Im heimischen Garten kann man sich bedenkenlos aufhalten, pflanzen und auch ein wenig die Seele baumeln lassen. Foto: Schwarzwälder Bote

Jubiläum: Obst- und Gartenbauverein feiert 100-jähriges Bestehen / Vorsitzender Karl-Heinz Beck sieht Parallelen zum Gründungsjahr

In Zeiten von Corona verbringen die Menschen – sofern sie die Möglichkeiten dazu haben – ihre Freizeit gerne im eigenen Garten.

Mönchweiler. Der Obst- und Gartenbauverein (OGV) Mönchweiler, der dieses Jahr 100-jähriges Bestehen feiern kann, konnte seine Hauptversammlung und den ersten Schnittkurs des Jahres noch abhalten. Karl-Heinz Beck, Vorsitzender des OGV, hatte wohl mit seinen Vorstandskollegen den richtigen Riecher: "Als hätten wir es geahnt, ließen wir unsere Mitglieder bei der Versammlung mit einem Glas Sekt auf das Jubiläumsjahr anstoßen – wer weiß, wann wir wieder dazu kommen."

Dabei, so Beck, sei man hier in Mönchweiler ja noch vergleichsweise gut dran: "Wir dürfen hier in einer schönen, weitläufigen und offenen Landschaft leben." Sie biete trotz Einschränkungen viele Möglichkeiten, sich nicht zu nah auf die Pelle zu rücken. "Jetzt sind sogar wieder Paare gemeinsam zu sehen, die es lange vorgezogen haben, allein ihre Runden zu drehen – immerhin", sieht Beck auch einen positiven Effekt.

Für den Obst- und Gartenbauverein gelte das gleiche wie für alle anderen Vereine: Veranstaltungen sind abgesagt, es wird auf Sicht geplant und alle sind gewappnet für das, was da wohl noch kommen mag. "Wir können es ja eh nicht ändern." Und Beck zieht durchaus eine Verbindungslinie zum Gründungsjahr des Vereins: 1920 erscheint manches ähnlich. Leere Straßen, leere Züge. Kneipen, Restaurants, Theater und Kinos – alles geschlossen. Ein Virus hält Europa und die ganze Welt im Griff. Nicht Covid-19, sondern die spanische Grippe, die erst 1920 wieder langsam zum Erliegen kommt. Damals prägten Kriegsversehrte ebenso das Straßenbild wie schlecht ernährte Kinder und Erwachsene, die nach den entbehrungsreichen Jahren der staatlichen Nahrungsmittelrationierung sehnsüchtig auf ausreichende Mahlzeiten hofften. Heute, im Zeichen von Corona, werden ohne Not Lebensmittel gehamstert und Panikkäufe getätigt – aus Angst vor Einschränkung in der persönlichen Lebensweise.

In den Anfangsjahren des OGV erforderte der chronische Mangel an Grundnahrungsmittel besondere Maßnahmen. Auch damals wurde "gehamstert" – aber aus der schieren Not heraus. Während die Inflation über Nacht Millionen vormals kaufkräftiger Bürger zu Bettlern machte, stellten Spekulanten ihren Reichtum in Amüsierbetrieben zur Schau. Die Landflucht hielt an – die Menschen suchten in den Städten nach Arbeit und einem besseren Leben. Fast ein Drittel der Einwohner der Weimarer Republik lebte jetzt in der Stadt. Die Folge war akute Wohnungsnot, ganze Familien mussten sich ihre Betten teilen. Jede noch so kleine Scholle wurde umgegraben und auf Nahrungsproduktion umgestellt. Ziegen, Hühner, Kaninchen und Hausschweine meckerten, krähten und grunzten in den Hausgärten. Obstbäume und -sträucher wurden gehegt, gepflegt und veredelt.

Heute decken Einkaufszentren und Supermärkte den Mittagstisch, egal wo die Ware herkommt – billig muss es sein. Obst im Garten ist oftmals Zierde und dient nicht mehr der Daseinsvorsorge. Manche Vorgärten sind nicht Teil der Kulturlandschaft, sondern zeugen eher von steingewordenem Pragmatismus. Vor 100 Jahren hat sich der OGV Mönchweiler der Bereicherung des täglichen Nahrungsangebots angenommen. Obstbäume wurden gepflanzt – was Oma und Opa noch wussten, wurde an nachfolgende Generationen weiter gegeben. Schon früh setzte man auf eine ökologische Ausrichtung. Was Tieren und Pflanzen nutzt, ist auch gut für den Menschen. Regionale Produkte aus heimischer Produktion sind besser auf die Bedürfnisse und damit auf die Gesundheit der hier lebenden Menschen aus gerichtet. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

Der OGV hat die vergangenen 100 Jahre gewirkt – und es gibt ihn immer noch. "Zwar nicht mehr ganz so frisch, aber wir leben noch", freut sich Karl-Heinz Beck. Die Gartenfreunde beschäftigen sich – wie könnte es anders sein – auch in Corona-Zeiten mit ihren Gärten. Vieles ist vorbereitet – eigentlich könnte es losgehen. Der Blick richtet sich jeden Tag zum Himmel – wo bleibt der Regen? "Bereits im Vorjahr kommt der Frühling zeitig – aber es fehlt die nötige Feuchtigkeit", stellt Beck fest. Kontinuierlich verschiebt sich der Frühling um ein paar Tage. Wenn dann alles blüht, wirken sich Frosteinbrüche umso stärker auf das Ernteergebnis aus. Dazu kommt noch, dass die Bestäuber rar werden. "Der Gartenfreund freut sich über jede Biene und Hummel, die sich in seine Blüten verirrt. Vielleicht machen wir es in Zeiten der Globalisierung bald so wie die Chinesen und Bestäuben unsere Pflanzen mit dem Pinsel", macht sich Beck so seine Gedanken.

Was künftig in den Gärten gepflanzt werden sollte, wird der Klimawandel entscheiden. Wichtig sei, so Beck, dass es Arten sind, die auf dem Speiseplan der heimischen Insekten stehen. Die Pflanzen sollten winterhart sein, große Nässe – aber auch Perioden großer Trockenheit – vertragen. Eine gewisse Schädlingsresistenz wäre sicherlich von Vorteil. "Wie in der Forstwirtschaft werden sich auch die Gärtner mit den Folgen der Klimaänderung auseinandersetzen müssen. Da muss vieles erst noch ausprobiert werden – auch ein Aufgabengebiet für unseren Verein", weiß Beck. Da sich diese Probleme jedoch nicht über Nacht lösen lassen, rät er, den Garten und die Ruhe in diesen Zeiten zu genießen und das zu pflanzen, was man eh vorhatte. "Für Änderungen ist auch im nächsten Jahr noch Zeit", ist er sicher. Jetzt wäre auf jeden Fall Regen wünschenswert – und das nicht zu knapp.