Stuttgart - Man nennt sie Fashion Weeks – Modewochen – und es sind die großen Ereignisse der Modeindustrie, die zeigen, was Damen und Herren in den kommenden Saisons zu tragen haben. Designer, Marken und Modehäuser zeigen ihre jüngsten Kollektionen auf dem Laufsteg. Die einflussreichsten Fashion Weeks finden in New York, London, Mailand und Paris statt. Auch in Zentren wie Berlin, Los Angeles, Shanghai und Tokio gibt es einflussreiche Events der Mode.

New York

Der Stil

Es ist schwer, den Stil der New York Fashion Week zu greifen, weil immer mehr Designer vom klassischen Show-Modell abrücken. Immer weniger präsentieren den Look des kommenden Herbstes und zeigen stattdessen Mode, die sofort bestellt werden kann. Generell hat in New York im Vergleich zu den europäischen Shows junge Straßenmode eine größere Bühne, was sich nicht zuletzt in der Mega-Show des Hip-Hop-Designers Kanye West zeigt.

Die Designer

New York eröffnet die Saison, hat aber in letzter Zeit den Ruf als Trendsetter etwas eingebüßt. Das liegt daran, dass New York unter dem Branchenumbruch leidet. Man versucht sich mit neuen Konzepten dem Branchentempo anzupassen und hat dabei etwas die Richtung verloren.

Die Designer

Die am glühendsten erwarteten Shows in New York sind die von Monse/Oscar de la Renta und die von Calvin Klein, dessen Kollektion vom angesagten belgischen Designer Raf Simons entworfen wurde. Gleichzeitig ist man auf Kanye Wests große Party am Madison Square Garden ebenso gespannt, wie auf die „Experience“ von Diane von Fuerstenberg, die ihre Mode auf einer Party präsentiert, bei der sich Models unter die Gäste mischen.

Das Publikum

Die Fashion-Week ist eines der wichtigsten Ereignisse im gesellschaftlichen Kalender. Entsprechend beeindruckend ist das Promi-Aufgebot. Zu den Stammgästen gehören Filmstars wie Uma Thurman, TV-Größen wie Bobby Brown und Reality-TV-Star Kim Kardashian. Besonders pikant in diesem Jahr: die politische Präsenz. Hillary Clinton wird ebenso erwartet wie die neue First Lady Melania Trump.

Die Atmosphäre

Neben der New Yorker Society wird die Szene vor allem von der jungen Generation digitaler Fashion-Aficionados bestimmt. Die Modeblogger und Selfie-Jäger bestimmen auch die Partyszene, die sich über die ganze Stadt verteilt.

Mailand

Der Stil

Dass die Italiener die Mode im Blut haben und für sie ein stimmiges Outfit ähnlichen Rang hat wie die Luft zum Atmen, spürt man auch auf den Mailänder Modeschauen. Hier geht es zwar durchaus glamourös und extravagant zu – aber dabei auch immer irgendwie unkompliziert und alltagstauglich.

Der Ruf

Mailand punktete bisher vor allem bei den Männern. Die Stadt ist die einzige der Big-Four-Modemetropolen, die getrennte Modewochen für Männer und Frauen organisiert. Wobei sich dieses Prinzip langsam aufzulösen scheint – bei den Männerschauen im Januar lief auch die eine oder andere Frau über den Laufsteg.

Die Designer

1969 fand die erste Mailänder Modewoche statt. Mit dem Aufstieg italienischer Designer wir Armani oder Versace gewinnen auch die Schauen in den 70er Jahren international an Bedeutung. Die Granden der italienischen Mode, darunter Gucci, Prada oder Dolce & Gabbana zählen auch heute noch zu den Highlights der rund 70 Schauen. Aber es kommen auch zunehmend Jungdesigner wie Massimo Giorgetti oder Andrea Incontri zum Zuge.

Das Publikum

Die Schauen sind fast alle geladenen Gästen vorbehalten. Die eine oder andere wird auf großen Bildschirmen in der Innenstadt übertragen – Public Viewing für Modefans. Das bieten auch die Stars der Streetstyle-Szene und die Fotografen-Lieblinge: die 54-jährige Ex-„Vogue“-Redakteurin Anna dello Russo – man erkennt sie an ihren schrillen Designer-Komplett-Looks – und die 29-jährige Modebloggerin Chiara Ferragni.

Die Atmosphäre

In Mailand ist das ganze Jahr Modewoche. Dass hier kreativ mit Mode umgegangen wird, zeigen nicht nur die Flaneure, sondern auch die neu entstandenen Kaufhäuser wie das Excelsior hinter dem Dom oder der 10 Corso Como, in dem Kultur, Kunst und Mode verschmelzen.

Paris

Der Stil

Was immer die Fashion-Week an Trends hervorbringt, die Pariserin liebt es leger und elegant. Unvollkommenheit in Vollendung. Wer den Anblick schräger, schriller, verrückter Klamotten liebt, sollte im Gare du Nord den Zug nach London nehmen.

Der Ruf

Aus Pariser Sicht gilt: Das Beste kommt zum Schluss, die eigene Modewoche ist der in New York, London und Mailand herbeigesehnte Höhepunkt. Mehr Strahlkraft als Chanel, Saint Laurent, Louis Vuitton, Hermès und Dior geht ja auch kaum. Manchmal ist allerdings zu hören, dass sich Journalisten, Einkäufer und Blogger in New York, London und Mailand bereits sattgesehen hätten. Aber das können nur Fake-News sein.

