Kürzungen für Freiwilligendienste im Bundeshaushalt stehen wieder im Raum. Das würde auch den Kreis Calw treffen. Zwei FSJler an der Karl-Georg-Haldenwangschule in Sommenhardt machen deutlich, was sie davon halten. Am Montag soll ein Aktionstag aufmerksam machen.
Sven Vidovic und Simon Gall sind mittlerweile ein eingespieltes Team mit den Lehrern. Bei ihrer Arbeit haben sie schon Routine und übernehmen eine Menge Verantwortung. Sie helfen den Kindern beim Aussteigen aus dem Bus, übernehmen pflegerische Aufgaben, betreuen individuell und helfen beim Unterrichtsgeschehen. Das alles ist für die beiden ein Jahr lang Alltag, denn sie absolvieren ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) an der Karl-Georg-Haldenwangschule in Sommenhardt.
An der Schule für Kinder und Jugendliche mit geistiger Beeinträchtigung sind derzeit sieben FSJler aktiv. Würden davon Stellen wegfallen, wäre vieles im Schulalltag nicht mehr möglich und würde verloren gehen. Das könnte aber tatsächlich passieren. Denn die Mittel im Bundeshaushalt für 2025 sind noch nicht in gleicher Höhe gesichert – und das bedeutet im schlimmsten Fall, dass Stellen wegfallen, weil sie nicht mehr bezahlt werden könnten. Das würde auch den Kreis Calw treffen – dort werden die FSJler übers Landratsamt finanziert.
Zahlen sind konstant Insgesamt 94 junge Menschen machen aktuell ein Freiwilliges Soziales Jahr über den Internationalen Bund (IB) Nordschwarzwald im Kreis Freudenstadt und Calw. In letzterem sind 55 in 31 verschiedenen Einrichtungen aktiv – das sind vor allem Kindergärten, Schulen, Kliniken und Pflegeheime. Die Zahlen im Kreis Calw sind konstant – im Schnitt gibt es 85 FSJler pro Jahr, wie Uwe Bliestle vom IB sagt. Dazu kommen auch andere Träger, die ein FSJ anbieten, wie die Caritas oder das Deutsche Rote Kreuz.
Qualität würde sinken Was würde es bedeuten, wenn durch die Kürzungen der Mittel einige Stellen gestrichen werden? „Niemand sieht, was die FSJler hier leisten und wir haben dann nachher das Problem“, sagt Sarah Kaupp, Schulleiterin der Karl-Georg-Haldenwangschule.
Ausflüge wären nicht mehr zu stemmen
Sie erklärt, dass ohne die FSJler „ganz viele außerunterrichtliche Veranstaltungen wegfallen“ würden – etwa Werken, Kochen, Schwimmen. Aber auch die Unterrichtsqualität würde sinken, meint die Schulleiterin und Ausflüge oder wichtige Lerneinheiten wie das gemeinsame Einkaufen wären nicht mehr zu stemmen.
Wichtige Stütze Dass sie eine wichtige Stütze sind, das erleben die beiden FSJler in ihrem Schulalltag hautnah. Der 19-Jährige Sven Vidovic aus Stammheim ist seit November 2023 an der Schule und weiß: „Ich merk, ich nehm viel Arbeit ab.“ Und dabei gehe es nicht darum, die unangenehmen Aufgaben zu übernehmen, sondern überall mitzuhelfen.
Eine ehrliche Freude
Ein einfaches Beispiel, das Vidovic anbringt: Ein Gang zur Toilette mit einem Kind mit geistiger Beeinträchtigung könne schon einmal eine halbe Stunde dauern. Dass dann entweder er oder die Lehrkraft in dieser Zeit weiter unterrichten kann, liege nur daran, dass sie zu zweit seien. Nach dem grob halben Jahr schätzt der 19-Jährige die Arbeit immer mehr und besonders auch „das Zwischenmenschliche, das man zurückbekommt“ von den Kindern. „Man kommt in die Klasse, alle springen auf und geben einem die Hand“ – das sei eine ehrliche Freude.
Falsches Signal Und auch der 18-Jährige Simon Gall aus Rötenbach hat für die möglichen Kürzungen kein Verständnis. Dass überhaupt darüber nachgedacht werde „zeigt, dass man weniger wertgeschätzt wird“. Er frage sich, ob man „den Politikern egal ist“. Es sei jedenfalls ein falsches Signal an alle jungen Menschen, die sich ein FSJ vorstellen könnten – und dadurch wohl weniger motiviert seien. Dabei findet der 18-Jährige den Schritt zum FSJ so wichtig, denn „man lernt was fürs Leben“.
Und beide sind sich einig, dass sie das jedem jungen Menschen empfehlen würden, „um sich selbst zu finden und andere Einblicke“ zu bekommen.
Personaltechnisch kaum aufzufangen
Um den FSJlern am Ende des Freiwilligenjahres zu danken, organisiert der IB eine Abschlussfahrt. „Diese müssten wir streichen“, wenn die Gelder gekürzt werden, da ist Bliestle sicher. Darüber hinaus würden die Kürzungen vor allem größere Einrichtungen vor Herausforderungen stellen. Doch genauso für kleinere Kindergärten, die dann möglicherweise gar keinen FSJler mehr bekommen, wäre das personaltechnisch kaum aufzufangen.
Der Aktionstag Deshalb will der IB mit dem Aktionstag am Montag, 29. April, die Aufmerksamkeit auf auf die Bedeutung der Freiwilligendienste lenken.
Alle FSJler bekommen an diesem Tag Postkarten, die sie unter anderem mit ihrer Motivation fürs FSJ beschriften und die dann an die Abgeordneten Saskia Esken (SPD), Klaus Mack (CDU) und Christian Lindner (FDP) gesendet werden, um sie wachzurütteln – denn „wir erhoffen uns, dass es keine weiteren Kürzungen mehr gibt“.