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Mann darf Heimtücke vermuten, wenn die Kollegin um einen geistreichen Beitrag über den Frauenfußball bittet. Dabei schätzt der Autor der folgenden Zeilen seit langem die liebenswerte Alternative zum Spiel der Männer.

Stuttgart - Mann darf Heimtücke vermuten, wenn die Kollegin um einen möglichst geistreichen Beitrag über den Frauenfußball bittet. Dabei schätzt der Autor der folgenden Zeilen seit langem die liebenswerte Alternative zum Spiel der Männer. Wagen wir also einen Versuch.

Reinhard, der etwas pausbäckig geratene Co-Trainer der örtlichen E-Jugend, neigte bis zum selbigen Tag nicht dazu, sich unnötig in Sinnkrisen zu stürzen. Dann stand Nadja am Spielfeldrand. Mit Hasenzähnchen und Spange, einem Zopf, der auf dem Rücken schwang wie das Pendel einer Uhr, und einer Brille so groß wie ein Fahrrad. "Also, hm", sagte sie, "darf ich mitmachen?" Das hat Reinhards Leben verändert.

 

Sein gut gemeinter Ratschlag an ihren Papa, sich vertrauensvoll an die örtliche Feuerwehr zu wenden oder auch an den Christlichen Verein Junger Menschen, zerschellte an einer Wand aus Empörung und Ignoranz. Auch sein Hinweis, dass Damen-Umkleiden und gesonderte Toiletten in den Umbauplänen der Sportvereinigung für die nächsten hundert Jahre nicht vorgesehen seien, stieß auf wenig Verständnis.

Nadja blieb am Ball und entwickelte sich unter fachmännischer Anleitung zur besten Stürmerin, welche die E-Jugend je hatte. Und zur einzigen. Selbst Reinhard kam auf lange Sicht nicht umhin, ihre Schnelligkeit und Schusstechnik zu loben. Auf dem Gipfel seiner Zuneigung angelangt, pflegte er mit vorwurfsvollem Blick auf den Chefcoach zu knurren: "Jetzt wechselt er das Weib schon wieder ein."

Nadja, 22, stürmt inzwischen in der zweiten Liga. Und Reinhard outet sich bei jeder unpassenden Gelegenheit als ihr Entdecker. "Wir haben ihr Talent sofort erkannt", ruft er dann und führt sich auf wie die Wiedergeburt des "Chefs" persönlich. Der hieß Sepp Herberger und war wie Reinhard überhaupt nicht begeistert von der Frau auf Stollenschuhen. Noch beim DFB-Bundestag 1955 legte er die Stirn in tiefe Falten und grantelte: "Der Fußball ist keine Sportart, die für Frauen geeignet ist, weil er ein Kampfsport ist." Offenbar fürchtete Herberger das Schlimmste. Und genau so ist es gekommen.

Wie Frauen nun mal sind, ignorierten sie aufs Hartnäckigste die Verbote des Deutschen Fußball-Bunds (DFB), wonach Damen-Fußballmannschaften weder zu gründen noch in den Verein aufzunehmen waren. Noch nicht einmal das Spielfeld durfte ihnen überlassen werden. Wie es dennoch im selben Jahr zum ersten Länderspiel in der deutschen Frauen-Fußballgeschichte gegen die Niederlande kam, ist nicht überliefert. Aber es endete 2:2 und war furchtbar anzuschauen.

Es ist ja nicht so, dass sich die weibliche Komponente der Schöpfung von Anfang an einen Gefallen tat, wenn sie den viel zu großen und viel zu schweren Ball über das viel zu große Spielfeld trat. Ungeübt im Stoppen, Passen, Flanken und Schießen geriet mancher Auftritt zur kabarettistischen Meisterleistung, die schenkelklatschende Männer mit Hohn und Spott quittierten.

Dass sich der Frauenfußball trotzdem durchsetzte, ist vermutlich einer mutigen Norwegerin zu verdanken, die 1986 beim Kongress des Weltfußball-Verbandes (Fifa) in Mexiko mit zitternder Stimme das Wort ergriff: "Herr Präsident", sagte sie an den hünenhaften João Havelange gewandt, "in Ihrem Rechenschaftsbericht widmen Sie dem Frauenfußball nur einen winzigen Abschnitt. Was gedenken Sie für seine Entwicklung und Förderung zu tun?" Der brasilianische Macho wechselte die Gesichtsfarbe von Kaffeebraun zu Colgate-Weiß und verwies auf seinen Generalsekretär Joseph S. Blatter: "Ich gebe Ihnen das Wort." Der Schweizer stand auf und antwortete in seiner Not: "Ich werde alles tun, um den Frauenfußball weltweit zu fördern."

Jetzt saß er in der Falle. Schon 1989 gab es das erste große internationale Turnier, in Deutschland wurde die Bundesliga gegründet, und 1991 spielten die kickenden Frauen in China die erste Weltmeisterschaft aus, 1995 in Schweden die zweite. Und Joseph S. Blatter, der Frauenversteher, sprach den in Stein gemeißelten Satz: "Die Zukunft des Fußballs ist weiblich."