Die Designer

Designer? Von wegen! Designerinnen machen von sich reden. Neue Frauen braucht das Modehaus, hat man sich vergangenes Jahr bei Dior und Lanvin gesagt. Bei Dior ist nun Maria Grazia Chiuri fürs Kreative zuständig, bei Lanvin Bouchra Jarrar. Beide präsentieren in Paris ihre erste Kollektion. Die Aufmerksamkeit der männlich dominierten Branche ist ihnen sicher.

Das Publikum

Alle schauen zu. Da sind keineswegs nur die „happy few“, die am Catwalk zwischen Carla Bruni, Léa Seydoux und Roger Federer sitzen mögen. Da sind auch all diejenigen, die das Spektakel im Livestream verfolgen und anschließend in ihrer Pariser Lieblingsboutique nach dem Neuen fahnden. Hinzu kommt der Rest der Welt.

Die Atmosphäre

Traditionshäuser prägen das Ambiente mit ihren spektakulären Schauen. Aber da sind auch Nachwuchsdesigner, die in den Hinterhöfen des Marais experimentieren. Da sind die Modestudenten, die sich auf Hausboot-Discos am Seine-Ufer die Seele aus dem Leib tanzen. Die Atmosphäre während der Woche ist wie die Mode selbst: vielfältig, nicht zu fassen.

London

Der Stil

Klassische britische Schneiderkunst meets East End Coolness: Die London Fashion Week ist Schauplatz für Freunde extravaganter, mutiger, aber auch traditionsreicher Mode.

Der Ruf

London gilt als Stadt der schnellen Trends und extrovertierten Designer. Dank der exzellenten Ausbildung an den Modehochschulen der Stadt beherrschen die ansässigen Designer ihr Handwerk. Mit Live-Übertragungen und Laufsteg-Shopping-Angeboten richtet sich die Modewoche gezielt an junge Endverbraucher.

Die Designer

Rund 150 Designer präsentieren ihre Kollektionen. Neben großen Modehäusern wie Burberry und Mulberry haben sich junge Labels und Designer wie Peter Pilotto, Erdem oder J. W. Anderson fest im Schauenkalender etabliert. Zu den festen Größen seit den achtziger und neunziger Jahren gehören die Godmother of Punk, die britische Designerin Vivienne Westwood, sowie John Galliano, Jasper Conran und Rifat Ozbek. Später kamen Alexander McQueen, Stella McCartney und Victoria Beckham hinzu.

Das Publikum

Laut dem British Fashion Council, dem Mitveranstalter der Fashion-Week, kommen rund 5000 Presseleute und Einkäufer ins Somerset House, wo die Modewoche hauptsächlich stattfindet. Traditionellerweise ist die Burberry-Show ein Promi-Magnet. Stammgäste in der Front Row: das Model Naomi Campbell, die Schwester von Herzogin Catherine, Pippa Middleton, oder die Schauspielerin Sienna Miller. Und natürlich die Chefin der US-Mode-Fibel „Vogue“, Anna Wintour.

Die Atmosphäre

Im Innenhof des Somerset House steht ein Pavillon, der für die Laufsteg-Shows der Topdesigner reserviert ist. Rund um die Fashion-Week gibt es viele inoffizielle Termine, die privat von Leuten aus der Modeszene organisiert werden.

Berlin

Der Stil

Man könnte sagen: Eleganz geht anders. Vor allem auf den Straßen der Stadt zeigen modeaffine Menschen in diesen Tagen immer, was Berlin wirklich gut kann – nämlich die heldenhafte Kombination aus niemals overdressed, neu und meistens einen Tick zu schrill. Die tragbaren Straßen-Details in diesem Januar: blumige Bomberjacken, Fransen am Hosensaum, viel Pink und Rosé.

Der Ruf

Berlin leidet unter dem Ruf, nicht international zu sein. Der Versuch, an die große Modetradition anzuknüpfen, gelingt nicht, auch wenn die Branche wirtschaftlich mächtig aufgeholt hat. Aber Mode ist nicht verankert im Bewusstsein der Stadt. Dafür hat Berlin etwas anderes: Geist. Konferenzen beschäftigen sich mit der Modezukunft – da geht es um Wearables, Nachhaltigkeit, Technik.

Die Designer

Große Namen waren nie da, nationale Marken wie Boss haben sich schon lange zurückgezogen. Dafür sieht man kleine, junge Labels. Das Problem: viel Kommen und Gehen. Die Chance: viel Frisches mit Potenzial. Feste Größen wie Lala Berlin, Augustin Teboul, Dorothee Schumacher gehören natürlich auch dazu.

Das Publikum

Böse Zungen sagen, Berlin sei so etwas wie das Dschungelcamp der Fashion-Weeks. Etwas Wahres ist dran: In dem Zelt auf dem 17. Juni, in dem die Mercedes-Benz Fashion Week über Jahre ihren Runway hatte, versammelt sich vor allem C-Prominenz. Es dominieren die Ex-„GNTM“-Kandidatinnen. Zum Ausgleich sieht man Modeprofis und Streetblogger.

Die Atmosphäre

Auf den Messen geht es bienenkorbartig zu, die Berliner Lockerheit ist spürbar. Im Januar eroberte sich die Fashion- Week einen neuen, vielversprechenden Ort: das ehemalige Kaufhaus Jandorf in Mitte. Ein Ort, der aussieht, wie die Welt sich Berlin denkt: rau, roh, verwegen.