Ray Cokes lebt seit zwei Monaten in Berlin. Foto: Denise von Deesen

Er war das Gesicht von MTV und unser Englischlehrer in den neunziger Jahren. Ray Cokes hat nun eine Radiosendung und erzählt im Interview, warum er die neunziger Jahre manchmal vermisst.

Es war einmal. So beginnen Märchen, so beginnt die Geschichte von Ray Cokes. Es war einmal ein Sender namens MTV, der das Fernsehen revolutioniert hat. Sein berühmtester Moderator war Ray Cokes, seine Sendung „MTVs Most Wanted“ erreichte sehr viele Menschen in ganz Europa. Die Teenager warteten auf die nächste Sendung wie heute auf ein neues Video von Cro. Für alle Spätgeborenen: Das war vor dem Internet. Jetzt macht er eine Radio-Show, die übrigens auch online zu hören ist.

Ray Cokes, vermissen Sie die neunziger Jahre?
Wenn man älter wird, muss man sich vielleicht irgendwann an den Gedanken gewöhnen, dass die beste Arbeit wohl hinter einem liegt. Mich haben die neunziger Jahre eine lange Zeit verfolgt. Es war eben die fantastischste Zeit in meiner Karriere. Ich konnte machen , was ich wollte, konnte ein ganz eigenes Genre im Fernsehen erfinden und alle Regeln brechen. Es war ein großer Spaß mit den Gästen und mit dem Publikum. Wir hatten ein vereintes Europa, das sich vor dem Fernseher versammelte. Ich vermisse die Freiheit, die ich damals hatte. Das Fernsehen ist heute formatiert und politisch korrekt. Wir waren nicht homophob oder rassistisch, wir haben uns aber nicht um Autoritäten geschert. Ich bin aber nicht jemand, der die Musik heute blöd findet. Wir haben dank Spotify eine große Flexibilität und eine riesige Auswahl an Musik.
Welche Musik hat sie in den neunziger Jahren beeinflusst?
Radiohead war immer wichtig für mich, aber auch NWA. Ich kann mich noch erinnern, wie ich durch Camden lief und „Fuck The Police“ sang, ohne zu wissen, was es bedeutete. Ich war in den siebziger Jahren ein Punkrocker. Als dann schließlich Nirvana kam, hat das uns alle aufgeweckt. Irgendwie haben wir ja die achtziger Jahre überleben müssen.
Mit welchem Song wird Ihre neue Radiohow starten?
Es wird mit Supergrass „Alright“ beginnen. Ich will aber keine Nostalgie, dazu liebe ich Musik zu sehr, und es gibt so viel tolle neue Musik. Ich muss es aber annehmen, dass ich mit den neunziger Jahren verknüpft werde. Es wird eine Nostalgie-Show, die nicht nostalgisch ist. Ich hoffe, dass es funktionieren wird. Da wird kein älterer Mann davon erzählen, wie toll es war, als Nirvana auf der Bildfläche erschienen. „Alright“ von Supergrass ist genau richtig, ein toller, energiegeladener Song. Es wird bestimmt lustig. Und wie schön, dass es in den neunziger Jahren noch kein Autotune und schlimme R’n’B-Sachen gab.
Heute gibt es viel davon.
Ja, es gibt viele schlimme Sachen. Aber das muss die Menschen über 35 Jahren nicht interessieren, für uns ist das ja nicht gemacht. Ed Sheeran soll 15-jährige Mädchen ansprechen, nicht mich. Vielen Liedern fehlt die Seele. Man darf aber nicht vergessen, dass es viele tolle Künstler wie etwa Elbow oder Laura Marling gibt.
Wird man Sie auch irgendwann wieder im TV sehen?
Fernsehsender sind heute in einer problematischen Situation, in einer ähnlichen wie die Plattenfirmen, als sie meinten, dass das Internet nichts verändern würde. Ich habe es immer vermieden, kommerzielle Dinge zu machen. Wenn ich Senderchefs treffe, heißt es immer, dass ich zu alt bin, und sie etwas für junge Leute machen wollen. Aber die Jungen schauen doch eh kein Fernsehen mehr. Ich werde jetzt selbst etwas machen. Wahrscheinlich eine Webshow. Ich bin aber so altmodisch, dass ich ein Studio und Kameramänner brauche. Ich kann nicht aus meinem Schlafzimmer senden.

„The Ray Cokes Show“ läuft samstags von 10 bis 12 auf FluxFM

„The Ray Cokes Show“ läuft bei FluxFM immer samstags von 10 bis 12 Uhr. Eine Wiederholung gibt es am darauffolgenden Montag von 18 bis 20 Uhr.

Zudem startete der Digitalsender X Radio – Back to the 90s auf Flux FM.

Ray Cokes, geboren am 24. Februar 1958 auf der britischen Isle of Wight, verbrachte die ersten Jahre seines Lebens an exotischen Orten wie etwa Südafrika oder Mauritius, da sein Vater bei der Navy beschäftigt war. Zurück in England verließ er im Alter von 15 Jahren die Schule, um in Brighton eine Kochlehre zu beginnen. Er kam nach Brüssel, wo ein zufälliges Treffen mit einem Fernsehproduzenten seinen künftigen Weg gestalten sollte. Er wurde Radio- und TV-Moderator. Kurz darauf wurde er von dem neuen Fernsehsender MTV entdeckt, zog 1987 nach London. 1992 ging seine Sendung „MTVs MostWanted“ an den Start, die Cokes zum Star machte. 1996 machte Cokes einen dramatischen Abgang bei MTV.