Warschau - Eigentlich ist dies eine Erfolgsgeschichte: Ein Adliger kauft in Polen ein Schloss, restauriert es gemeinsam mit einem lokalen Partner und macht es zu einem erfolgreichen Unternehmen. Doch nun droht ihm die Aberkennung der polnischen Staatsbürgerschaft - und damit der Verlust seines Besitzes.

Ulrich Graf von Krockow hat Sorgen. Nachdenklich steht er vor Schloss Below im polnischen Pommern. Einst gehörte das Anwesen der Familie von Below, von Krockows Vorfahren mütterlicherseits. Als nach dem Zweiten Weltkrieg die Kommunisten in Polen die Macht übernahmen, verstaatlichten sie das Schloss an der Bucht von Danzig. Alles schien verloren - für immer. Doch 1989 gewann die Freiheitsbewegung Solidarnosc die ersten demokratischen Wahlen im damaligen Ostblock. Von Krockow, der damals in Bonn lebte, fuhr nach Polen, fand im Hotelier Andrzej Brzozowski einen lokalen Partner und kaufte Schloss Below zurück. Das Anwesen war in einem elenden Zustand. Von Krockow und Brzozowski investierten und restaurierten. 2001 wurde das Schloss in alter Pracht wiedereröffnet - als Hotel und Feinschmeckerlokal mit kaschubischer Küche.

Der Erfolg weckte Neid und Missgunst. Polnische Politiker und Geschäftsleute versuchen seither, ihm das Schloss wieder abspenstig zu machen. Angeblich sei der Kauf illegal gewesen. Der Graf besitze die polnische Staatsbürgerschaft gar nicht. Als Deutscher aber benötigte er für den Kauf einer Immobilie in den ehemaligen deutschen Ostgebieten eine Sondergenehmigung.

Tatsächlich dürfen Ausländer nur mit einer Sondergenehmigung des Innenministeriums landwirtschaftlich genutzten Grundbesitz in den ehemals deutschen Gebieten Polens erwerben. Diese Übergangsfrist läuft erst 2016 aus. Deutsche bekommen diese Genehmigung fast nie.

Ulrich Graf von Krockow kämpft nun um die Anerkennung seiner polnischen Staatsbürgerschaft. Derweil geht das normale Leben in Hotel und Restaurant weiter. Gerade ist eine Reisegruppe aus Deutschland angekommen. "Herr Graf! Wie schön, dass Sie auf uns gewartet haben!", ruft ihm ein älterer Mann zu. "Das ist ja noch schöner als auf den Postkarten!", begeistert sich eine junge Frau. Der hochgewachsene Hausherr schüttelt Hände, klopft Schultern, zeigt den Garten, das Schloss und erzählt die Familiengeschichte derer von Krockow.

Ulrich Graf von Krockow ringt nach Worten. Er kämpft nun schon seit ein paar Jahren um die Anerkennung seiner polnischen Staatsbürgerschaft. "Das ist doch modernes Raubrittertum", empört er sich. "Als ich vor Jahren mit Kazimierz Plocke zusammengearbeitet habe, hat sich kein Mensch für meine Staatsangehörigkeit interessiert. Zusammen haben wir die fallenden Grenzen in Europa gefeiert und die deutsch-polnische Stiftung Krokowa gegründet. Erst jetzt, wo es um viel Geld geht, ist plötzlich wichtig, ob ich ein guter Pole oder doch nur ein schlechter Deutscher bin."

Andrzej Brzozowski beobachtet die Szene von weitem. Als Pächter hat er Schloss Below zu neuem Glanz verholfen. Hotel und Restaurant laufen gut. Trotzdem sieht Brzozowski für die Zukunft schwarz. Für ihn steht fest, dass der stellvertretende Landwirtschaftsminister Kazimierz Plocke sowie der Architekt und Grundstücksmakler Tadeusz Medowski eine Kampagne gegen von Krockow betreiben.

"Wenn es denen gelingt, dem Grafen seinen polnischen Pass wegzunehmen, ist der das Schloss wieder los. Und ich muss um meine Existenz fürchten", klagt Brzozowski. Zwar habe Medowski schon bei einem seiner Kellner angerufen und versichert, dass sich die Angestellten keine Sorgen machen müssten. Nur der Besitzer würde wechseln. Sonst bliebe alles beim Alten. "Für mich ist damit fast eine Welt zusammengebrochen. Ich habe hier eine Million Zloty investiert. Ich bin zwar nur der Pächter, aber dieses Schloss, das ist mein Leben", betont Brzozowski. Auch auf den Grafen ist er seither nicht mehr gut zu sprechen. "Er hätte mir ein Wort sagen können. Ich hatte keine Ahnung, was für Schwierigkeiten auf uns zukommen könnten, als ich den Pachtvertrag unterschrieb."

Die von Krockows lebten 700 Jahre in Pommern. Je nachdem, zu welchem Staat der Küstenstreifen an der Ostsee gerade gehörte, nannte sich die Adeligen mal von Krockow, mal Krokowski. Den Gästen erklärt der Graf: "Der Hauptsitz unserer Familie war über Jahrhunderte das Dorf Krockow oder Krokowa. Hier in Klein Schlatau oder Sawutówko, wo wir gerade stehen, lebten die von Belows, meine Urgroßeltern mütterlicherseits. Mein Vater Albrecht hat die Below-Güter vor dem Krieg bewirtschaftet und verwaltet."

