Foto: Schwarzwälder Bote

Umut Bora ist Outdoor-Experte mit türkischen Wurzeln

Der in Mönchweiler aufgewachsene Outdoor-Experte Umut Bora mit türkischen Wurzeln profitiert noch heute von der Weitsicht seiner Eltern.

Mönchweiler/VS-Villingen. Er ist in Villingen geboren, in Mönchweiler aufgewachsen, hat türkische Wurzeln und eine muslimische Erziehung genossen. Die Devise seiner politisch liberalen Familie lautete stets Integration statt Abschottung. Sport und Vereinszugehörigkeit standen dabei auf der Liste ganz oben. Raus aus dem Haus! Diese elterliche Devise hat Umut Bora geprägt. Heute bringt der 38-Jährige Outdoor-Spezialist andere auf Trab.

Es muss in den Genen liegen. Vater Demir, der in Istanbul ein kleines Sportgeschäft betrieb, bevor er vor 40 Jahren zusammen mit seiner Frau Belkis, einer Lehrerin, im Schwarzwald eine neue Heimat fand, war guter Schwimmer und in jeder Beziehung ein Bewegungsmensch. "Er hat sich als Jugendlicher zusammen mit anderen in einem Boot so weit aufs Wasser fahren lassen, bis das Ufer fast nicht mehr zu sehen war. Dann ging’s los. Wer zuerst wieder am Festland war, hatte gewonnen", schildert Bora die Erzählungen des Papas. Der sorgte auch in der neuen Heimat Deutschland dafür, dass es Umut und seinem älteren Bruder nicht langweilig wurde. Waldspaziergänge, Schwimmbad, Turnen, Tischtennis, Fußball – das Programm war breit gefächert und hatte einen zusätzlichen Effekt: Es lief meist in den entsprechenden Vereinen ab. Kontakte zu anderen, Förderung der Sprache – Integration in Reinkultur sozusagen. Das hat die beiden Bora-Söhne geprägt. Der neun Jahre ältere Ozan läuft noch heute Marathon, Umut mag’s auf andere Weise extrem: an Felsen, auf Bergpfaden und Flüssen, die durch Schluchten brausen, oder bei Eiseskälte im selbst gebauten Iglu. Da sind Schneeschuhwanderungen im verschneiten Schwarzwald, die sein Angebot ebenfalls beinhaltet, geradezu Entspannungsübungen.

Lehre zum Gas- und Wasserinstallateur

Abzusehen war der Schwenk ins Outdoor-Geschehen zunächst nicht. Abgeschlossene Lehre zum Gas- und Wasserinstallateur, nebenher besagte Klub-Engagements in Mönchweiler – alles noch nicht wirklich spannend. Etwas spezieller wurde die Sache, als er zusammen mit seinem Sport-Kollegen Benjamin Kaiser eine Hindernis-Parcours-Gruppe im Turnverein etablierte. Das Schlüsselerlebnis kam allerdings erst wesentlich später. Da war Umut Bora bereits 22 Jahre alt. Ein Kollege nahm ihn mit in die Rottweiler Kletterhalle von Manuel und Sandra Bronner. "Und von da an war’s um mich geschehen", schildert er die Eindrücke in der Vertikalen.

