Gemeindeverwaltungen wie die von Hofstetten haben durch die Corona-Pandemie einen enormen Organisationsaufwand zu stemmen. Bürgermeister Martin Aßmuth hat sich jetzt in einem offenen Brief ans zuständige Ministerium gewandt. Zwölf seiner Kollegen haben das Schrieben inzwischen auch unterzeichnet. Foto: Störr

Hofstettens Bürgermeister wendet sich mit offenem Brief an Sozialminister Manfred Lucha.

Die Pandemie stellt die Kommunen vor Herausforderungen. Hofstettens Bürgermeister Martin Aßmuth hat sich jetzt in einem offenen Brief an den Minister für Soziales und Integration, Manne Lucha (Grüne), gewandt. In diesem kritisiert er die Kommunikationswege.

Mittleres Kinzigtal - Innerhalb weniger Stunden haben sich spontan einige Bürgermeister-Kollegen aus Baden-Württemberg zusammengefunden, die das Schreiben gemeinsam mit Aßmuth unterzeichnet haben. "Unsere Einschätzung steht hier sicher auch stellvertretend für weitere Entscheidungsträger", ist am Ende des Briefs zu lesen.

"Das Jahr 2020 hat auch die Beschäftigten in den Kommunalverwaltungen sehr viel Kraft und Energie gekostet", heißt es in dem Schreiben. Viele arbeiten demnach seit Monaten jenseits der Belastungsgrenzen, um in "vorderster Linie" in den Bürgerbüros und Ordnungsämtern ihren Beitrag zur Eindämmung der Corona-Pandemie, neben dem eigentlich zu bewältigenden Geschäft, zu leisten.

Verordnungen treffen erst kurz vor knapp ein

Die Bürgermeister haben demnach inzwischen den Eindruck, dass der zusätzliche Aufwand, den die Kommunen leisten, "von der Landesregierung Baden-Württemberg als selbstverständlich erachtet wird". Gleichzeitig vermissen diese jedoch bereits seit März 2020 – also seit Beginn der Pandemie – Planbarkeit und Verlässlichkeit hinsichtlich der Umsetzung der Verordnungen.

"Wie oft wurden die Bürgermeister durch die kommunalen Landesverbände zwischen 22 und 23 Uhr über Änderungen informiert, die um 0 Uhr in Kraft traten?", kritisieren die Verwaltungsoberhäupter in dem Schreiben. Zudem seien die Kommunen desöfteren in Auslegungsfragen allein gelassen worden. "Die Informationen zur letzten Änderungsverordnung erhielten die baden-württembergischen Bürgermeister als BM-/OB-Info über den kommunalen Landesverband am 15. Dezember um 23.38 Uhr, ehe selbige um 0 Uhr in Kraft trat", heißt es in dem Schreiben, um die Zustände deutlich zu machen. Das sei belastend – und im Rückblick keinesfalls eine Ausnahme gewesen.

"Im Austausch mit Entscheidungsträgern aus anderen Bundesländern ist im Ergebnis festzustellen, dass die rechtliche Umsetzung der Beschlüsse in Landesverordnungen schneller als bei uns in Baden-Württemberg gelingt", heißt es. Die Überwachung der Quarantäne-Anordnungen seien für die Ortspolizeibehörden außerdem ebenfalls ein massiver Zusatzaufwand.

Darüberhinaus erreichen die Kommunen seit Beginn der Pandemie viele Rückfragen seitens der Bürger. "Festzustellen ist, dass die spürbare Unzufriedenheit in der Bevölkerung aufgrund der erforderlichen Einschränkungen in den vergangenen Monaten deutlich gewachsen ist", heißt es in dem Schreiben. "Der Ton gegenüber den Mitarbeitenden in unseren Rathäusern ist rauer, das Verständnis geringer geworden." Die uneingeschränkte Rückendeckung der landespolitisch Zuständigen fehle.

Als direkte Ansprechpartner vor Ort müssen auch die kleinen Kommunen sich um alle möglichen Rückfragen kümmern. Dabei haben sie oft keinen gesonderten Krisenstab – es fehle dazu an personellen und finanziellen Ressourcen. In der Regel würden die vielfältigen Aufgaben eine Vollzeitkraft binden, die im Tagesgeschäft fehlt. Das bedeutet mehr Arbeit für die übrigen Mitarbeiter.

"Es ist wichtig, dass Sie als zuständiger Minister, neben dem Austausch mit den kommunalen Spitzenverbänden, auch die Stimmungslage unserer Mitarbeitenden aus erster Hand kennen", appellieren die Bürgermeister an Minister Lucha. "Die Ordnungsämter und Ortspolizeibehörden werden sich weiter für die Einhaltung der Corona-Maßnahmen in- und außerhalb der Rathäuser stark machen und sich damit einem erhöhten Infektionsrisiko aussetzen. Wir bitten Sie in dem Kontext um Festlegung, mit welcher Priorisierung die Ortspolizei- und Ordnungsbehörden bei der Umsetzung der Impfverordnung kategorisiert werden. Hier warten die betroffenen Kollegen auf Positionierung der Landesregierung und von Ihnen als Minister", schreibt Aßmuth.

Die Landesregierung von Baden-Württemberg unterstützt die Menschen in der Krise. Ergänzend regen die Unterzeichner des Schreibens ergänzend einen Prüfauftrag für die in den Kommunen an der Pandemiebekämpfung unmittelbar Beteiligten an.

Info: Die Unterzeichner

Martin Aßmuth, Bürgermeister der Gemeinde Hofstetten Nicolai Bischler, Bürgermeister der Gemeinde Steinach

Gregor Bühler, Bürgermeister der Gemeinde Sasbach

Constantin Braun, Bürgermeister der Gemeinde Bietigheim

Thomas Geppert, Bürgermeister der Stadt Wolfach

Bernd Heinzelmann, Bürgermeister der Gemeinde Schenkenzell

Wolfgang Hermann, Bürgermeister der Stadt Hausach Carsten Lachenauer, Bürgermeister der Gemeinde Unterreichenbach

Philipp Saar, Bürgermeister der Stadt Haslach im Kinzigtal

Thomas Schneider, Bürgermeister der Gemeinde Fischerbach

Sonja Schuchter, Bürgermeisterin der Gemeinde Sasbachwalden

Helga Wössner, Bürgermeisterin der Gemeinde Mühlenbach