. Einige Richter seien zwar nach der Corona-Krise wieder im Dienst, aber andere Prozesse haben Vorrang, weil auch diese aus Sicherheitsgründen ausgesetzt waren.

Als nächsten Verhandlungstag wurde der 25. Mai festgelegt. Danach will man "zügig", wie die Vorsitzende Richterin betont, weiter verhandeln. Stefan E. selbst sagt in diesem Prozess kein einziges Wort. Sollte der Antrag auf Sicherungsverwahrung gegen ihn abgelehnt werden, müsste die Justiz den heute 52-Jährigen frei lassen und ihm ab Januar dieses Jahres eine Haftentschädigung zahlen.