Eine musikalische Zeitreise ins 19. Jahrhundert bot die Pianistin Mitra Kotte im Burghof. Dabei erinnerte sie an einige der vielen zu Unrecht Vergessenen der Musikgeschichte.
Mit der weiblichen Emanzipation von Komponistinnen sah es lange nicht gut aus. Einige wie Louise Farrenc, Nadia Boulanger und Amy Beach waren immer bekannt, andere blieben doch im Schatten männlicher Kollegen. So schwärmte einmal Franz Liszt über seine Schülerin, die gebürtige Elsässerin Marie Jaëll: „Ein Männername, und sie wäre auf allen Klavieren“.
Jetzt legt Mitra Kotte, die 30-jährige Wiener Pianistin, die Noten komponierender Frauen einmal aufs Klavier und stellte im Burghof mit „Frauen mit Flügel“ ihr neues Programm vor, eine Art „Release“-Konzert, mit dem sie ihr Debütalbum mit dem Wortspieltitel „Herstory“ auf einer Tour promotet.
Das 19. Jahrhundert und seine Komponistinnen
Da lernt der Musikfreund schnell, dass das 19. Jahrhundert auch ein Jahrhundert weiblicher Komponisten war. Emilie Mayer, lange als „weiblicher Beethoven“ angesehen und schon länger als Sinfonikerin wiederentdeckt, kann sich mit der „Tonwellen-Valse“ aus ihren Salonstücken gut hören lassen.
Louise Farrenc überrascht mit den gewichtigen Variationen über einen Luther-Choral und Cécile Chaminade mit ihrer virtuosen Klaviersonate in c-Moll. Chaminade kennt man in der Klavierszene als die französische Meisterin der Kleinform mit reizenden Klavierstücken wie dem zugegebenen „Die Faune“. Kotte holt die Komponistin aus dem Salon und stellt sie als bedeutende Klaviermusikschöpferin vor. Amerikanische Romantik war dann mit dem öfter gespielten „Dreaming“ aus den Four Sketches von Amy Beach vertreten. Eine schöne Auswahl aus dem Zyklus „Blumenleben“ von Dora Pejačević zeigte die hohe Qualität dieser Komponistin, die es verstand, den Blumen eine klingende Duftnote auf dem Klavier mitzugeben.
Bis hierhin war es also ein „Best of“-Programm von Komponistinnen in der Musikgeschichte. Die junge österreichische Interpretin will jeder Komponistin, wie sie selber in ihrer Moderation sagt, mit ihren eigenen Klangfarben, Stil und Spektrum vorstellen.
Und das gelingt dieser ambitionierten Pianistin gut, hebt sie doch den melodischen und klangfarblichen Reichtum dieser Stücke hervor, manuell auf sicherem Niveau, mit natürlich wirkendem Spiel, Sensibilität und einem feinen Anschlag, der für sie einnimmt. Ihre Interpretationen konnten durchweg durch einen ruhigen Atem, warme Klanggebungen und eine mühelose Wirkung auch vertrackter Klavierstücke gefallen.
Selbst eine so motorische Maschinenmusik wie die Toccata für Klavier („Die Maschine“) von Maria Hofer aus den späten 1930er Jahren, angelehnt an Bartók und Prokofjew, spielt sie nicht extrem perkussiv, sondern betont in diesem Allegretto Energico weniger das Hämmernde.
Ehrenrettung für weibliche Virtuosen
Etwas ernst war der Ausklang mit einem Werk von Nadia Boulanger und den sehr farbigen und avantgardistischen „Aprilpräludien“ der früh verstorbenen Vitêzslava Kaprálová. Mitra Kotte geht also sowohl auf ihrer CD als auch in ihrem Konzertprogramm chronologisch vor.
Die einzelnen Entdeckungen, die man machen kann in diesem Jahrhundert an Klaviermusik, sind eine Ehrenrettung und eine schöne Hommage an „Frauen mit Flügel“ und verschaffen dadurch auch ihrem neuen Album einen Sonderplatz im Klavierrepertoire. Also eine lohnende Begegnung mit einer Frau am Flügel.