Mit Midcentury-Charme: Möbel des französischen Gestalters Jean Prouvé sind gefragte Sammlerstücke. Foto: Vitra/Hersteller

Ästheten schätzen Klassiker von Designermöbeln aus dem 20. Jahrhundert, vor allem aus Skandinavien. Worauf Liebhaber achten sollten, damit sie wirklich Vintage-Klassiker finden und nicht gehypte Möbel.

Nach einem Besuch im Radisson Blu Royal Hotel in Kopenhagen hat schon mancher Gast mit dem Gedanken gespielt, irgendwie einen der tropfenförmigen Stühle aus dem Restaurant zu schmuggeln. Obwohl zierlich ist der aber zu groß fürs Handgepäck, zudem Hoteleigentum. Nachkaufen? Nicht möglich, der Däne Arne Jacobsen hatte die Stühle namens „Drop“ 1958 exklusiv für das Hotel entworfen.

Seit einiger Zeit aber werden sie wieder produziert. Auch ein Bett von Hans Gugelot, der an der legendären Hochschule für Gestaltung in Ulm lehrte. Und der „Grasshopper Chair“ von 1946 des Finnen Eero Saarinen wird heute von einer kleinen Manufaktur in Finnland wieder hergestellt.

Möbel, die es nur noch beim Antiquitätenhändler, auf Auktionen und im Internet gibt und die gut nachgefragt werden, finden auch neu produziert ihre Abnehmer: Das ist die – berechtigte – Hoffnung. Die alten Stücke, die neu auf den Markt kommen, sind gleichfalls anlagefreundlich, weil sie ohne Wertverlust wieder verkauft werden können.

Auf konstant hohem Niveau bleibt auch der Eames-Lounge-Chair von Ray und Charles Eames, heute von Vitra produziert. „Die Premium Version in Palisander kostet inklusive des Fußhockers aktuell zwar 10760 Euro“, sagt Sven Vorderstrase von Markanto aus Köln, „aber der zeitlose Entwurf von Charles und Ray Eames erfreut sich als ,Objekt der Begierde’ nach wie vor großer Beliebtheit. Auch zeigt unsere Erfahrung, dass dieses Möbel sehr wertstabil ist, Besitzer können davon ausgehen, dass diese Investition sich auf Dauer rechnet.“

Worauf aber sollen Menschen achten, damit sie wirklich Designklassiker finden und nicht gehypte Möbel, die bei Kennern schon bald auf kein Interesse mehr stoßen? Sven Vorderstrase: „Unter einem Designklassiker verstehen wir Objekte, welche Pioniere ihrer Zeit waren, sei es in der Formgebung, in der Verarbeitung, im Material oder im Herstellungsprozess. Nach unserer Erfahrung sollte mindestens eine Dekade vergangen sein, um einen Entwurf als Designklassiker zu bezeichnen.“

Unter den jüngeren Entwürfen nennt Vorderstrase exemplarisch den „Bell Table“ von Sebastian Herkner für ClassiCon: „Dieser sehr erfolgreiche Entwurf aus dem Jahr 2012 mit seinem Glasfuß war formal eine neue Lösung zum Thema Tisch.“

Während Arne Jacobsen Stühle, Sofas weiterhin in großen Mengen produziert werden, sind die Stücke von dem dänischen Designer Finn Juhl schon etwas für Fortgeschrittene und nicht überall zu haben. Händler, wie etwa Wohnkultur66 in Hamburg bieten exklusiv neben wenigen anderen lizenzierten Partnern von House of Finn Juhls Entwürfe vom „Pelikan“-Sessel bis zum „Poet“-Sofa an.

Immer wieder mal in kleinen Auflagen produziert wird der Stuhl 44, auch „Bone“ genannt, Finn Juhls Lieblingsstuhl. Dieses Jahr gibt es 100 Stück, dann erst wieder in drei Jahren. Manfred Werner von Wohnkultur66 aus Hamburg: „Originale stehen bei Sammlern hoch im Kurs und fast nicht zu bekommen, es gab vor Jahren schon einmal eine limitierte Edition, die war an einem Tag verkauft. Mit den 100 Stück jetzt wird es ähnlich sein, alle Sammler rund um den Globus haben bestimmt zugeschlagen.“

Gefragt: Möbel von Warren Platner

„Besonders gefragt sind aktuell bei Sven Vorderstrase Warren-Platner-Möbel: „Zwischen 1962 und 1966 entwarf der amerikanische Designer diese einzigartige Möbelkollektion für Knoll mit dem gewollten Moiré-Effekt“. Die Kundschaft möchte sich auch durch Entdeckungen vom Klassikermainstream absetzen. „Beliebt bei uns ist die ,Party Lounge’ von Friedrich Kiesler“, sagen Martina und Manfred Werner von Wohnkultur66. Kieslers Entwürfe aus den 1930ern – damals nicht produziert – finden seit rund 15 Jahren ihre Käufer, seit Wittmann Möbelwerkstätten sie im Programm haben.

