Faeser, Buschmann und Baerbock informierten nach dem Gespräch gemeinsam. Foto: Carsten Koall/dpa

Ampel und CDU/CSU haben über weitere Maßnahmen zur Begrenzung der irregulären Migration beraten. Was die Regierung vorschlägt, überzeugt die Union nicht - sie erklärt die Gespräche für gescheitert.

Berlin - Die Ampel-Regierung und die Union haben bei ihrem zweiten Migrationstreffen im Bundesinnenministerium keinen gemeinsamen Nenner gefunden - die Regierung plant aber dennoch Reformen. Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei, sagte in Berlin, die Regierungsparteien hätten "keinen Vorschlag unterbreitet, der tatsächlich zu Zurückweisungen an der Grenze über das bisher übliche Maß hinaus führt". Unionsfraktionschef Friedrich Merz erklärte die Gespräche für gescheitert.

Die Koalition sehe sich offensichtlich nicht zu umfassenden Zurückweisungen an den deutschen Staatsgrenzen in der Lage, sagte der CDU-Vorsitzende. "Damit ist der Versuch gescheitert, einen gemeinsamen Weg zu gehen." Er vermisse in dieser Frage Führung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Ampel-Politiker warfen der Union im Gegenzug Verantwortungslosigkeit vor.

Ampel will nationale Zuständigkeit für Asylbewerber schneller klären

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) schlug bei dem Gespräch, an dem auch Ländervertreter teilnahmen, ein Modell vor, um Asylbewerber, die anderswo schon registriert wurden, künftig rascher in für sie zuständige europäische Staaten zu bringen. Diese Pläne will die Ampel-Regierung aus SPD, Grünen und FDP nach Angaben der Ministerin nun auch ohne die Union verfolgen. Faeser räumte ein: "Wenn wir das jetzt als gutes System etablieren wollen, braucht es mehr Personal, damit die Bundespolizei das auch dauerhaft stemmen kann."

Für die konkrete Umsetzung der geplanten Beschleunigung sei eine Zusammenarbeit mit den betroffenen Bundesländern notwendig, sagte Faeser. Bei einigen Ländern habe sie hierzu auch bereits Interesse festgestellt.

Der CDU-Politiker Frei kritisierte, die Pläne zielten nicht auf zusätzliche Zurückweisungen an den deutschen Grenzen, sondern auf beschleunigte Verfahren in Deutschland. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sagte, das Festhalten der Menschen im grenznahen Raum sei effektiver als ein Zurückschieben über die grüne Grenze, wo damit zu rechnen sei, dass die Zurückgeschobenen an anderer Stelle dann einen weiteren Einreiseversuch unternehmen würden. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) kritisierte, die Unionsvertreter seien "aufgestanden, obwohl wir viele Themen noch gar nicht besprochen haben".

Die Union hatte eine Notlage ausrufen wollen unter Berufung auf Artikel 72 des EU-Vertrags, um von normalen europäischen Verfahren abweichen zu können. Nach Einschätzung der Ampel-Koalition fehlt dafür die rechtliche Grundlage.

Haftplätze möglichst in Grenznähe

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) soll nach den von der Ampel geplanten Änderungen das sogenannte Dublin-Verfahren künftig schneller betreiben. Dabei wird festgestellt, welches europäische Land für ein Asylverfahren zuständig ist. In vielen Fällen ist das jener Staat, auf dessen Gebiet Schutzsuchende zuerst europäischen Boden betreten haben.

Die Bundespolizei soll derweil prüfen, ob es freie Haftplätze gibt und gegebenenfalls beim zuständigen Gericht Haft beantragen, damit Betroffene nicht untertauchen. "Hier ist ein schnelles Handeln der Justiz der Länder erforderlich. Auch müssen die Haftplätze der Länder in ausreichender Anzahl, möglichst in Grenznähe entlang der Migrationsrouten, vorhanden sein", hieß es. "Alternativ soll eine feste Zuweisung und Wohnsitzauflage vorgesehen werden, wenn Haft nicht in Betracht kommt", hieß es weiter aus Regierungskreisen.

