Dem Regionalverband Nordschwarzwald ist die Expansion des Modehauses Bertsch ein Dorn im Auge. Foto: Krokauer

 "Habe schlafende Hunde geweckt". Drohendes Planungsgebot des Regionalverbands gegen die Gemeinde.

So ein bisschen ärgert er sich schon über sich selber - Udo Bertsch, Eigentümer des gleichnamigen Modehauses in Schömberg: "Da habe ich wohl ›schlafende Hunde‹ geweckt", erzählt er am Telefon. Was er meint: Das drohende Planungsgebot des Regionalverbands gegen die Gemeinde Schömberg.

Schömberg - Streitpunkt: Eben das – große – Einzelhandelsgeschäft der Familie Bertsch an der Lindenstraße mitten im Zentrum von Schömberg. Über knapp 100 Jahre zur aktuellen Größe von mehr als 1400 Quadratmetern gewachsen. Vor zwei Jahren wollte Udo Bertsch "alles richtig" machen, als man in der Familie über eine erneute Erweiterung der Flächen - "im Bestand", wie Bertsch unterstreicht – nachdachte. Und dafür unter anderem das Gespräch mit dem Landkreis Calw als zuständige Baubehörde suchte.

Rechtslage auf Seiten des Regionalverbands

Ein Gespräch, von dem Bertsch heute weiß, dass er es formal wohl gar nicht gebraucht hätte, wenn – wie der Regionalverband behauptet – Bertsch aktuell ja (noch) machen dürfe, was er wolle bei eventuellen Erweiterungen. Das Gespräch fand im Juli 2019 im Landratsamt statt. Bertsch brachte seinen Architekten als Planer mit. Auch der Regionalverband war in Person von Verbandsdirektor Matthias Proske anwesend. Das Klima sei von Anfang an "frostig" gewesen, vor allem vonseiten des Landratsamtes – das ihm in Person der Chefin des Bauamtes "Maßlosigkeit" vorgeworfen habe. Was Bertsch, das hört man aus seinen Worten deutlich heraus, als persönliche Beleidigung empfunden hat: "Als Unternehmen müssen wir uns doch weiter entwickeln!?", so seine rhetorische Frage dazu. Immer würden Investitionen der Unternehmen gelobt – und seine sei auf einmal "maßlos", wenn er sich für sein Unternehmen und die Attraktivität seines Heimatorts engagiert?

Noch etwas anderes bringt Bertsch auf die Palme – der dabei aber ausdrücklich anerkennt, dass aktuell die geltende Rechtslage "wohl auf Seiten des Regionalverbands" und des Landratsamt sei: Im Laufe der nach dem Gespräch von Juli 2019 eskalierenden Diskussion um künftige Expansionsmöglichkeiten des Modehauses Bertsch habe ihm Verbandsdirektor Proske vom Regionalverband irgendwann gesagt, "ich solle mit meinem Geschäft zu ihnen nach Pforzheim oder nach Bad Wildbad kommen" - dort würde man sich über sein Engagement freuen und jede Expansion immer mittragen. "Das würde ich aber nie machen!" Bertsch-Schömberg sei eine Marke, ein anderer Standort "ginge also gar nicht". Außerdem: "Wir sind hier zu Hause, das ist unsere Heimat. Hier will ich mein Ding machen – nicht in Bad Wildbad!"

Was man wissen muss: Pforzheim und Bad Wildbad sind – wie auch Calw oder Nagold – laut Regionalplanung sogenannte "Mittelzentren", denen die Kernaufgaben der Versorgung in der Region zufielen. Schömberg genießt diese Handelsprivilegien nicht – weshalb es eigentlich bei den Handelsflächen gegenüber diesen Mittelzentren zurückstecken müsste. Insofern ist das Modehaus Bertsch mit seinen – ja bereits genehmigten – künftig 1700 Quadratmetern Verkaufsfläche eigentlich ein Anachronismus. Auch der in Schömberg noch gut funktionierende Einzelhandel mit 32 Einzelhandelsunternehmen konnte deshalb bisher eigentlich immer nur gegen den Widerstand des Regionalverbands und der übergeordneten Raumordnung bestehen.

Wobei Bertsch bestätigt, dass auch aus seiner Sicht diese "Zentralisierung aller Infrastruktur" längst überholt sei – wie man an den Verkehrs- und Luftproblemen in den Ober- und Mittelzentren nachverfolgen könne. Der Trend gehe zurück zu den regionalen und kommunalen Strukturen – von denen Bertsch hofft, dass sie künftig auch mehr im kommenden, neuen Regionalplan für den Nordschwarzwald des Regionalverbands abgebildet würden.

