Mittels abhörsicherer Mobiltelefone – sogenannten Kryptohandys – sollen der 33-jährige Kehler und seine Komplizen ihre Drogengeschäfte koordiniert haben. Foto: pixabay

Großkriminalität in der ländlichen Ortenau: Ein 33-Jähriger aus Kehl soll mit seinen florierenden Drogengeschäften rund 1,2 Millionen Euro Gewinn gemacht haben. Auf die Schliche kamen ihm die Ermittler unter anderem mit Hilfe einer FBI-App.

Kehl/Baden-Baden - Abhörsichere Handys, verschlüsselte Chatnachrichten und ein Verbrechernetzwerk – die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Baden-Baden liest sich ein wenig wie das Drehbuch zu einem Spionagefilm. Tatsächlich geht es um den mutmaßlichen schwunghaften Drogenhandel eines 33-Jährigen aus Kehl.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann vor, mit mehr als 240 Kilo Marihuana, 45 Kilo Haschisch, 5 Kilo Amphetamin und 3,5 Kilo Kokain gehandelt zu haben. "Der bislang schweigende Angeklagte soll zwischen März 2020 und Mai 2021 in 18 Fällen in Kehl, Offenburg, Baden-Baden und anderenorts in großen Mengen Betäubungsmittel an- und weiterverkauft haben", heißt es in einer Mitteilung. Rund 1,2 Millionen Euro Bruttogewinn soll er so erzielt haben. Dafür muss er sich aktuell vor dem Landgericht Baden-Baden verantworten – gleichzeitig mit drei mutmaßlichen Komplizen aus dem Raum Baden-Baden (siehe Info).

"Es handelt sich um ein Netzwerk von Personen, die sich ersichtlich schon über einen längeren Zeitraum kennen", erklärt Michael Klose, Erster Staatsanwalt der Staatsanwaltschaft Baden-Baden, im Gespräch mit unserer Zeitung. Der Angeklagte soll als Zwischenhändler fungiert, also nicht an Konsumenten verkauft haben. Seine Abnehmer habe er in der gesamten Region gefunden. Der Angeklagte befindet sich seit eine Durchsuchungsaktion Ende Mai 2021 in Untersuchungshaft. Er sei einschlägig vorbestraft, saß wegen Handels mit Amphetamin bereits im Gefängnis – damals ging es um weitaus geringere Mengen.

"Die aktuelle Mengen schlagen bei uns den Boden raus", konstatiert Klose gegenüber unserer Zeitung. "Unsere Rauschgifttaten sind grundsätzlich eher im kleineren Bereich angesiedelt." Größere Mengen gebe es höchstens im Zusammenhang mit dem Grenzverkehr – auch dabei drehe es sich eher um Kilos, nicht um Zentner. So etwas wie den aktuellen Fall, habe er bisher noch nicht erlebt, erklärt der 64-jährige Staatsanwalt.

Spionagesoftware führt auf die Spur des Angeklagten

Auf die Spur des Angeklagten kamen die Ermittler durch Erkenntnisse französischer und amerikanischer Strafverfolgungsbehörden. Die hatten Chatnachrichten, die über sogenannte Kryptohandys abgewickelt wurden, entschlüsselt. "Kryptohandys sind Mobiltelefone, die von bestimmten Firmen so verändert werden, dass sie nur in einem geschlossenen Gesprächskreis eingesetzt und nicht überwacht werden können", erläutert Klose.

Rund 3.800 davon soll es in Deutschland geben. Sie erfreuen sich zunehmender Beliebtheit unter Schwerstkriminellen – und rückten damit auch in den Fokus der internationalen Ermittlungsbehörden. Die Französischen Ermittler hatten eine Spionagesoftware auf den Server eines Kryptohandy-Anbieters aufgespielt und konnten so mitlesen. Die amerikanische Bundespolizei FBI entwickelte gar eine eigene Kryptoanwendung und schleuste diese in kriminelle Kreise ein. Ein Vorgehen, dass in Deutschland so nicht möglich wäre, erläutert Klose.

Das ist auch der Ansatzpunkt des Anwalts des Angeklagten. "Die Verteidiger versuchen zu verhindern, dass die Chatprotokolle als Beweis zugelassen werden", so Klose. Die Chancen dazu schätzt er jedoch als schlecht ein. Bisher habe jedes Gericht entschlüsselte Nachrichten als Beweise zugelassen. "Wenn alle Vorwürfe nachgewiesen werden und keine ganz wesentlichen strafmildernden Umstände dazukommen, kann ich mir sehr gut vorstellen, dass eine Freiheitsstrafe im zweistelligen Bereich rauskommt – zehn Jahre oder mehr", erklärt Klose. Insgesamt sind fünf Verhandlungstermine geplant, ein Urteil ist aktuell für den 28. Februar vorgesehen.

Info: Komplizen?

In einem zweiten Strafverfahren soll der Hauptangeklagte nach der Bewertung durch das Landeskriminalamt und die Staatsanwaltschaft Baden-Baden mit dem Angeklagten aus Kehl, aber auch mit etlichen weiteren Rauschgiftgeschäfte abgewickelt haben. Viele davon sind  noch nicht identifiziert. Die beiden anderen Angeklagten dieses Strafverfahrens sollen als Kuriere gedient haben.