Die Bundesregierung will das Gespräch suchen, damit die Länder, die Migranten zurücknehmen sollen, kooperieren. Denn hier hakt es derzeit oft. Über eventuelle Klagen der Betroffenen gegen ihre Überstellung sollen die Verwaltungsgerichte zügig entscheiden.

Größere Rolle für die Bundespolizei

Eine wirkliche Neuerung ist die geplante größere Rolle für die Bundespolizei. Bislang liegen Abschiebungen in der Verantwortung der Bundesländer, die Bundespolizei unterstützt nur bei der Durchführung. Künftig soll die Bundespolizei am Ende des geplanten beschleunigten Verfahrens die Menschen dann aus Deutschland bringen.

"Außerdem setzt Deutschland weiter auf ein enges kooperatives Zusammenwirken mit den Nachbarstaaten etwa durch gemeinsame Streifen und gemeinsame Polizeizentren an den Grenzen. Ein unmittelbares Zurückweisen an den Grenzen über die heutige Praxis hinaus würde diese Zusammenarbeit massiv gefährden", hieß es weiter.

Union stellte Bedingungen an Treffen

Die Union hatte nach einem ersten Treffen in der vergangenen Woche zur Bedingung für ein weiteres Treffen gemacht, dass dabei auch über umfassende Zurückweisungen an den Grenzen gesprochen wird. 

SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese sagte nach dem Treffen: "Die Union wollte mit dem Kopf durch die Wand mit ihrer Idee der flächendeckenden Zurückweisungen." Dagegen gebe es aber massive europarechtliche Bedenken, die seine Fraktion auch teile. "Die Tür für weitere Gespräche über rechtssichere Lösungen bleibt aber offen", betonte Wiese. 

Er sagte, mit ihren Plänen reagiere die Regierung auf Forderungen der Kommunen, Menschen ohne Schutzanspruch in Deutschland erst gar nicht im Land zu verteilen. "Es ist ein Trauerspiel, dass die Union der Verantwortung für unser Land nicht gerecht wird und weiter eine Politik der Show-Effekte ohne Substanz betreibt", sagte die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, Irene Mihalic. 

Grenzkontrollen werden ausgeweitet

Faeser hatte am Vortag des Treffens bereits vorübergehende Kontrollen an allen deutschen Landgrenzen angeordnet, um die Zahl unerlaubter Einreisen stärker einzudämmen. Die zusätzlichen Kontrollen sollen am 16. September beginnen und zunächst sechs Monate andauern. Als Gründe für die nun angeordneten Kontrollen nannte das Ministerium neben der Begrenzung der irregulären Migration auch den Schutz der inneren Sicherheit vor aktuellen Bedrohungen durch den islamistischen Terrorismus und vor grenzüberschreitender Kriminalität.

Zurückweisungen gibt es derzeit nur in bestimmten Fällen: wenn jemand mit einer Einreisesperre belegt ist oder kein Asyl beantragt. Zurückweisungen an den deutschen Binnengrenzen sind grundsätzlich nur da möglich, wo es Kontrollen direkt an der Grenze gibt.

Seit Oktober sind laut Bundesinnenministerium mehr als 30.000 Menschen zurückgewiesen worden. Mitte Oktober 2023 hatte Faeser stationäre Kontrollen an den Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz angeordnet. An der deutsch-österreichischen Landgrenze gibt es solche Kontrollen, die mit der irregulären Migration begründet werden, bereits seit September 2015. Die neu angeordneten Kontrollen direkt an der Grenze betreffen die Landgrenzen zu Frankreich, Dänemark, Belgien, den Niederlanden und Luxemburg.

Verschärft hatte sich die Debatte um irreguläre Migration und Abschiebungen auch aufgrund von mehreren Gewalttaten. In Solingen waren bei einem mutmaßlich islamistischen Messerattentat auf einem Stadtfest im August drei Menschen getötet und acht weitere verletzt worden. Ein 26-jähriger Syrer sitzt wegen der Tat in Untersuchungshaft. 

Die Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion, Alice Weidel, sagte: "Die Migrationskrise in Deutschland lässt sich nur durch lückenlose Grenzkontrollen und eine konsequente Zurückweisung illegaler Migranten lösen."