Auf dem Marktplatz in Reutlingen gibt es eine Impf-Warteschlange für die über 70-Jährigen und eine zweite für alle anderen. Foto: Kec/k

Der Andrang an den mobilen Impfstationen im Land ist riesig, das liegt auch an den schärferen Coronaregeln. In Reutlingen kommt längst nicht jeder dran.

Reutlingen - Schon seit Stunden steht Trudel Kimmerle in der Warteschlange und ist ziemlich ausgekühlt. Die 80-Jährige im Anorak friert für die Booster-Spritze, für den dritten Piks. „Mein Hausarzt hat gesagt, dass ich erst nächstes Jahr einen Termin bei ihm bekomme“, sagt sie verärgert und darf am frühen Mittwochnachmittag endlich einsteigen in den Omnibus auf dem Reutlinger Marktplatz. Der Andrang beim Mobilen Impfteam des Uniklinikums Tübingen ist riesig, die zeitweise mehr als 400 Menschen reihen sich in der Fußgängerzone auf.

Reutlinger OB Keck spricht von einer „Katastrophe“

Zwar hat die Landesregierung angekündigt, die Zahl der Corona-Impfteams im Südwesten von 30 auf 80 zu erhöhen. Doch das reicht nicht, um überall Entlastung zu bringen. „Es ist eine Katastrophe und wir tun unser Bestes“, sagt der Reutlinger Oberbürgermeister Thomas Keck, der sich auf dem Marktplatz ein Bild von dem Engpass macht. Es werde spontan noch eine zweite Anlaufstelle im Spitalhof eingerichtet, kündigt er an. Der SPD-Mann weiß, dass der Druck auf die Ungeimpften seit dem Erreichen der Warnstufe gestiegen ist. Ein Übriges habe der Appell des Bundesgesundheitsministers zum Boostern getan. Jens Spahn hatte sich zum Ärger etlicher Ärzte für eine Auffrischung für alle und nicht nur für Ältere und Immungeschwächte ausgesprochen.

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Das Sozialministerium müsse noch einmal nachbessern, fordert Keck und wünscht sich flexible Lösungen auch aus Stuttgart. „Das Bisherige reicht nicht, wir bräuchten ein Team nur für unsere Stadt.“ Aktuell gibt es vier Teams, die in den Kreisen Böblingen, Tübingen und Reutlingen touren.

Pop-up-Impfstationen im ganzen Land sind sehr gefragt

Lange Warteschlangen für die Spritze sind dieser Tage im ganzen Land zu finden. Wer beim Hausarzt abgewimmelt wird, macht sich auf den Weg in Einkaufszentren, Schulen und Gemeindehäuser, wo Pop-up-Impfstationen aufgebaut wurden. Aus dem Sozialministerium heißt es dazu von einer Sprecherin: „Der Andrang zeigt, dass die Bedeutung des Impfens offensichtlich bei immer mehr Menschen ankommt.“ Das sei gut so. „Wir hatten vor wenigen Wochen noch unausgelastete Impfzentren in ganz Baden-Württemberg, die wir für teures Geld bereitgehalten haben.“

Die Nachfrage sei größer als das Angebot, sagt auch der DRK-Bereichsleiter Tobias Zoller. Der Mann, der die Impfteam-Einsätze für Ulm, Heidenheim, Göppingen und den Alb-Donau-Kreis im Blick hat, verwaltet gerade den Mangel. Aufgrund der Wartezeiten bei Hausärzten und angesichts der hohen Corona-Fallzahlen sei die schnelle, niederschwellige Impfung im Trend. Für die Mehrzahl der Menschen sei es die Erstimpfung.

Einkaufen gehen und dann eine Spritze

Bestens kommt die Spritze als Begleitprogramm zum Shoppen an. Im Ulmer Einkaufszentrum Blautal-Center werde deshalb eine feste Impfstation eingerichtet, dort sei die Zahl der Impfwilligen hoch, sagt Zoller. „Mal sehen, ob das in zwei Wochen auch noch so aussieht oder wieder nachlässt.“

In Reutlingen hat es die 16-jährige Leni Schmid bis kurz vor die Bustür geschafft. „Ich bin hier wegen den 2-G-Regeln, ohne Impfung kann ich nicht ins Café“, sagt die Tübingerin und findet die schärferen Regeln nicht gut. Tags zuvor sei sie in der Nachbarstadt beim Impfbus nicht mehr drangekommen, erzählt die Schülerin. „Jetzt lasse ich mich impfen wegen des Drucks.“