Ob in Kliniken, Pflegeeinrichtungen oder Arztpraxen – laut des Netzwerks "Medizinisches Personal Ortenau" herrscht überall Personalmangel. Bei einer kurzfristig organisierten Umfrage unter Mitgliedern ähnelten sich die Rückmeldungen "erschreckenderweise sehr". Foto: Bockwoldt

Der Personalmangel beutelt den gesamten Ortenauer Gesundheitsbereich – egal ob Kliniken, Heime oder Arztpraxen. Mitglieder des Netzwerks "Medizinisches Personal Ortenau" schildern die Situation gegenüber unserer Redaktion als dramatisch.

Ortenau - Betten würden gesperrt, Stationen teilweise geschlossen, Personal zusammengezogen – das Netzwerk "Medizinisches Personal Ortenau" beschreibt die Situation als kritisch. Der Fachkräftemangel sei nicht nur in den Kliniken öffentlicher Trägerschaft ein Problem, betont Tom Starke stellvertretend für das Netzwerk im Gespräch mit unserer Redaktion. In privaten Einrichtungen, bei Pflegediensten, in Arztpraxen – überall sei die Situation derzeit äußerst schwierig. "Es fehlt vorne und hinten an Personal", konstatiert er.

Netzwerk bittet Mitglieder um Erfahrungsberichte

Auf Anfrage unserer Redaktion hatte das Netzwerk seine Mitglieder vergangene Woche gebeten, Erfahrungsberichte zum Thema Personalmangel zuzusenden. Das Netzwerk umfasst laut eigenen Angaben etwa 750 Mitglieder, die in verschiedenen Berufen und Einrichtungen im Ortenauer Gesundheitswesen arbeiten. Zusammengeschlossen hatten sie sich aus Angst, aufgrund der einrichtungsbezogenen Impfpflicht ihre Stelle zu verlieren (siehe Info).

Die Umfrage stieß innerhalb weniger Tage auf große Resonanz: "Wir haben sehr viele Zuschriften erhalten", berichtet Starke am Freitag – etwa 100 Rückmeldungen. Die verschiedenen Berichte aus dem Ortenauer Gesundheitswesen ähnelten sich "erschreckenderweise sehr, unabhängig vom Arbeitgeber, der Art der Einrichtung oder des Berufs". Die "eindrücklichsten Schilderungen" stellt das Netzwerk unserer Redaktion anonymisiert zur Verfügung.

Krankenpfleger plagt sein schlechtes Gewissen

So beschreibt ein Gesundheits- und Krankenpfleger seine Situation wie folgt: "Noch nach Feierabend plagt mich das schlechte Gewissen, die Patienten nicht ausreichend versorgt haben zu können, wohlwissend, dass ich selbst das bestmögliche gegeben habe und ich persönlich nicht für diese Umstände verantwortlich bin." Diese psychische Belastung sei für ihn kaum zu ertragen und mache ihn auf Dauer selbst krank.

Die Mitarbeiterin einer Einrichtung, die behinderte Menschen betreut, wiederum berichtet von Kündigungen aufgrund der Impfpflicht: "Seit zweieinhalb Jahre kämpfen wir uns von Tag zu Tag durch. Es gab viele Krankmeldungen, nicht besetzte Stellen und auch Kündigungen von Fachkräften, die sich nicht gegen Corona impfen lassen wollten." Der Betreuungsschlüssel werde so nicht eingehalten.

Pflegeheim-Mitarbeiter sammelt bis zu 50 Überstunden im Monat

"Die letzten Monate habe ich teilweise bis zu 50 Überstunden pro Monat abgeleistet, da kein Personal zu bekommen war", schreibt ein Pflegeheim-Mitarbeiter. "Insbesondere auch aufgrund der Maskenpflicht fühle ich mich körperlich und psychisch sehr belastet – deutlich mehr als durch den normalen Arbeitsalltag."

Eine Gesundheits- und Krankenpflegerin, die in einer Ortenauer Klinik arbeitet, bericht von den Schwierigkeiten, die der Personalmangel im Arbeitsalltag bedeutet: "Auf unserer kleinen Station sind drei Stellen unbesetzt. Die Nachbarstation hat aufgrund von Personalmangel massiv Betten abgebaut – circa die Hälfte – und fragt bei uns ständig an, ob wir aushelfen können. Eine neu errichtete Station kann nicht eröffnet werden, weil es kein Personal gibt."

Eine technische Assistentin berichtet, dass in ihrem Bereich seit fast einem Jahr eine Stelle unbesetzt sei. "Demnächst wird eine Kollegin ausscheiden. Ob die Stelle wiederbesetzt wird? Wir hoffen es. Unsere Notaufnahme hat seit Monaten tagsüber nur acht Stunden geöffnet – wegen Personalmangels", schreibt sie.

Arztpraxis ist mangels Personal nicht mehr erreichbar

"Wir haben in den letzten zwei Jahren händeringend nach Fachpersonal gesucht", erläutert eine Medizinische Fachangestellte in einer Praxis. "Das alles erschwert die Arbeit immens. Derzeit kommen sehr viele Beschwerden von Seiten der Patienten: Unsere Praxis ist telefonisch wie per Email nicht erreichbar! Notfalltermine sind erst in vier Wochen möglich!"

Tom Starke von "Medizinisches Personal Ortenau" sieht Angesichts der aktuellen Lage die Politik in der Pflicht – zeigt sich jedoch auch enttäuscht. "Wir haben versucht mit Landtags- und Bundestagsabgeordneten in Kontakt zu treten. Es gab nie eine Bereitschaft zum Dialog mit der Basis des Gesundheitswesens."