BLHV-Geschäftsführer Stefan Schrempp (von links) sowie die beiden Nordracher Landwirte Bernhard Repple und Maria Schwarz machten erneut auf die Probleme der Landwirtschaft aufmerksam. Auf großen Flächen der Mähwiesen im Kinzigtal und in den Seitentälern wächst derzeit kein Gras mehr. Foto: Schwendemann

Landwirtschaftliche Lage ist in der gesamten Region dramatisch. Larven fressen überall Flächen kahl.

Mittleres Kinzigtal - Es ist deutlich schlimmer als gedacht: Nicht nur Wiesen im Nordrachtal sind mit Engerlingen des Junikäfers befallen. Die Schädlinge fressen sich quer durch die Region.

Betroffen sind Flächen im Harmersbach- und Kinzigtal von Biberach bis Oberwolfach und Hornberg. In Kombination mit der anhaltenden 
Trockenheit entsteht großer Futtermangel, der die Landwirte in Existenznot bringt. Vermehrt werden Rinder zum Viehhändler und damit zum Schlachten gebracht, weil nicht mehr 
genügend Futter für die Tiere vorhanden ist.

"Der erste Bericht über den Engerlingsbefall vor zwei Wochen hat eingeschlagen wie eine Bombe", berichtet Vollerwerbslandwirt Bernhard Repple aus Nordrach. Kürzlich hat es eine Versammlung in Haslach gegeben, an der mehr als 60 Landwirte aus dem gesamten Kinzig- und Harmersbachtal teilgenommen und über ihre Probleme berichtet haben.

Mit an der Seite der Landwirte ist auch der BLHV. "Die Stimmung unter den Landwirten ist sehr angespannt", stellt BLHV-Geschäftsführer Stefan Schrempp fest. Das dritte Trockenjahr in Folge und nun auch noch der massive Engerlingsbefall sorgen für erhebliche Probleme. Der Berufsverband hat Anfang der Woche 400 Fragebögen an die Landwirte im Tal verschickt, um die Gesamtsituation noch genauer einschätzen zu können. Schon am ersten Tag kamen 30 Rückmeldungen beim BLHV an, was zeigt, wie drängend die Lage ist.

Bei einem weiteren Vor-Ort-Termin gaben die Nordracher Landwirte Bernhard Welle und Maria Schwarz sowie BLHV-Geschäftsführer Stefan Schrempp einen Überblick über die aktuelle Lage. Das Grünland sei durch die anhaltende Trockenheit gestresst. Nun sorge auch noch das massenhafte Aufkommen der Junikäfer für das Absterben der Grasnarbe.

Futter für die Tiere wird schon jetzt knapp

Bei der Versammlung habe sich gezeigt, dass auch Ackerbaubetriebe von der Plage betroffen sind. Ein Landwirt hatte Kartoffeln mitgebracht, die von den Engerlingen des Junikäfers angefressen waren. Die Landwirte befürchten, dass kommendes Jahr das frische Grün von Laubbäumen und Sträuchern dem Junikäfer zum Opfer fällt.

In Folge des massiven Futtermangels sind viele Landwirte dazu übergegangen, ihren Viehbestand zu reduzieren oder ganz aufzugeben. Die Nordracher Landwirte berichteten, dass die Nutz- und Schlachttierhandlung Wetzel, mit der sie zusammenarbeiten, derzeit wöchentlich rund 30 Schlachttiere aufkauft. Normalerweise seien es um diese Jahreszeit nur halb so viele. "Eigentlich sind die Kälber noch zu klein, um sie zum Schlachten zu bringen. Dies ist normalerweise erst in sechs bis acht Wochen der richtige Zeitpunkt", betont Landwirt Bernhard Repple. Es ist also ein Verlustgeschäft für alle Beteiligten. Aber auch der Zukauf von Futter sei keine Option, da dies viel zu teuer sei.

Bei der Fahrt durch das Nordrachtal fallen die dürren Grasflächen ins Auge. Aber es gibt auch einige grüne Inseln. Landwirt Bernhard Repple zeigt Wiesen, die mit Klee durchmischt sind. Gräbt man den Boden um, findet man auch hier schnell die Engerlinge des Junikäfers. Die fressen zwar die Wurzeln der Gräser. Der Klee scheint aber nicht zu ihren bevorzugten Nahrungsmitteln zu gehören. "Wir haben zwar kein Rezept und keine Erfahrung, aber die Natur zeigt uns hier 
einen gangbaren Weg", betont Bernhard Repple. Als Vollerwerbslandwirt bewirtschaftet er 53 Hektar Grünland im Tal, von denen 50 Prozent geschädigt sind.

Ausbringen von Chemie sei keine Option

"In den nächsten vier Wochen muss eine pragmatische Lösung gefunden werden", stellt Geschäftsführer Stefan Schrempp fest. Es gehe darum, dass den Landwirten im Jahr 2021 wieder vernünftiges Futter für ihre Tiere zur Verfügung steht. Das Fräsen der Flächen und das neu Einsäen – möglichst mit hohem Kleeanteil – sei die beste Wahl. Andere Mittel wie das Ausbringen von Pilzen oder von Fadenwürmern, die die Engerlinge des Junikäfers ebenfalls dezimieren, benötigen einen längeren Zeitraum oder seien weniger wirksam.

Auch das Ausbringen von chemischen Mitteln ist keine Option. Bernhard Repple betreibt seinen Hof als Biolandwirt und verzichtet völlig auf Chemie. Gegen das Umbrechen des Grünlands sprechen allein die Auflagen der Agrarförderung und des Umweltschutzes. Mit dem Umbruchverbot für Mähwiesen soll das Ausbreiten von Maisflächen eingedämmt werden. Die Ausweisung von FFH-Wiesen durch den Umweltschutz stellt Artenvielfalt und den Schutz von Kleinlebenwesen in den Vordergrund.

Um die bürokratischen Hürden zu überwinden, haben sich Landwirt Bernhard Repple und der BLHV bereits mit dem Landwirtschaftsamt des Ortenaukreises, dem Regierungspräsidium und dem Ministerium für ländlichen Raum in Stuttgart in Verbindung gesetzt. Konrad Rühl, der Leiter des Ministeriums in Stuttgart, habe in einem ersten Kontakt mit den Landwirten aus Nordrach signalisiert, dass man das Problem erkannt habe und gemeinsam an Lösungen arbeiten werde.