Henri weiß noch nicht, welche Schule er nach den Sommerferien besuchen kann Foto: dpa

Darf ein Junge mit Down-Syndrom nach den Sommerferien mit seinen Freunden zum Gymnasium?  Nach den Befürwortern sammeln nun auch die Gegner im Internet Stimmen. 

Darf ein Junge mit Down-Syndrom nach den Sommerferien mit seinen Freunden zum Gymnasium?  Nach den Befürwortern sammeln nun auch die Gegner im Internet Stimmen. 

 

Stuttgart - Holger Wallitzer-Eck hat sich ein großes Ziel gesteckt. Der 46-Jährige aus Heidelberg will die Inklusion in Baden-Württemberg voranbringen und mit einer Petition Kultusminister Andreas Stoch (SPD) den Rücken stärken. Denn der Kultusminister muss demnächst darüber entscheiden, ob der elfjährige Henri aus Walldorf nach den Sommerferien mit seinen Freunden aus der Grundschule ins Gymnasium wechseln darf. Die Gesamtlehrerkonferenz und die Schulkonferenz, der auch Eltern und Schülern angehören, haben das abgelehnt. Ihre Begründung: dass Henri aufgrund seiner geistigen Behinderung das Abitur nicht erreichen könne und dass es an den passenden Rahmenbedingungen fehle, ihn zu fördern.

„Wenn Henri am Gymnasium nicht angenommen wird, dann werden erst er und dann alle folgenden Kinder mit geistiger Behinderung zukünftig wieder nach der Grundschule in die Sonderschule gehen müssen“, sagt Wallitzer-Eck. Er befürchtet, dass es dann einen Domino-Effekt. Auch andere weiterführende Schulen könnten auf die Weise nein sagen, wie es das Walldorfer Gymnasium getan habe, sagt er. „Kindern mit geistiger Behinderung wäre Inklusion möglicherweise für lange Zeit verwehrt.“

Wallitzer-Eck ist Vater eines Jungen mit Down-Syndrom. Der Achtjährige besucht eine Grundschule in Heidelberg, unterstützt wird er von einer Helferin, die ihr freiwilliges soziales Jahr macht. Auch Wallitzer-Eck wünscht sich, dass sein Sohn in zwei Jahren mit seinen Freunden ans Gymnasium wechseln kann. Die Landesregierung müsse die notwendigen Rahmenbedingungen für die Inklusion schaffen, die Lehrer sich gegenüber den Behinderten öffnen, fordert er.

„Viele Erzieher und Lehrer sind verunsichert"

Dass die weiterführenden Schulen mit vielen Aufgaben belastet sind, wisse er wohl, sagt der Mann einer Realschullehrerin. Auch er selbst studierte Lehramt für die Grund- und Hauptschule, arbeitete anschließend aber im sozialpädagogischen Bereich mit unter anderem mit verhaltensauffälligen Kindern, Jugendlichen ohne Schulabschluss und jungen Straftätern.

Nach der Geburt der beiden Kinder blieb er zu Hause. Seitdem sein behinderter Sohn die Ganztagsschule besucht, bleibe ihm etwas mehr Zeit für ehrenamtliche Tätigkeiten, sagt er. Im vergangenen Jahr absolvierte er in der Evangelischen Akademie in Bad Boll eine Fortbildung zum Inklusionsberater. Er unterstützt Kindergärten, Schulen und andere Einrichtungen bei der Planung.

„Viele Erzieher und Lehrer sind verunsichert, weil sie in ihrer Ausbildung nicht auf Inklusion vorbereitet worden sind“, sagt Wallitzer-Eck. Das berechtige sie allerdings nicht dazu, sich dem Thema zu verweigern. Von Seiten von Behinderten, aber auch von erfahrenen Pädagogen und Hochschulen gebe es Angebote zur Unterstützung. Bis Freitagabend unterzeichneten ... Personen die Petition.

Petitionen von Befürwortern und Gegnern

Inzwischen sammeln auch diejenigen Unterschriften im Internet, die eine Aufnahme Henris am Gymnasium ablehnen. Raphael Fritz, ehemaliger Schüler des Walldorfer Gymnasiums, hat vor wenigen Tagen eine Gegenpetition ins Netz gestellt. Er habe die Debatte verfolgt und bezweifle, dass es den Eltern um das Wohl des Kindes gehe, sagte er unserer Zeitung. „Auch ist es fraglich, ob sich momentane Freundschaften, die er aus der Grundschule hat, nicht sowieso – wie auch bei jedem anderem Menschen – mit der Zeit im Sand verlaufen. Und was hat er dann?“ Auf einer Sonderschule könne Henri durch die speziell ausgebildeten Lehrer besser unterstützt werden. Er selbst habe einen zu 80 Prozent behinderten Bruder, der erst nach dem Wechsel an eine Sonderschule „echte Freunde gefunden habe“, sagt der 21-jährige Informatikstudent. Henri werde immer zu den Schlechtesten in seiner Klasse gehören und sich nie behaupten können, so Fritz. Seine Petition haben bisher ...Personen unterzeichnet.

Um den Schulabschluss gehe es gar nicht, betonen Henris Eltern immer wieder. Und dass viele Behinderte nur Freunde unter Ihresgleichen finden, halten sie gerade für ein Problem. Das sei das Gegenteil von Inklusion, sagen sie. Nach der Ablehnung durch die Gymnasium hat das Kultusministerium das Staatliche Schulamt Mannheim beauftragt, nach alternativen Bildungsmöglichkeiten für Henri zu suchen. Seine Eltern halten das für einen Versuch, das Verfahren zu verzögern. In einem Brief teilte sie dem Kultusministerium mit, dass sie und ihr Mann an ihrem Wunsch festhielten, „dass unser Sohn inklusiv am Gymnasium Walldorf beschult wird.Wir erwarten, dass der Kultusminister jetzt über die Einrichtung des Schulversuchs am Gymnasium Walldorf entscheidet, so wie er es schon mehrfach öffentlich angekündigt hat.“