Gemeinsames Mittelzentrum mit Bad Liebenzell als Ziel

Dazu berichtet Bertsch, dass es in diesem Zusammenhang aktuell eine gemeinsame Initiative der Gemeinde Schömberg und der Stadt Bad Liebenzell gebe, künftig zusammen als weiteres "Mittelzentrum" im Kreis Calw akzeptiert zu werden – was dann auch die Diskussionen um den künftigen Flächenbedarf seines Modehauses obsolet machen würde. "Ja, darauf ruhen einige Hoffnungen", so Bertsch. Für ihn "neu" sei auch das jüngste Angebot des Regionalverbands, zumindest ein "gewisses Entwicklungspotenzial" auch unter den aktuellen Planungsrichtlinien des noch gültigen Regionalplans dem Hause Bertsch anbieten zu wollen. Eine entsprechende Frage von ihm an den Regionalverband sei bisher ohne Antwort geblieben. Der Landkreis als zuständige Baubehörde habe sich nur dahingehend geäußert, dass man für künftige Erweiterungen allenfalls ein "bisschen obenauf packen" würde.

Bertsch kritisiert aber – als Schömberger Gemeinderat, der er auch ist – aber auch grundsätzlich das jetzt vom Regionalverband angeschobene Zwangsverfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplans, der unter anderem das Areal der Firma Bertsch umfassen solle: "Wir im Gemeinderat sehen aktuell keine Notwendigkeit für einen solchen Bebauungsplan", da der anstehende Ausbau des Modehauses ja bereits genehmigt sei; und im Bestand stattfinde. Eine solche Bauleitplanung, wie sie jetzt zwangsweise in Schömberg durchgesetzt werden solle, mache aber eigentlich immer nur dann Sinn, wenn auch "ein konkretes Bauprojekt" diese Planungsgrundlage wirklich erforderlich mache. Sonst plane man ja nur etwas für den Aktenschrank – mit allen Kosten, die dabei aufliefen.

Diskussion als "extrem demotivierend" bezeichnet

Insgesamt sei die gesamte Diskussion daher extrem "unglücklich", so Bertsch abschließend. Und "extrem demotivierend" für ihn als Einzelhändler, gerade vor dem Hintergrund der Corona-Einschränkungen, die ja vor allem seine Branche mit am heftigsten getroffen hätten.

Für sich privat zeichnet Bertsch daher ein sehr düsteres Bild für das diesjährige Weihnachtsfest: "Meiner Tochter", die aktuell eine Ausbildung in einem großen, bayerischen – und ebenfalls in einem kleinen Ort wie Schömberg beheimateten – Modehaus absolviert, "muss ich eigentlich jetzt sagen, sie soll sich etwas anderes suchen", wenn man hier als regionaler Einzelhändler in seinen Entwicklungsmöglichkeiten so behindert werde wie aktuell in Schömberg, beziehungsweise dem Kreis Calw und dem Nordschwarzwald.

Stellungnahme von Bürgermeister Matthias Leyn

Im Verfahren um das drohende Planungsgebot für die Gemeinde Schömberg in Bezug auf das Innenstadt-Areal, auf dem das Modehaus Bertsch seinen Stammsitz hat, hat sich auf Anfrage des Schwarzwälder Boten auch Schömbergs Bürgermeister Matthias Leyn mit einem schriftlichen Statement zu Wort gemeldet.

Leyns Stellungnahme wörtlich: "Ich habe das Schreiben des Regionalverbandes (Anmerkung: mit der Fristsetzung für das drohende Planungsgebot) an die Fraktionsvorsitzenden (Anmerkung: des Schömberger Gemeinderats) weitergegeben. Wir nehmen die Entscheidung der Verbandsversammlung zur Kenntnis. Wir werden jetzt zeitnah die rechtlichen Voraussetzungen prüfen und dann im Gemeinderat entscheiden, wie wir mit dem Planungsgebot umgehen. Dies wird in Anbetracht der kurzen Zeit und der aktuellen Lage aber nicht innerhalb der Frist (Anmerkung: bis zum 8. Januar 2021) erfolgen können, daher werden wir eine Fristverlängerung beantragen. Mehr möchte ich im Moment auch in Bezug auf die Beratungen im Gemeinderat nicht sagen."