Anna Weinbender (links) vom AK Ukraine-Hilfe zeigt (von links) Nagolds OB Jürgen Großmann, Ministerin Marion Gentges, Sozialdezernent Norbert Weiser, dem Landtagsabgeordneten Thomas Blenke und Landrat Helmut Riegger, wie die Flüchtlinge untergebracht sind. Foto: Bernklau

Gut 900 Flüchtlinge aus der Ukraine sind bereits im Landkreis Calw angekommen. Das Landratsamt bemüht sich derzeit intensiv darum, ausreichend Unterbringungsplätze für die Flüchtlinge zu finden. Davon überzeugte sich am Samstag die baden-württembergische Justizministerin Marion Gentges, die die neu geschaffene Gemeinschaftsunterkunft im ehemaligen Gertrud-Teufel-Seniorenzentrum in Nagold besuchte.

Nagold - Es ist wieder Leben im Atrium des ehemaligen Gertrud-Teufel-Seniorenzentrums in Nagold. Kinder toben herum, Frauen genießen einen warmen Eintopf und Helfer von DRK und Arbeitskreis Ukraine-Hilfe halten den Laden am Laufen. Zwei Jahre ist es her, dass die Stadt Nagold das Seniorenzentrum dichtmachte, seit ein paar Tagen dient es nun für gut 50 Flüchtlinge aus der Ukraine – zumeist Frauen und Kinder – als Unterkunft. Dafür hat der Landkreis, der für die Unterbringung der Flüchtlinge verantwortlich ist, den Komplex vom eigentlichen Hausherrn, der Stadt Nagold, gemietet. Die Kosten dafür trägt das Land.

Nur wenige Tage, nachdem die ukrainischen Flüchtlinge dort untergekommen sind, machte sich die baden-württembergische Justizministerin Marion Gentges ein Bild von der Aufnahme der Flüchtlinge in Nagold. "Diesen Kriegsflüchtlingen zu helfen, ist unsere moralische Pflicht, aber auch eine Herausforderung für uns alle. Zunächst geht es darum, allen, die in Furcht um ihr Leben ihre Heimat verlassen mussten, eine Unterkunft zu bieten. Ich bin dem Landkreis Calw für großartige und pragmatische Unterstützung dankbar", so Ministerin Marion Gentges am Samstag. "Denn nur gemeinsam ist diese Situation zu bewältigen." Das bestätigt auch Anna Weinbender, Sprecherin des Nagolder AK Ukraine-Hilfe: "Wir müssen alle Kräfte unter einem Dach bündeln."

"Die Aufgaben sind gut verteilt"

Und die Zusammenarbeit aller Beteiligten funktioniert bestens, besser als bei der Flüchtlingsunterbringung 2015, wie sowohl die Ministerin als auch der Calwer Landrat Helmut Riegger und Nagolds Oberbürgermeister Jürgen Großmann bestätigen. "Das klappt wirklich hervorragend", betont Helmut Riegger. "Und die gute Zusammenarbeit setzt sich auch im Lokalen fort", bestätigt Großmann. "Die Aufgaben sind gut verteilt."

Als das Nadelöhr schlechthin erweist sich derzeit die Registrierung der ukrainischen Flüchtlinge, die nicht nur deshalb kompliziert ist, weil viele der Flüchtlinge privat bei Freunden oder Verwandten untergekommen sind und zunächst keinen Kontakt zu offiziellen Stellen haben. Die Aufgabe fällt nicht wie 2015 dem Land, sondern dem Landratsamt zu, das unter anderem mit technischen Problemen zu kämpfen hat, dabei aber Unterstützung vom Land bekommt.

Bewohnerinnen eines Frauenschutzhauses aus Mariupol

Mit der einen Unterkunft in Nagold ist es für den Landkreis freilich nicht getan. In Bad Liebenzell konnte das Landratsamt unterdessen weitere Flüchtlinge unterbringen, darunter die gesamten Bewohnerinnen des Frauenschutzhauses im vom Krieg heftig betroffenen Mariupol.

Gemeinsam mit den Kommunen im Landkreis geht derweil die Suche nach weiteren möglichen Unterkünften weiter. "Aktuell haben wir noch ungefähr 60 freie Plätze in unseren Gemeinschaftsunterkünften. 150 zusätzliche Plätze wurden in den letzten Wochen kurzfristig geschaffen. Da wir aber nicht wissen, wie sich die Lage entwickelt, sind wir immer auf der Suche nach neuen Unterkünften", berichtet der Flüchtlingsbeauftragte des Landkreises, Sozialdezernent Norbert Weiser. "Aktuell haben wir Plätze für weitere 350 Menschen in Aussicht." In Nagold zum Beispiel kümmert sich die heimische Urschel-Stiftung um die Aquirierung von Wohnraum. Auch die Stadt Nagold selbst hält mehrere Wohnungen, die in ihrem Besitz sind, für Flüchtlinge frei.

Bei medizinischer Versorgung sieht es gut aus

Keine Probleme gibt es derweil mit der medizinischen Versorgung der ukrainischen Flüchtlinge. Um die kümmern sich die bisher im Impfzentrum des Landkreises tätigen Mediziner. Und ein ehemaliger Calwer Kinderarzt kümmert sich um die kleinen und jungen Flüchtlinge. Befürchtungen, was etwa den Impfstatus der Flüchtlinge angeht, erwiesen sich unterdessen als eher unbegründet. "Da sieht es gut aus", berichtete Norbert Weiser. Auch bei den Kindern sei es mit Blick auf "normale" Impfungen etwa gegen Masern oder Ähnliches besser als befürchtet.

In Nagold, wo etwa 50 Flüchtlinge im ehemaligen Seniorenzentrum und weitere 60 privat untergekommen sind, nimmt man sich auch weiteren Fragen mit Blick auf die ukrainischen Flüchtlinge an. Über die Volkshochschule Oberes Nagoldtal organisiert man Sprachangebote, die unter anderem in der ehemaligen Kapelle des Seniorenzentrums stattfinden sollen. Auch am Thema Kinderbetreuung ist man dran. Darüber hinaus sei man auch im Gespräch mit Vereinen, die ihre Angebote für die Flüchtlinge öffnen wollen und können, so OB Jürgen Großmann, der sich "dankbar und überwältigt" von der Hilfsbereitschaft "seiner Nagolder" – vor allem durch den neuen "Arbeitskreis Ukraine-Hilfe" – zeigte.