Nun, Mann muss die Dinge nicht gleich übertreiben, aber die Entwicklung des Frauenfußballs ist ohne Zweifel eine Erfolgsgeschichte. Gut, für den Gewinn der Europameisterschaft 1989 spendierte der peinliche DFB noch jeder Spielerin ein Kaffeeservice, das vermutlich die Frau des Präsidenten ausgesucht hatte, aber spätestens als "Bild" nach dem zweiten deutschen WM-Triumph 2007 titelte "Wir sind Weltmeisterin", war die liebenswerte Alternative zur maskulinen Klopperei im bundesdeutschen Durchschnittshaushalt angekommen.

Frauen und Fußball - das geht!

Birgit Prinz, zweimalige Weltfußballerin des Jahres, ist längst so bekannt wie weiland Gerd Müller. Und wenn die kesse Torfrau Nadine Angerer nach den Bällen hechtet, reißt es auch den letzten Klischee-Bewahrer von seinem Hocker. Zwar kann man bei Spielen der Frauen-Bundesliga die Zuschauer in der Regel noch per Handschlag begrüßen, aber im Sog der erfolgreichen Nationalmannschaft holt der weibliche Teil des Fußball-Landes immer mehr auf.

Kein Zweifel mehr, Frauen und Fußball: Das geht! Während der diesjährigen Europameisterschaft in Finnland kletterten die Marktanteile der ARD schon während der Vorrunde auf stattliche 20 Prozent. Und zum Länderspiel gegen Brasilien strömten im Frühjahr 45000 Zuschauer in die Frankfurter WM-Arena. Europarekord!

Vor allem Familien und Ältere zählen zur Stammkundschaft der Weltmeisterinnen. Ihr Spiel gilt als ehrlich und bodenständig, ohne die nervende Theatralik der männlichen Helden. Nicht jeder Pfiff des Unparteiischen wird mit lärmenden Vollversammlungen quittiert, und Hooligans wurden beim Frauenfußball noch nicht gesichtet.

Und sollte Geld tatsächlich den Charakter verderben, dann haben wir von den Fußballerinnen auf absehbare Zeit wenig zu befürchten. Zwar lässt sich vom Einkommen einer deutschen Topspielerin inzwischen ganz ordentlich leben, aber im Vergleich zu Mario Gomez muss sich eine Jungnationalspielerin wie die aus Sindelfingen stammende Kim Kulig vorkommen wie eine Kleinaktionärin vor Josef Ackermann. Mit Sieg- und Auflaufprämien schwankt das Gehalt einer Topspielerin bestenfalls zwischen 2500 und 5000 Euro.

Dabei trainieren die Besten längst wie die Profis, vier- bis sechsmal die Woche, freiwillige Sonderschichten werden selbstverständlich erwartet. Das wirkt sich aus auf die Qualität der Darbietungen, die sich in technischer Hinsicht enorm verbessert haben. In der Natur der Sache liegt, dass die Männer in puncto Athletik ihren Vorsprung halten. "Frauen- und Männer-Fußball", sagt die Ex-Nationalspielerin Renate Lingor, "sind zwei verschiedene Sportarten."

Das beruhigt ungemein in Zeiten, in denen vor allem die Frauen für das Wachstum in der ehemaligen Männerdomäne sorgen. Von 6,684 Millionen Mitgliedern im Deutschen Fußball-Bund (DFB) sind mehr als eine Million Frauen. Im Mädchen-Fußball schwärmen die Vereine von Zuwachsraten um 20 Prozent. Und allein in den vergangenen fünf Jahren sind dem DFB zusätzlich 138 Mädchenteams gemeldet worden.

Parallel dazu steigt die Zahl der Frauen in den Stadien, die seit der WM 2006 zu den modernsten und komfortabelsten der Welt zählen. Vom reservierten Stellplatz im Parkhaus auf Pumps in die Business-Lounge zu stöckeln gehört zu den Standards in deutschen Fußballtempeln. Erlesene Kulinarik und der Mann am Piano erleichtern das Warmlaufen fürs sportliche Event. Kinderbetreuung? Kein Problem. Und wer es dann doch nicht ganz so dicke hat, kommt immerhin noch in den Genuss von ergonomisch geformten Schalensitzen und kuscheligen Wärmedecken mit Vereinslogo.

Die Fanshops locken mit Nagellack in Vereinsfarben, mit Club-Bikinis und neckischen Handtäschchen mit Emblem. Längst haben die Vermarkter die neue Klientel entdeckt.

Auch die Männer-Clique beim Deutschen Fußball-Bund weiß die Frauen inzwischen zu schätzen. 51 Millionen Euro stellte sie bereit für die Vorbereitung der Frauen-Nationalelf auf die Weltmeisterschaft 2011 im eigenen Land. Ein Tross von Experten prüfte deshalb die Bedingungen während der EM in Finnland. Wichtigste Erkenntnis: Die Badezimmer waren viel zu klein.

http://www.frauenfussball.de/

http://www.dfb.de

http://www.herthafreundin.de