Das Oberharmersbacher Pfarrhaus gilt bei manchen als "toxisch" und im jetzigen Zustand für nicht erhaltenswert. Foto: Lehmann-Archiv

Was soll mit dem Oberharmersbacher Pfarrhaus geschehen – Abriss oder Umwidmung? Die Lager sind gespalten, steht das Gebäude für viele doch sinnbildlich für dutzendfachen Kindesmissbrauch. Ein Runder Tisch soll nun eine Lösung bringen.

Oberharmersbach - Unter anderem wegen der Neuorganisation der Pfarreien in der Erzdiözese Freiburg wird das Oberharmersbacher Pfarrhaus nicht mehr benötigt – über dessen Nachnutzung entzweien sich die Geister. Nicht nur die rechtlichen Rahmenbedingungen machen die Entscheidung kompliziert.

Fall sorgte bundesweit für Schlagzeilen

Der Fall hat 2018 bundesweit für Schlagzeilen gesorgt: Pfarrer Franz B. soll ab 1968 in der Kirchengemeinde Dutzende Kinder und Jugendliche missbraucht haben – viele davon im ersten Stock, in dem Büro im Eckzimmer des Pfarrhauses. Konsequenzen hatte sein Handeln erst spät: Ein Pfarrer brachte den Missbrauch 1991 ans Licht, mehrere Opfer hatten sich an ihn gewandt. Doch die Erzdiözese Freiburg versuchte Stillschweigen zu bewahren: B. musste – vorgeblich krankheitsbedingt – die Pfarrei verlassen und in ein Altenheim ziehen. Die Gemeinde machte ihn noch zum Ehrenbürger. Juristische Schritte folgten erst, als ein Betroffener sich 1995 an die Polizei wandte. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Offenburg dauerten jedoch nicht lange an. Am 4. August 1995 entzog sich Franz B. der Aufarbeitung der Vorwürfe durch Suizid.

Vorfälle wirken sich immer noch auf das Gemeindeleben aus

Die mutmaßlichen Verbrechen prägen mitunter noch immer das Gemeindeleben. Insbesondere auch deshalb, weil lange Zeit das Thema Missbrauch nicht aufgearbeitet wurde. Im Juni 2021 waren bei einer Sitzung mit Vertretern der Kirche und des Arbeitskreises "Pfarrhaus" die unterschiedlichen Auffassungen zum Gebäude schier unversöhnlich aufeinander getroffen. Während die einen den Abriss des "Schandmals" mitten im Ort forderten, plädierten andere für eine Nutzung als Begegnungsstätte oder für einen Umbau, um Vereinsräume unterzubringen oder um sozialen Wohnraum zu schaffen. Die spannungsgeladene Atmosphäre gelangte erst in ruhigeres Fahrwasser, nachdem Diakon Matthias Hoppe Hilfe von außen über Mediatoren angeregt hatte.

Tobias Lang und Frank Domonell von der Unternehmensberatung "Trigon" hatten sich dieser Aufgabe – nach reiflicher Überlegung – gestellt. Am vergangenen Samstag trafen sich die beiden mit Vertretern der Gemeinde, Pfarrgemeinderatsvorsitzenden Ansgar Horsthemke sowie Pfarrer Bonaventura Gerner. "Wir fällen hier keine Entscheidung, sondern begleiten Sie unabhängig", umriss Lang die Aufgabenstellung. Man wolle hier, so ergänzte sein Kollege Domonell, Räume schaffen für vertrauensvolle Gespräche, um einen ergebnisoffenen Prozess anzustoßen.

Gebäude steht unter Denkmalschutz

Das Pfarrhaus sei mit den leidvollen Erfahrungen, dem Schmerz, der Angst und der Hilflosigkeit der Opfer belastet. Deswegen sei die respektvolle Aufmerksamkeit für diesen Personenkreis vorrangig. "Wir werden auch Entscheidungen nicht im Verborgenen treffen, sondern suchen nach der erforderlichen Vorbereitung den Dialog mit der Gemeinde, um größtmögliche Transparenz zu erreichen", formulierte Lang.

Einfach wird das nicht, denn es gilt auch rechtliche Hürden zu überwinden. "Seit den 1970er-Jahren steht das jetzt 100 Jahre alte Pfarrhaus unter Denkmalschutz", erinnerte Horsthemke. Ferner müssten wegen der Besitzverhältnisse weitere Institutionen einbezogen werden.

Unterstützende Signale hierfür kommen derweil von der Erzdiözese, mit der die Pfarrgemeinde in ständigem Kontakt steht. "Das was für Oberharmersach gut ist, wird mitgetragen", zitierte Pfarrer Bonaventura Gerner die schriftliche Zusage des Erzbischofs Stephan Burger. Wie für die Mediatoren sei damit auch für die Umwidmung des Pfarrhauses die finanzielle Unterstützung zugesagt. Und selbst, wenn die Mehrheit sich für einen Abriss entscheiden sollte, würde sich der Erzbischof für eine Aufhebung des Denkmalschutzes einsetzen.

Bedrückende Atmosphäre weicht konstruktiver Zusammenarbeit

Die stellenweise bedrückende Atmosphäre wich während des rund acht Stunden langen Gesprächs am Samstag nach und nach einer konstruktiven Zusammenarbeit. "Einfache Mehrheiten nützen hier nichts, wir brauchen eine sehr breite Zustimmung für den Vorschlag, der am Ende unseres Meinungsbildungsprozesses steht", stellte Domonell fest. Schließlich sei das Thema größer als das Pfarrhaus und im Grunde sei die ganze Gemeinde betroffen.

Für die weitere Planung wurde eine Steuerungsgruppe gebildet, die mit Unterstützung der Mediatoren Menschen und Institutionen benennt, um im Format eines Runden Tischs die Basis für eine breitere Beteiligung zu legen. Im Verlauf des Prozesses sollen eine oder auch mehrere Bürgerversammlungen über die bisherigen Überlegungen informieren, bis dann in einem Jahr eine auf breiter Basis beruhende Entscheidung über das Pfarrhaus getroffen werden soll.