1939, als der Zweite Weltkrieg ausbrach, waren die Krockows gerade mal wieder Polen. Der Landstrich lag seit dem Versailler Vertrag 1919 im "polnischen Korridor". So diente der älteste Sohn in der polnischen Armee gegen die deutschen Invasoren, während der zweite Sohn von seinem alten Studienort Heidelberg aus in die Wehrmacht einrücken musste. "Ohne Hitler hätte mein Vater dieses Schloss geerbt", erklärt von Krockow den Gästen. "Danach wäre es an mich gefallen."

Radoslaw Gebski ist auf Journalisten, die über den Fall berichten, nicht gut zu sprechen. "Die meisten verstehen nicht, dass es hier nicht um Restitutionsansprüche eines Vertriebenen geht", so der Rechtsanwalt von Krockows. Vielmehr habe der Graf die Ruine von Schloss Below, den verwilderten Garten und die dazugehörigen Ländereien für rund eine halbe Million Zloty (umgerechnet 100.000 Euro) ganz legal erworben. Bis vor kurzem habe das auch niemand angezweifelt. "Erst jetzt, da Hotel und Restaurant Gewinn abwerfen, behaupten Politiker und Geschäftsleute, der Kauf sei illegal gewesen, da der Graf trotz polnischem Pass eigentlich nur die deutsche Staatsbürgerschaft besäße."

Polnische Staatsbürgerschaft verwirkt

Dass die von Krockows im Jahr 1939 polnische Staatsbürger waren, steht völlig außer Frage. Vater Albrecht und seine beiden Söhne Ulrich und Matthias erhielten daher nach dem Sturz des Kommunismus in Polen auch problemlos einen polnischen Pass. Nun aber behauptet die Gegenseite, Ulrichs Vater Albrecht habe während des Kriegs die polnische Staatsbürgerschaft verwirkt, weil er sich in die deutsche Volksliste eingetragen habe.

"Mir ist eine solche Aktivität von Politikern, einem Menschen die polnische Staatsbürgerschaft abzuerkennen, noch nicht untergekommen", meint Gebski. "Wir sind inzwischen einmal durch sämtliche Instanzen gegangen und wurden vom Obersten Verwaltungsgericht auf die erste Instanz zurückgesetzt." Die Prüfliste für eine Aberkennung der polnischen Staatsbürgerschaft sei inzwischen um einiges länger geworden.

In der unmittelbaren Nachkriegszeit hatten die polnischen Kommunisten etliche Dekrete erlassen, um Angehörige der deutschen Minderheit in Polen auszubürgern und zu enteignen. Das Oberste Verwaltungsgericht des heutigen EU-Mitgliedslands verlangt nun von Roman Zaborowski, dem derzeitigen Bezirksvorsteher von Pommern, eine Prüfung, ob diese Unrechtsdekrete aus der Zeit Stalins auf den Fall von Krockow anwendbar seien. Sollte dies der Fall sein, wäre der Kauf von Schloss Below illegal gewesen.

Kazimierz Plocke, der selbst jahrelang als Bürgermeister von Krokowa mit den Krockows zusammengearbeitet hatte, will sich heute zu den Vorwürfen von Brzozowski und von Krockow nicht äußern. Er war es, der nach seiner Wahl zum Abgeordneten des polnischen Parlaments plötzlich alle Hebel in Bewegung setzte, um zu beweisen, dass von Krockow doch keine polnische Staatsbürgerschaft besitze.

Grundstücksmakler Medowski, früher ein guter Geschäftspartner von Plockes und Graf von Krockow, behauptet, gar nicht das Geld zu haben, um sich Schloss Below kaufen zu können, sollte es denn an den Staat zurückfallen. Dass es nicht zum heutigen Wert von rund drei Millionen Euro, sondern zum alten Preis von 100.000 Euro an den damaligen Verkäufer zurückfallen würde, erwähnt er nicht. Auch nicht, dass die Landwirtschaftagentur, der Schloss Below einst gehörte, heute dem Vizelandwirtschaftminister Kazimierz Plocke untersteht. Nur so viel sagt er: "Es stimmt nicht, dass ich mich telefonisch schon als neuen Besitzer von Schloss Below vorgestellt hätte."

Ulrich Graf von Krockow ringt nach Worten. Er kämpft nun schon seit ein paar Jahren um die Anerkennung seiner polnischen Staatsbürgerschaft. "Das ist doch modernes Raubrittertum", empört er sich. "Als ich vor Jahren mit Kazimierz Plocke zusammengearbeitet habe, hat sich kein Mensch für meine Staatsangehörigkeit interessiert. Zusammen haben wir die fallenden Grenzen in Europa gefeiert und die deutsch-polnische Stiftung Krokowa gegründet. Erst jetzt, wo es um viel Geld geht, ist plötzlich wichtig, ob ich ein guter Pole oder doch nur ein schlechter Deutscher bin."