"Die beiden haben mich dann gefragt, ob ich nicht auch mal Bock auf Canyoning und Rafting hätte", erinnert sich Bora. Er hatte – und wie. Die Lust war so groß, dass er es nicht beim einfachen Mitmachen beließ. Er wollte mehr, tiefer in die Materie eindringen. Selbst Guide sein, nicht nur geführt werden, diese Vorstellung entwickelte sich. Und er machte Nägel mit Köpfen. Neben seiner beruflichen Tätigkeit absolvierte er eine Ausbildung zum staatlich geprüften Wildwasser- und Rafting-Guide, zum Kletterpark-Trainer und Ende 2013 zum Tiroler Bergwanderführer. Tirol deshalb, weil erstens die Qualität der Ausbildung vorzüglich war und zweitens die Canyoning- und Rafting-Aktivitäten vorzugsweise in der Alpenrepublik über die Bühne gingen. Bereits 2011 hatte er ein Kleingewerbe angemeldet und quasi nebenberuflich Outdoor-Aktivitäten angeboten. Im Jahr 2014 wagte er den endgültigen Schritt, kündigte in seinem erlernten Beruf und war fortan sein eigener Herr. Fast: Die Rafting- und Canyoning-Aktivitäten finden unter dem Dach eines großen Anbieters (Aquamonte) statt. Für diesen führt er Gruppen bei rasenden Floßfahrten auf dem Inn in der Imster Schlucht oder im Ötztal beim Canyoning in der Höllwiesenklamm (für Einsteiger) und Auerklamm (für Unerschrockene).

Bei der Antwort auf die Frage nach den Gefahren, die bei derlei Unternehmungen lauern, lässt sich Umut Bora Zeit. "Ein Risiko besteht natürlich immer", sagt der 38-Jährige, der seit 13 Jahren die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt. Dieses sei beim Canyoning auf den vermeintlich leichten Gehpassagen am größten. Wenn im Neoprenanzug und natürlich mit Helm gerutscht, abgeseilt oder gesprungen werde, dann könne sich der mit einem Klettergurt gesicherte Kunde gänzlich in die Hände des Führers begeben. "In den Laufpassagen kommt es eher einmal vor, dass einer auf einen Stein tritt und sich den Knöchel verstaucht oder das Knie verdreht. Was Schlimmeres hat es jedoch bei mir noch nie gegeben", sagt er und klopft dabei mit den Knöcheln auf den Holztisch. Richtig unbehaglich war’s nur bei einer Tour, die er als Rafting-Azubi mitmachte. Da ging die Hälfte der Besatzung in schwierigem Wasser über Bord. Alle blieben unversehrt, aber Bora gesteht: "Da habe ich mal kurz überlegt, ob es das Richtige für mich ist." Doch die Zweifel waren schnell wieder verschwunden.

Vom Kind bis zur Seniorin

Das Altersspektrum derer, die heute seine Dienste buchen, ist breit. Eine Sechsjährige im Schnupper-Kletterkurs, eine 73-jährige Dame beim Schneeschuhwandern auf dem Feldberg und dazwischen der Rest, Männlein und Weiblein halten sich in etwa die Waage. Motivation der Kunden? "Viele brauchen einen Gegenpol zum beruflichen oder privaten Stress. Man kann das Ganze auch als Burnout-Prävention bezeichnen. Wenn man am Fels oder auf dem Wasser eine heikle Situation meistert, dann steckt man auch andere Belastungen leichter weg", ist Bora überzeugt. Und entsprechende Rückmeldungen bestätigen diese These. Ein weiterer Schwerpunkt seines Angebots liegt auf Teambuilding-Maßnahmen, die Firmen, Klubs und auch Schulen immer wieder gerne in Anspruch nehmen. Angestellte im klassischen Sinne hat er nicht. Wenn’s zu Sache geht, steht aber ein Kreis von Helfern und Führern zur Verfügung. Einsatz auf Zuruf sozusagen.

Seit Bora 24 ist, wohnt er in Villingen, inzwischen zusammen mit seiner Frau Karin in der Wöschhalde. Und wo bringt er seine Ausrüstung unter? Bei dieser Frage schmunzelt er. Und zurück wird der Bogen geschlagen nach Mönchweiler. In einem Schuppen seiner Eltern liegen und stehen all die Dinge, die er für seine Aktivitäten benötigt. "Ich hab die beiden ganz schön in Beschlag genommen", gesteht er. Bald wird Umut Bora Papa. "Meine Frau ist schwanger. Und da bin ich derzeit etwas mitschwanger", räumt er lachend ein und streicht sich über den allerdings nicht sehr ausgeprägten Bauch. Der wird sich schnell zurückbilden, wenn’s demnächst wieder in die Berge und aufs Wasser geht.