Die EU will das Asylsystem reformieren, doch die Interessen der einzelnen Staaten liegen weit auseinander. Foto: dpa/Uli Deck

Europas Innenminister diskutieren in Luxemburg über die Reform des Asylsystems. Der Erfolg ist ungewiss, denn die Positionen der einzelnen Länder liegen sehr weit auseinander.

Die Migrationspolitik ist eine der großen politischen Baustellen in Europa. Seit Jahren sucht die EU vergeblich nach einer gemeinsamen Linie. Am Donnerstag nehmen die Innenminister der 27 Staaten auf der Suche nach einer Lösung einen neuen Anlauf. Im Vergleich zu früheren Treffen hat sich allerdings die Tonlage verändert. Stand früher vor allem der Streit um die Verteilung der ankommenden Migranten im Mittelpunkt, wird nun in Luxemburg bei der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) vor allem über die Verschärfung der Asylregeln gesprochen. Es geht unter anderem um die Frage, ob es Vorprüfungen von Asylanträgen schon an den EU-Außengrenzen geben soll. Zudem soll durch Zusammenarbeit mit Transit- und Herkunftsländern etwa in Afrika dafür gesorgt werden, dass sich möglichst wenige Menschen auf den Weg machen.

Eine Einigung der EU-Staaten ist fraglich

Allerdings gilt als eher fraglich, ob die Innenminister am Donnerstag bereits eine Positionierung für die anstehenden Verhandlungen mit dem EU-Parlament beschließen können. Wahrscheinlich ist, dass die Beratungen bei diesem strittigen Thema noch einmal weitergeführt werden müssen.

Kurz vor dem Treffen rief der CSU-Politiker Manfred Weber, Chef der konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament, die EU-Staaten zur Einigkeit auf. Die Länder sollten sich auf einen gemeinsamen Standpunkt einigen, um endlich die Verhandlungen über eine Reform der Dublin-Regeln und Asylverfahren aufnehmen zu können. Im selben Atemzug kritisierte Weber den Streit innerhalb der deutschen Ampel-Koalition.

Berlin zeigt sich offen für schärferen Kontrollen

Die Bundesregierung hat sich dafür offen gezeigt, erste Kontrollen an den EU-Außengrenzen durchzuführen. Sie will aber durchsetzen, dass Minderjährige unter 18 und Familien mit Kindern diese Verfahren nicht durchlaufen müssen. Entsprechend hatten sich auch Außenministerin Annalena Baerbock und Wirtschaftsminister Robert Habeck (beide Grüne) geäußert. Baerbock sagte, Grenzverfahren seien hochproblematisch - der EU-Kommissionsvorschlag sei aber die einzige Chance, auf absehbare Zeit zu einem „geordneten und humanen Verteilungsverfahren“ zu kommen.

Diese Aussage wurde allerdings sogar von grünen Politikern scharf kritisiert. Der grüne Europaabgeordnete Erik Marquardt glaubt, dass die EU-Pläne gegen das Grundgesetz verstießen. „Massive Asylrechtsverschärfungen führen nicht nur zu mehr Leid, sondern auch zu mehr Chaos“, schreibt er auf Twitter. Risse zeigen sich auch in der SPD. Die sozialdemokratische Europaabgeordnete Birgit Sippel betonte, dass die vergangenen Jahre eindringlich gezeigt hätten, dass Asylzentren an den Außengrenzen meist nicht den EU-Standards entsprächen.

Kleinster gemeinsamer Nenner in der Asylpolitik

Die Vorprüfungen von Asylanträgen an den Außengrenzen gilt inzwischen als kleinster gemeinsamer Nenner in der europäischen Migrationspolitik. Aussichtslos ist eine Einigung auf eine gerechte Verteilung der ankommenden Flüchtlinge auf alle EU-Staaten. Kurz vor dem Treffen in Luxemburg erklärte der österreichische Innenminister Gerhard Karner (ÖVP), bei der Verteilung von Flüchtlingen nur zu einer eingeschränkten Solidarität bereit zu sein. Sein Land sei wegen der ankommenden Menschen etwa über den Balkan besonders belastet.

Eine harte Linie gegen Migranten fährt auch Italien. Die postfaschistische Regierung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni steht dabei unter erheblichem Druck. Sie hatte es zu einem ihrer zentralen Themen erklärt, die Zahl illegaler Migranten zu verringern. Die Arbeit von Nichtregierungsorganisationen wurde stark eingeschränkt, zudem wurden die Gefängnisstrafen für Schlepper drastisch erhöht. Wirkung zeitigt das nicht: Italien erlebt trotzdem eine massive Zunahme der Ankünfte. Nach Angaben aus Rom kamen seit Januar mehr als 50 000 Migranten auf Booten nach Italien. In Deutschland wurden in den ersten vier Monaten dieses Jahres gut 100 000 Asylerstanträge vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge entgegengenommen, eine Zunahme um rund 78 Prozent.