Gut gemachter „Fake Fur“ ist von echtem Pelz praktisch nicht zu unterscheiden. Foto: imago images / Runway Manhattan/Valentina Ranieri

Junge tragen wieder Pelz – und nicht immer ist es „Fake Fur“. Vintage-Plattformen und Auktionshäuser spüren den Trend. Tierschutzorganisationen wie Peta versuchen dagegenzuhalten.

Ist der echt? Oder gut imitiert? Tragen die junge Frau in der Schlange an der Supermarktkasse oder der Hipster, der einem in der Straßenbahn gegenübersitzt, wirklich Nerz oder Zobel – oder nur gut gemachten „Fake Fur“? In diesem Winter sieht man in den Fußgängerzonen, was Prada, Balenciaga oder Valentino auf den Laufstegen schon länger propagieren: Pelz feiert sein Comeback.

 

Und zwar nicht diskret am Jackenkragen oder als Bommel auf der Mütze, sondern so, dass es knallt. „Mob Wife“ heißt der Modetrend, und der Name ist Programm: Dicker Goldschmuck, Animalprints, Big Hair, dramatisches Augen-Make-up – und eben voluminöse Pelzmäntel oder -jacken. So wie die Frau eines mächtigen Mafiabosses im New York der 1970er-Jahre ihrer Mercedes-Limousine entstiegen wäre. Jennifer Lawrence in „American Hustle“ (2013 für etliche Oscars nominiert) lässt grüßen.

„Das sind sehr offensive Outfits“, sagt die Stuttgarter Stylistin Fidan Baran, die Werbekampagnen für Unternehmen wie Mercedes ausstattet. „Ein bisschen protzig, bombastisch, das genaue Gegenteil von modischem Understatement.“

In der Krise wird geprotzt

Ein Blick in die Modehistorie zeigt: Sind die Zeiten schlechter, wird die Mode opulenter. Nach dem Zweiten Weltkrieg zum Beispiel, als große Teile Europas in Trümmern lagen, kreierte Christian Dior seinen „New Look“: ausladende Röcke und Satinjäckchen mit Schößchen, die eine superschmale Taille betonten, dazu unbedingt Hut und Handschuhe. Sehr feminin, sehr elegant – und sehr mondän. Gerade erleben wir multiple Krisen. Und so wird auch modisch nicht mehr gekleckert, sondern geklotzt, sagt Fidan Baran. „Nach dem Motto: Ist eh alles doof gerade, dann hau’ ich raus, was geht.“

Popdiva Jennifer Lopez (links) und Model Carla Bruni haben es warm. Foto: IMAGO/Cover-Images//Roger Wong/Imago/Abaca

Kendall Jenner posiert wie eine moderne Anna Karenina mit Fellmütze vor Aspens verschneiter Bergkulisse. Vier Millionen Likes. Ihre It-Girl-Halbschwester Kim Kardashian fotografiert sich in ihrem begehbaren Luxus-Kleiderschrank im Fellmantel. Zwei Millionen Likes. Echt oder imitiert?

„Fake Fur“ sei inzwischen so gut gemacht, dass auch die Fachfrau den Unterschied oft nicht erkennen könne, sagt die Stylistin. Viele große Modemarken wie Chanel oder Saint Laurent haben Echtpelz inzwischen komplett aus ihren Kollektionen verbannt. Als erste der „Großen Vier“ verbot die Londoner Fashion Week die Präsentation von Echtpelz. Auch für viele Modebewusste kommt nur Pelzimitat in Frage, nie könnten sie sich vorstellen, das Fell eines toten Tieres zu tragen.

