Zaun eines Reichsbürger-Grundstücks im Raum Reutlingen. Damit markiert ein Reichsbürger dort sein „Revier“ und versucht sich von der Zuständigkeit deutscher Gesetze freizumachen. Foto: Fachstelle mobirex/ LAGO e.V.

Eine Veranstaltung mit Expertenblick beleuchtet die Hintergründe, Strukturen und Radikalisierungsmechanismen der Reichsbürger-Bewegung.

Zu einer weiteren Veranstaltung zur Aufklärung über die rechte Szene lud das Horber Bündnis „Für Demokratie – aktiv gegen rechts“ in den Klostersaal.

 

Gezeigt wurde die SWR-Dokumentation „Reichsbürger im Südwesten – Angriff auf die Demokratie“ (2024), gefolgt von einem Austausch mit dem Rechtsextremismus-Experten Andreas Hässler.

Das war passiert

Als Horb im Dezember 2022 zum Schauplatz eines bundesweiten Anti-Terroreinsatzes mit über 3.000 Beamten wurde, war die Bevölkerung geschockt. Die sogenannte Reichsbürger-Gruppierung um Heinrich Reuß – darunter auch Personen aus Horb – wollte die verfassungsmäßige Ordnung der BRD beseitigen und ein Staatsmodell nach dem Vorbild des Kaiserreichs von 1871 errichten – notfalls mit Waffengewalt.

Die Dokumentation beleuchtet die Hintergründe dieser Razzia, bei der rund 25 Personen verhaftet und umfangreiches Beweismaterial, darunter über 500 Waffen, sichergestellt wurden. Seit 2017 wird Reichsbürgern in Baden-Württemberg keine waffenrechtliche Erlaubnis mehr erteilt.

Wie groß ist die Reichsbürger-Szene? Hässler, Bildungsreferent und Redakteur, betonte, dass bis 2016 der Szene wenig Bedeutung beigemessen wurde. Erst nachdem ein Reichsbürger bei einer Waffenbeschlagnahme einen Polizisten erschoss und drei weitere verletzte, änderte sich das. Heute zählt die Szene bundesweit rund 25.000 Personen, 4000 davon in Baden-Württemberg, etwa 20 in Horb.

Telegram-Kanäle mit sechsstelliger Reichweite

Laut Gerichtsvollziehern waren es 2016 sogar bis zu 40.000. Telegram-Kanäle der Szene erreichen teils sechsstellige Reichweiten. Die Gewaltbereitschaft und Verharmlosung machen die Szene besonders gefährlich. So gibt der in der Doku interviewte Matthes Haug an, nichts von Umsturzplänen gewusst zu haben.

Wie sind die Biografien der Reichsbürger? Viele Reichsbürger hätten Brüche in ihrer Biografie (Verschuldung, Krankheit, Verlust) und suchten in der Ablehnung staatlicher Institutionen neue Zugehörigkeit, so Hässler. Die Szene ist heterogen, aber einig in der Ablehnung der Staatsorgane. Anhänger verweigern Zahlungen an den Staat, betreiben „Papierterrorismus“ und rufen zum Umsturz auf – meist ohne klares Gesellschaftsmodell.

Finanziert wird die Bewegung durch Spenden und Seminargebühren. Kontakte zur rechtsextremen Szene bestehen, teils auch zur AfD, die sich oft verharmlosend äußere.

Wie sollte man handeln? Hässler betont, wie schwierig die Auseinandersetzung mit Reichsbürgern ist. Erste Tendenzen sollten erkannt und mit unabhängigen Hilfsangeboten begegnet werden (zum Beispiel Schuldnerberatung). Wichtig sei, dass der Rechtsstaat klare Kante zeige.

Veranstaltungsreihe

Autoritäre Rebellion
Die Veranstaltungsreihe wird am Donnerstag, 22. Mai, fortgesetzt. Dann stellt Andreas Speit im Klostersaal sein Buch „Autoritäre Rebellion“ vor. Auch hier ist der Eintritt frei.