Eindruck schinden lässt sich überdies mit Werken von Richard Neutra. Nicht jeder weiß, dass der Österreicher, der in den USA als Architekt berühmt wurde, auch Möbel entwarf, etwa den „Easy Lovell Chair“. Und auf der Online Plattform Lautitz.com finden sich etwa auch weniger bekannte vornehmlich skandinavische Designer.

Original signierte Art-déco-Stücke, Möbel von Le Corbusier und Bauhauslegenden wie Mies van der Rohe, von Jean Prouvé oder Leuchten von Serge Mouille können bei Auktionen Preise von bis zu 200 000 Euro erzielen. Mit bekannteren jüngeren Klassikern wie von Jacobsen, Eames, Panton und Saarinen indes kann man kaum etwas falsch machen, weil sie handwerklich gut gemacht sind, aus der bei gestaltungsaffinen Leuten beliebten Midcentury-Zeit stammen. Viele Menschen kennen die ikonischen Werke, entsprechend hoch ist die Nachfrage.

Oft ist Holz im Spiel, das hat einen gewissen Nachhaltigkeitsappeal und strahlt Wärme aus. Und: Die Vasen, Stühle, Sessel wirken erstaunlich modern. Kaum vorstellbar, dass die geschwungene Vase von Alvar Aalto aus den 30er Jahren stammt. Er war damit bei der Weltausstellung 1936 in Paris vertreten. Sein Kommentar: „Es war wohl ein Erfolg, alle Vasen wurden gestohlen.“

Apropos Kriminalität – neben der Tatsache, dass Jahrzehnte alte Originale oft teurer sind als heute produzierte Nachkommen, ist Vorsicht vor erkennbaren Fälschungen geboten, gerade wenn man online bestellt. Das macht den Kauf von Vintage-Klassikern zur Vertrauenssache. „Wenn zum Beispiel ein Eames Lounge Chair weit unter dem regulären Listenpreis des Herstellers Vitra angeboten wird, stimmt meistens etwas nicht“, sagt Sven Vorderstrase. „Meist reicht ein Blick in das Impressum der jeweiligen Internetseite; wenn der Anbieter seinen Sitz im Ausland hat, ist Vorsicht angebracht.“

So oder so, was einst als demokratisches Design gedacht war, wird zum Statussymbol für Wohlhabende, zur Geldanlage. So ergeht es einem dann vielleicht wie dem Ehepaar aus Kalifornien, das einen der ersten Eames-Schaukelstühle gekauft hat. 1949 kostete so einer 25 Dollar. Heute bezahlen Liebhaber dafür mehrere Tausend Euro. Wer ein altes Schätzchen ergattert hat und sich überlegt, die schon muffig riechenden Sitzbezüge zu entfernen – Hände weg. Gallseife hilft. Wer einen Klassiker besitzt, sollte nichts austauschen oder reparieren, sonst führt das zu einer Wertminderung.

Info

Kaufen
Einige Design-Klassiker werden noch produziert, etwa von Vitra oder Fritz Hansen. Wertanlagen sind aber eher Möbel aus der ersten Produktion – so wie die Fiberglas-Stühle von Ray und Charles Eames, die später aus anderem Material produziert wurden. Beliebt sind erst recht solche Dinge und Möbel, die nicht mehr hergestellt werden. Die gibt’s dann noch auf Auktionen, bei Händlern wie galeriefiftyfifty.de (Stuttgart) und gagarin2000.de (Stuttgart ) oder www.markanto.de (Köln). Tische, Stühle, Regale und Accessoires werden zudem im Internet angeboten. Eine

Prüfen
Wenn ein Sessel, der normalerweise neu oder bei den meisten Anbietern mehrere tausend Euro kostet, auf einer Homepage für einen dreistelligen Eurobetrag angeboten wird, ist davon auszugehen, dass es sich um eine mehr oder weniger dem Original ähnliche Nachbau – also eine Fälschung – handelt. Wenn möglich, sollte man die Stücke selbst anschauen, bei gepolsterten Möbeln überprüfen, dass sie nicht muffig riechen. Bei Bestellung im Internet kann es helfen, Fotos und Beschreibungen der Möbel zu verlangen.