Ringo Starrs neues Album „Look Up“ zollt dem Nashville-Country Tribut – und liegt damit voll im Trend.
Cowboyhut statt Pilzkopf: Country ist die Musik der Stunde – und mit „Look up“ reiht sich Ex-Beatle Ringo Starr ein in die Riege von Stars wie Beyoncé und Post Malone.
Ringo Starrs Karriere kann man, wenn auch ein wenig zynisch, mit dem „Wer zuletzt lacht“-Prinzip erfassen. Zu Zeiten der Beatles war er mit Sicherheit der am wenigsten Beliebte. Böse Zungen behaupten, auch der am wenigsten Talentierte. Nach den Beatles aber schwamm der Drummer sich frei, bliebt zwar unauffällig, aber lebte seinen Hippie-Traum vom Frieden und Liebe, während seine drei prominenten Kollegen alle auf ihre Weise versuchten, mit der Trennung und ihren Egos fertig zu werden.
Ringo, der eigentlich Richard Starkey heißt, wusste schon immer, dass er allein nicht das Zeug zum Genie hat (zu seinen größten kompositorischen Eigenschaften gehört „Octopus’s Garden“). Trotzdem hat er seit 1970 stolze 20 Soloplatten unterschiedlicher Couleur veröffentlicht. „Look up“, Album 21, markiert für ihn eine deutliche Zäsur. Es ist tatsächlich ein Country-Album geworden, der Sound also, der längst auch die ganz Großen der Popwelt erreicht hat. Vergangenes Jahr begeisterten Beyoncé und Post Malone mit Country-Platten, Taylor Swift hat damit angefangen und im Mai wird auch Lana del Rey ihr Country-Debüt vorlegen.
Ringo Starr ist aber natürlich ein alter Hase, der schon 1970 mit „Beaucoups of Blues“ in Country-Gefilden wilderte. Man könnte also auch sagen, es war nur eine Frage der Zeit, bis er zu dieser Vorliebe zurückfinden würde. Überwiegend geschrieben von T Bone Burnett nach einer schicksalhaften Reunion der beiden 2022 in Los Angeles, begibt sich der Schlagzeuger der Beatles nun also auf einen Roadtrip über die Nostalgie-Highways Amerikas.
Dabei macht Starr weder den Fehler, zum pistolenschwingenden Postkartencowboy noch zum bemüht modernen Alt-Country-Outlaw zu werden. Nein, Starkey bleibt Starkey. Er singt über die Liebe und das Leben, über Abschiede und Neuanfänge. Nur diesmal eben mit Cowboyhut, melancholischen Steel-Gitarren und der endlosen Weite des Wilden Westens vor dem inneren Auge, passend aufgenommen in Los Angeles und Country-Mekka Nashville.
Sein Look ist dabei so ikonisch wie er selbst: Schlank, sportlich, mit schwarz gefärbten Haaren und Bart sowie der obligatorischen Sonnenbrille strahlt Ringo Starr eine zeitlose Coolness aus. Seine 84 Jahre merkt man dem Ex-Beatle wahrlich nicht an. „Das liegt alles am Brokkoli. Ich esse fast zu jeder Mahlzeit Brokkoli“, scherzt die Musiklegende im Interview der Deutschen Presse-Agentur in London.
Der vielleicht sympathischste Multimillionär weit und breit
Natürlich ist die Musik bisweilen seicht und vorhersehbar. Aber sie hat diesen naiven Charme, der alle seiner Alben auszeichnet und ihn zum vielleicht sympathischsten Multimillionär weit und breit macht. „Time On My Hands“ ist ein gutes Beispiel dafür, ein echter Charmeur von einem Song, romantisch, ein kleines bisschen kitschig und Balsam für die Seele. Das reicht für eine launige Platte. Viel mehr will sie gar nicht sein.
Für fast alle Songs holt sich Starr fähige Partner: Der groovende Americana-Liebesbrief „Rosetta“ enthält Verstärkung von den Slide-Guitar-Schwestern Larkin Poe, der Fernweh-Ausklang „Thankful“ von Alison Krauss, viele andere Songs vom jungen Bluegrass-Talent Billy Strings. Das ist eben auch Ringo: Er bringt drei amerikanische Country-Generationen an einem Tisch, um auch als trockener Engländer eine gute Figur im Diner am Ende des staubigen Highway zu machen. Dafür kann man ihn nur lieben.