Doch manche machen sich auch bewusst auf die Suche nach Vintage-Pelz – in Omas Kleiderschrank, auf dem Flohmarkt oder in Secondhand-Boutiquen. Wolfgang Lastner ist der Vizepräsident des Zentralverbands des Kürschnerhandwerks. Mit dem Label „weprefur“ bieten die deutschen Kürschner Pelz fürs gute Gewissen an: Die Felle kommen aus der heimischen Jagd. „Es wäre unvernünftig, die nicht zu nutzen. Das ist nachhaltiger als Pelzimitat aus Plastik.“ In Lastners Geschäft in Fürstenfeldbruck kommen inzwischen nicht nur mehr Männer, sondern auch sehr junge Kundinnen. „Früher waren sie eher 50 plus, jetzt sind sie 20 plus.“

Pelz auf den Laufstegen von Prada, Dolce & Gabbana und Valentino (von links) Foto: IMAGO/Avalon.red

Auktionshäuser spüren den Trend

Beim Stuttgarter Auktionshaus Eppli registriert man das auch: „In den vergangenen beiden Jahren ist die Nachfrage für Vintage-Pelze spürbar gestiegen“, sagt Ioannis Schyma. Besonders Statement-Stücke wie ein „voluminöser Silberfuchs“ seien jetzt gefragt. Gerade weil sie neue Pelze ablehnten, kämen viele Kundinnen zu ihnen, erklärt Epplis Modeexperte. „Das Tier ist schon vor Jahren oder Jahrzehnten gestorben, und die Qualität der Stücke sorgt dafür, dass man sie über Jahrzehnte tragen kann.“ Bei Auktionshäusern wie Eppli kann man auch gut erhaltene Pelze in Kommission geben. Den Persianer der Großtante stattdessen einfach zu entsorgen, meint Schyma, sei alles andere als nachhaltig.

Auf der Mailänder Fashion Week zeigte Prada in diesem Jahr üppige Fellkapuzen. Foto: Imago/Zeppelin / Avalon

Tierschützer sehen das anders. „Auch Secondhand-Pelz vermittelt, dass es okay wäre, die Haut von Tieren zu tragen“, sagt Julia Zhorzel von der Tierrechtsorganisation Peta. Damit, befürchtet die Peta-Fachreferentin für Kleidung und Textil, könnte Echtpelz wieder salonfähig werden.

Die Moderatorin Collien Ulmen-Fernandes wirbt für Petas Anti-Pelz-Kampagne. Foto: PETA Deutschland e.V.

Auch auf der Plattform TikTok finden sich Videos, in denen junge Frauen stolz ihren Nerz vom Flohmarkt präsentieren. Deshalb versucht Peta gerade in den sozialen Medien aufzuklären. „Vielen aus der Gen-Z ist gar nicht bewusst, wie viel Tierleid in Pelz steckt“, meint Zhorzel. „Pelztierhaltung ist überhaupt nicht mit dem Tierwohl vereinbar: Wildtiere wie Füchse oder Nerze werden auf engstem Raum in Käfigen zusammengepfercht und am Ende ihres zu kurzen Lebens vergast oder per analem Elektroschock getötet.“ Für Peta ist klar: Nur Kunstpelz kann guter Pelz sein.

Zum Fürstenfeldbrucker Kürschner Wolfgang Lastner kommen indes viele Kundinnen, die einen geerbten oder Vintage gekauften Pelz umändern lassen wollen. „Die haben sich vorher auch sehr genau mit dem ethischen Aspekt beschäftigt: Kann ich das? Will ich das? Darf ich das?“

Was tun mit dem Pelz von Oma?

Spenden
Die Tierrechtsorganisation Peta rät dazu, geerbte Pelze an Tierheime zu spenden. Dort können sie Hunden und Katzen als besonders kuschelige Unterlage dienen. Wer den Pelz spendet, sollte ihn laut Peta zuvor mit einem wasserfesten Farbspray praktisch „unverkaufbar“ machen – zum Beispiel mit einem großen X auf der Rückenpartie.

Umarbeiten lassen
Kürschner haben da ganz andere Ideen. „Wer einen geerbten Pelzmantel nicht tragen will, kann ihn auch zu Wohnaccessoires, zum Beispiel einer Decke oder Kissen, umändern lassen“, schlägt Wolfgang Lastner vor.