Haben sich nicht mehr viel zu sagen: Stefan Körzell (Gewerkschaftsbund), Steffen Kampeter (Arbeitgebervereinigung BDA) und die Kommissionsvorsitzende Christiane Schönefeld (von links) Foto: dpa/Michael Kappeler

Die Lohnuntergrenze wird 2024 auf 12,41 Euro erhöht. Mit diesem Beschluss spaltet die Mindestlohnkommission das Lager der Arbeitnehmer, denn Geringverdiener sind die Verlierer der Lohnentwicklung, meint Matthias Schiermeyer.

Warum lässt der Gewerkschaftsbund die Mindestlohnkommission nicht platzen? So unzufrieden sind die DGB-Vertreter mit den Empfehlungen für die künftige Lohnuntergrenze, dass sie ein geharnischtes Sondervotum abgeben. Darin zerpflücken sie den Vermittlungsvorschlag der neuen Vorsitzenden Christiane Schönefeld, die sich wohl eher unerwartet auf die Arbeitgeberseite geschlagen hat. Ist es das Ende der Konsensfähigkeit in diesem Gremium?

 

Manche hofften schon auf 14 Euro

Ein Mindestlohnzuwachs von 3,4 Prozent zum 1. Januar 2024 und insgesamt 6,8 Prozent zu Beginn 2025 ist keine Größenordnung, die den DGB bei einer Inflation von ca. sechs Prozent zufriedenstellen kann – in fast allen Tarifrunden versuchen die Einzelgewerkschaften, weit darüber ins Ziel zu kommen. In den Sozialverbänden träumten sie gar von 14 Euro. Die Geringverdiener zählen somit zu den Verlierern der aktuellen Lohnentwicklung. Üblicherweise geht ihr verfügbares Einkommen direkt in den Konsum. Folglich wird hier auch die Chance verpasst, die Binnenkonjunktur zu beleben.

Erste Reaktionen aus den Gewerkschaften mit großen Niedriglohnbereichen zeigen aber: Da dürfte es heftig brodeln an der Basis. Das Arbeitnehmerlager zeigt plötzlich Risse – eine Gefahr für den Zusammenhalt. So ist das Sondervotum des DGB auch ein Signal an die eigenen Reihen, dass keinesfalls mehr herauszuholen war, denn für höhere Mindestlöhne lässt sich nun mal nicht streiken.

Die Retourkutsche der Arbeitgeber

Die Arbeitgeber ignorieren den politischen Sprengstoff des Beschlusses in einer ohnehin aufgeheizten gesellschaftlichen Debatte, von der vor allem die AfD profitiert – und sie revanchieren sich nachträglich für den von ihnen heftig bekämpften sprunghaften Anstieg auf zwölf Euro im Oktober. Ferner kommen sie dem Eindruck zuvor, dass das Gremium erneut ein politischer Spielball sei, zumal Arbeitsminister Heil neulich noch auf deutliche Zuwächse gedrungen hatte.

Es wäre dennoch die schlechtere Variante gewesen, wenn der DGB die Kommission verlassen hätte. Das Funktionieren der Sozialpartnerschaft mit all ihren Höhen und Tiefen ist existenziell wichtig für das Wohl der Unternehmen und Arbeitnehmer. Mit einem solch hohen Gut spielt man einfach nicht.