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Mercedes steht kurz vor der Entscheidung, die nächste Generation der C-Klasse nicht mehr in Sindelfingen, sondern in Bremen, Tuscaloosa und China zu bauen.

Stuttgart - Mercedes steht kurz vor der Entscheidung, die nächste Generation der C-Klasse nicht mehr in Sindelfingen, sondern in Bremen, Tuscaloosa und China zu bauen. Dafür sprechen erhebliche Kostensenkungen, dagegen ein enormer Stellenverlust in der Region.

Die Mercedes-Mitarbeiter bangen. Die mögliche Produktionsverlagerung der neuen C-Klasse (ab 2014) weg von Sindelfingen war zwar allgegenwärtiges Thema in der Betriebsversammlung am Montag. Eine Entscheidung soll am Dienstag fallen.

Seit 1993 sind Bremen und Sindelfingen die deutschen Produktionsstandorte (hinzu kommt Südafrika) für die C-Klasse. Im Norden laufen täglich etwas über 1000 Fahrzeuge vom Band, im Süden sind es 660. Für den Konzern öffnet sich aber die Schere zwischen Produktion und Absatz in Westeuropa: Wurden 1990 noch 87 Prozent der Autos in dieser Region gebaut und 65 Prozent auch hier verkauft, beträgt die Relation inzwischen 82 zu 56. In acht Jahren könnte sich die Relation auf 82 zu 50 verschieben.

Weil künftig mehr Autos in China und in den USA verkauft werden, erwägt der Vorstand, C-Klasse-Modelle in China und in den USA fertigen zu lassen. Allein die hohen chinesischen Importzölle (25 Prozent) machen einen Export aus Deutschland wirtschaftlich unattraktiv. Eine Produktion dort für die Region erscheint unumgänglich. Ähnlich sind die Voraussetzungen in den USA. Dass der nordamerikanische Markt sich in den kommenden Jahren wieder erholen wird, erwarten alle Autoexperten.

Wer im Absatzland produziert, vermeidet Währungsrisiken. Kann das Unternehmen bei lokalen Zulieferern einkaufen, verstärken sich die positiven Effekte. Hinzu kommen Einsparungen bei den Lohnkosten. Pro geleistete Lohnstunde (inklusive Nebenkosten) fallen in den USA (umgerechnet) 30 Euro an, in Sindelfingen sind es fast 54 Euro. Hinzurechnen muss man Frachtkosten und Importzölle, abziehen muss man die hohen Kosten für neue Werkzeuge. Summiert lassen sich die Einsparungen je Auto bei einer US-Produktion auf bis zu 1500 Euro schätzen. Ein wichtiger Faktor ist also die Entwicklung des Dollar. Daimler hält es bei einem Kurs von 1,50 bis 1,60 Dollar je Euro für kaum mehr möglich, mit den aus Deutschland exportierten C-Klasse-Autos in den USA Geld zu verdienen - aktuell liegt der Kurs bei über 1,50 Dollar je Euro.

Prof. Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg spricht sich für eine Produktion im Werk in Tuscaloosa aus: Hauptgründe seien der hohe Wechselkurs und die Tatsache, dass die C-Klasse für 30 Prozent der Daimler-Verkäufe in den USA stehe. So werde das C-Klasse-Einstiegsmodell in den USA, Mercedes C 300 Sport Sedan, zum Preis von 33600 US-Dollar (vor Steuern) angeboten. Beim Kurs von 1,50 Dollar je Euro betrage der Euro-Preis des Autos 22.400 Euro. In Deutschland stehe das gleiche Fahrzeug mit 31.425 Euro - also 9025 Euro teurer - in der Liste. Damit bringe die C-Klasse in den USA 29 Prozent weniger in die Kasse als in Deutschland. Bei einer Produktion in den USA könnte der wechselkursbedingte Kostennachteil der C-KIasse in den USA nach seiner Einschätzung gut halbiert werden, meint Dudenhöffer. Bei jährlich 60.000 verkauften C-Klasse-Modellen in den USA würde damit die US-Produktion der C-Klasse die Produktionskosten des Fahrzeugs derzeit um über 400 Millionen Euro pro Jahr senken, rechnet der Autoexperte.

Die C-Klasse bewegt sich darüber hinaus in einem engen Wettbewerbsfeld - unter anderem mit dem Audi A4 und 3er-BMW -, das sehr preissensitiv ist und keine großen Umsatzrenditen zulässt. Kosteneinsparungen sind deshalb gerade bei diesen Modellreihen von entscheidender Bedeutung.

Damit die Produktionsausweitung in den USA gelingt, brauchen deutsche Autohersteller Zulieferer, die den gleichen Qualitätsstandard wie in Europa liefern können. Für Zulieferer wiederum wird ein solcher Schritt in die USA dann attraktiv, wenn ihnen die Autobauer gleichmäßig hohe Produktionszahlen garantieren können. Nicht jeder Zulieferer kann dem Hersteller in neue Regionen folgen. Ein Problem ist deshalb der mögliche Beschäftigungseffekt in Bremen und Sindelfingen. Angeblich rechnet die Geschäftsführung damit, dass mit einer Verlagerung der C-Klasse aus Sindelfingen etwa 2500 Arbeitsplätze wegfallen könnten. Als Ausgleich wird eine Verlagerung der Produktion des neuen SL, der dem Vernehmen nach etwa 2011/2012 kommen soll, von Bremen nach Sindelfingen diskutiert. Dies hätte zur Folge, dass sich beide Werke den Stellenabbau teilen müssten.

Die Arbeitnehmervertreter erwarten jedoch einen Verlust von 4000 Arbeitsplätzen allein bei Daimler. Hinzukommen dürfte eine erhebliche Zahl an Stellen, die bei Zulieferern in der Region wegfallen (siehe auch nebenstehenden Artikel). Generell gilt, größere Zulieferer können solche Umstrukturierungen leichter wegstecken als kleine. "Die C-Klasse hat nicht nur für die Beschäftigung, sondern auch für die Städte und den Landkreis eine wichtige Bedeutung", sagt Gesamtbetriebsratsvorsitzender Erich Klemm. Er geht davon aus, dass die bei Daimler nicht erforderlichen Stellen nicht durch natürliche Fluktuation ausgeglichen werden können. Zuletzt verringerte sich bei Mercedes auf diese Weise die Belegschaft jährlich um 500 bis 1000 Mitarbeiter.