Nicole Hoffmeister-Kraut spricht über ihr Engagement für die Balinger Schulen, ihre Ehrenämter, die Arbeit als Wirtschaftsministerin und darüber, warum es in der Politik ein dickes Fell braucht.
In der Kursstufe eins und zwei des Balinger Gymnasiums geht es an diesem Tag um Entrepreneurship, Unternehmensgründungen und die Strukturpolitik des Landes Baden-Württemberg.
Zu Gast: die baden-württembergische Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU). Danach gibt sie unserer Redaktion ein Interview. Treffpunkt ist vor der Schulmensa.
Das Balinger Gymnasium ist der 52-Jährigen sehr vertraut. Hier habe sie ihr Abitur gemacht, sagt sie, und nach ihr auch die beiden älteren Töchter.
Hoffmeister-Kraut: Begeisterung fürs Ehrenamt entdeckt
Schulen seien für sie etwas Besonderes, verrät sie. Denn die Wurzel ihrer politischen Karriere liege in einer Schule – und zwar in der Sichelschule, wo ihre Töchter in den ersten vier Jahren gelernt haben.
Es sei damals um das Stammschulenkonzept gegangen, die Werkrealschulen galten als Auslaufmodell, die Längenfeldschule sollte Stammschule werden, und an der Sichelschule sollte es nur noch die Klassen eins bis vier geben. Als Elternbeirätin habe sie sich für den Erhalt der Schule stark gemacht. „Das Gebäude ist für viele Bürgerinnen und Bürger identitätsstiftend, die Schule eine Bereicherung für die Stadt“, sagt sie.
Bei der Tätigkeit im Elternbeirat und im Kirchengemeinderat der evangelischen Stadtkirche hat sie ihre Begeisterung fürs Ehrenamt entdeckt: „Stets fokussiert auf die Menschen.“
Das Ehrenamt ist ihr heute noch wichtig – sie ist Mitglied im Präsidium des Evangelischen Kirchentags, in Fördervereinen verschiedener Schulen und im Stiftungsrat der Psychiatriestiftung.
Für die Gestaltung des Schulhofs stark engagiert
Manches, das sie angestoßen hat, ist geblieben: Jedes Jahr ist die Sichelschule beim Christkindlesmarkt mit einem Stand vertreten. Mit dem Erlös sollte ursprünglich der Schulhof aufgehübscht werden, mit Kletterbaum und mehr.
Aus dem Kletterbaum wurde zwar nichts, da es keine TÜV-Zulassung gab, dafür wurden andere Projekte umgesetzt. Im Balinger Gemeinderat machte sich die engagierte Elternvertreterin für die Gestaltung des Schulhofs stark – und es gab Unterstützung von der Stadt.
Erste politische Schritte im Gemeinderat von Balingen
2009 wurde sie erstmals in den Gemeinderat gewählt. „Ich war Newcomerin und wurde daher auf den hinteren Plätzen der CDU-Liste geführt“, erinnert sie sich. Fünf Jahre später wurde sie bei der Gemeinderatswahl dann Stimmenkönigin der CDU.
„Nur Dietmar Foth war besser“, sagt sie. „Er hatte zuvor für das Amt des Oberbürgermeisters kandidiert.“
Im gleichen Jahr wurde Nicole Hoffmeister-Kraut auch in den Kreistag gewählt. Und zwei Jahre später, als Landrat Günther-Martin Pauli auf sein Landtagsmandat verzichten musste, weil nach der Landtagsreform die Unvereinbarkeit von Amt und Mandat galt, ließ sie sich als Kandidatin aufstellen.
Sie setzte sich schließlich im dritten Wahlgang innerparteilich durch und holte gegen den Grünen-Kandidaten Erwin Feucht das Direktmandat. Allerdings nur ganz knapp, „denn die Grünen waren in Balingen sehr stark“.
Steile Karriere: vom Underdog zur Ministerin
In der Zeitung wurde damals über das Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen einem „alten Hasen der Kommunalpolitik (Feucht) und einem Küken (Hoffmeister-Kraut)“ berichtet, erinnert sie sich lachend. Das „Küken“ ist inzwischen ordentlich gewachsen: Die Balingerin wurde noch im gleichen Jahr Ministerin für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau.
Seit 2021 ist sie Ministerin für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus. In Sachen Wirtschaft kann ihr keiner so leicht etwas vormachen, denn sie ist vom Fach: Nach ihrem BWL-Studium in Tübingen hat sie in Würzburg promoviert, war in London bei der Investmentbank Morgan Stanley und bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young tätig – und ist Gesellschafterin von Bizerba.
Demokratie ist keineEinbahnstraße
Braucht man in der Politik ein dickes Fell? „Braucht man“, räumt sie ein, „denn man kann es nie allen recht machen.“ Sie verweist auf die zunehmende Polarisierung in der Gesellschaft und auf unzählige Fake-News. Alles in allem mache ihr der Job aber viel Freude, es gebe viel Gestaltungsspielraum, vorausgesetzt, man agiere „mit Fach- und Sachverstand“.
Demokratie, so habe sie gelernt, sei keine „Einbahnstraße“, sondern ein Geben und Nehmen. Aktuell gebe es viel zu tun: Die Wirtschaft stecke in einer tiefen Krise. Diese Krise zu meistern, habe sie sich auf die Fahnen geschrieben.
Zugegeben, es habe in ihrer Amtszeit auch Dinge gegeben, auf die sie lieber verzichtet hätte. Zum Beispiel die Corona-Pandemie und die Schließung von Schulen, Gaststätten und Geschäften. Dafür, dass die Bundeshilfen durch Geld vom Land ergänzt wurden, habe sie sich eingesetzt, denn: „Grundsicherung ist nicht genug.“
Auch der Liefer- oder Abholservice für Einzelhändler und Gastronomen sei hilfreich gewesen. Sorgen bereiten ihr die Kinder, die während der Pandemie die Grundschule besuchten und daheimbleiben mussten – manche von ihnen hätten auch heute noch mit den Auswirkungen zu kämpfen.
Auch viele gute Erfahrungen habe es natürlich gegeben. Zum Beispiel, als sie 2021 bei der Landtagswahl das drittbeste Ergebnis der CDU überhaupt im Land eingefahren habe: „Ich bin viel im Wahlkreis unterwegs, im Landesverband aktiv – und die Menschen vertrauen mir.“
Als sie sich gerade verabschieden möchte, kommt ein etwa zehnjähriger Junge auf die Ministerin zu. Ob er sie was fragen dürfe? Klar, dürfe er. „Wieso geben Sie ein Interview hier, auf der Bank, vor der Mensa?“ Nun, sie sei zu Gast in der Schule gewesen, sagt sie. Außerdem habe auch sie irgendwann hier gelernt.
Ob sie auch ihm ein Interview geben würde? Gerne, meint sie. Wo er denn zu erreichen sei? Längenfeldschule, vierte Klasse, sagt er. Sein Name wird notiert, die Ministerin verspricht, sich über die Schule mit ihm in Verbindung zu setzen: „Bis bald!“