Astrid Wagner geht nach 55 Jahren in den Ruhestand und muss ihre Praxis daher schließen. Foto: Jessica Müller

Nach 55 Jahren im Berufsleben verabschiedet sich Astrid Wagner nun in den Ruhestand. Vorher hat sie im Gespräch mit unserer Redaktion aber noch verraten, wie sie Patienten die Angst vorm Zahnarztbesuch genommen hat und was sie als nächstes vor hat.

Freundliche Abbildungen strahlend weißer Backenzähne weisen noch immer den Weg in die mittlerweile ehemaligen Praxisräume von Astrid Wagner im zweiten Stock des Gebäudes direkt am Marktplatz. Dort eröffnete Wagner 1982 ihre Zahnarztpraxis. „Meine erste Patientin von damals ist mir bis heute treu geblieben“, erzählt sie. „Und auch viele weitere.“ Das bedeutet ihr viel.

 

Insbesondere der Kontakt mit den Patienten hat Wagner viel Freude bereitet. „Klar war nicht immer jeder gut gelaunt, aber mit der Zeit habe ich gelernt wie ich mit den Menschen umgehen muss“, sagt die Zahnärztin.

Vor allem mit den kleinen Patienten kam sie gut klar und nahm sich für sie besonders viel Zeit: „Beim ersten Mal haben wir immer nur einen Kontrolltermin gemacht“, so Wagner. „Dann habe ich den Kindern alle Geräte gezeigt und erklärt, wie sie funktionieren und was sie machen.“ Am Ende gab es dann noch eine Belohnung. „Natürlich keine Süßigkeiten, sondern Spielsachen“, so Wagner. Besonders beliebt waren stets Ringe, Tierfiguren und vor allem Sticker. „Die waren der Renner“, erinnert sich die Zahnärztin mit einem Lächeln zurück.

So sollte erst gar keine Angst vor dem Zahnarztbesuch entstehen. „Wenn dann aber doch mal gebohrt werden musste, haben wir einen neuen Termin ausgemacht und bei der Behandlung beim kleinsten Karies angefangen.“

Geschick gefragt

Bevor sie sich für das Zahnmedizinische Studium entschied, spielte Wagner mit dem Gedanken entweder ein Chemie- oder Lehramtsstudium zu beginnen. „Letztlich habe ich mich dann aber doch für die Zahnmedizin entschieden“, erzählt sie. Daran gefiel ihr auch der handwerkliche Aspekt. „Dabei ist auch eine gewisse manuelle Fertigkeit gefordert“, sagt Wagner. Rückblickend ist sie froh, dass sie sich für das zahnmedizinische Studium entschieden hat. „Ich war sehr glücklich in diesem Beruf.“

Neustart in Balingen

Als Rumäniendeutsche kehrte sie 1973 im Rahmen der Familienzusammenführung nach Deutschland zurück. Nachdem sie sich 1976 mit ihrer eigenen Praxis in Metzingen niedergelassen hatte, lernte sie ihren Mann kennen – einen Balinger.

Neuanfang in Balingen

Mit ihm zog sie in die Eyachstadt und wagte dort erneut einen Neuanfang. „Passende Räumlichkeiten in Balingen zu bekommen, war damals nicht so einfach“, erinnert sie sich. „Alternativ wären nur die Räume über dem Bären in Betracht gekommen.“ Für die Anschaffung der Geräte und alles weitere, was für einen erfolgreichen Neustart nötig war, musste sie Schulden aufnehmen. „Da muss man sich natürlich schon ins Zeug legen, dass das dann auch klappt.“

Über die Jahre habe sich das Berufsbild verändert. „Durch Fortbildungen sind die Möglichkeiten vielfältiger geworden, aber auch die Ansprüche sind gestiegen“, meint Wagner.

Weniger Interesse am Zahnarzt-Beruf

Das Interesse junger Leute am Beruf Zahnarzt sei gleichzeitig gesunken. Auch hier herrsche ein Mangel. „Ich habe keinen Nachfolger gefunden“, bedauert Wagner. Dadurch, dass derzeit viele ihre Praxis aufgeben, haben die wenigen Nachkömmlinge eine große Auswahl. Für die Praxis von Astrid Wagner hat sich jedoch kein Interessent gefunden, weshalb die 79-Jährige nun den Schlussstrich zieht. „Ich habe immer gehofft, dass sich doch noch jemand findet, aber ich habe auch gesagt, dass ich mit 80 nicht mehr in der Praxis stehen will.“

Keine Langeweile

Davon verabschiedet sie sich mit einem traurigen und einem lachenden Auge. Denn: So schwer der Abschied auch fällt, langweilig wird der Rentnerin künftig trotzdem nicht: „Ich freue mich darauf endlich mehr Zeit in meinem Garten zu verbringen, auf spontane Ausflüge in der Region und ich möchte noch Italienisch lernen“, erzählt sie. „Und ich möchte Konzerte besuchen, Bücher lesen und ein paar Kurse an der Volkshochschule besuchen“, fügt sie hinzu.