Die knappe Mehrheit der Republikaner im Repräsentantenhaus hat innen- und außenpolitische Konsequenzen.
Die Republikaner haben die Kontrolle über das US-Repräsentantenhaus errungen. Im Senat hatten bei den Zwischenwahlen zum Kongress dagegen Bidens Demokraten ihre Mehrheit verteidigt. Der Kongress ist damit künftig zwischen Republikanern und Demokraten gespalten. Ein Gesetz bedarf in den USA jedoch der Zustimmung von Repräsentantenhaus und Senat zu einem gleichlautenden Text sowie die Unterschrift des Präsidenten. Republikaner und Demokraten dürften sich in den kommenden beiden Jahren somit gegenseitig blockieren. Neue Gesetze oder Reformen sind nicht zu erwarten. So haben die Republikaner schon angekündigt, die Mittel für die Finanzierung der Regierung und Bedienung der Staatsschulden als Hebel zu benutzen, die Umsetzung beschlossener Reformen zu verhindern. Im Visier sind die Klima-Initiativen, die Aufstockung des Personals bei der Steuerbehörde IRS sowie Änderungen bei der staatlichen Alterssicherung.
Auswirkungen auf Ukraine und Europa Der designierte Speaker des Repräsentantenhauses Kevin McCarthy hat angekündigt, er werde „keinen Blankoscheck“ mehr für die Ukraine ausstellen. Er muss auf den rechten Flügels der Fraktion Rücksicht nehmen. Der Freedom Caucus ist stärker geworden und gilt als russlandfreundlich. Die Abgeordnete Marjorie Taylor Greene kündigte an, es werde unter republikanischer Führung „keinen Penny mehr für die Ukraine geben“. Streit mit den republikanischen Falken im Senat ist programmiert, die an der Hilfe festhalten wollen. Die „Amerika zuerst“-Isolationisten nehmen an Einfluss zu. Vor allem unter den Trump-Republikanern, aber auch bei den linken Demokraten. Es werden gewiss keine weiteren 60 Milliarden Dollar mehr an Hilfen für die Ukraine genehmigt.
Jagd auf die „lahme Ente“ Joe Biden kann innenpolitisch kaum mehr etwas durchsetzen und gilt deshalb als lahme Ente. Die Republikaner haben vor, den Präsidenten vor sich herzutreiben. Sie planen, Untersuchungsausschüsse einzusetzen, die unter anderen den Rückzug aus Afghanistan, die Covid-Maßnahmen der Regierung, die Rolle von FBI und Justizministerium, die Handhabung der Flüchtlingskrise, die Chinapolitik sowie Hunter Bidens Geschäfte in der Ukraine unter die Lupe nehmen. Mindestens ein Dutzend Republikaner hat Impeachment-Artikel in der Schublade liegen, die Präsident Biden, Vizepräsidentin Kamala Harris und andere Kabinettsmitglieder ins Visier nehmen. Auf der Agenda des designierten Speaker McCarthy steht ein Amtsenthebungsverfahren Bidens nicht oben auf der Liste. Aber der erstarkte rechte Flügel wird das zur Bedingung für seine Wahl zum Speaker machen.
Freakshow auf dem Kapitolhügel Der Kongress droht zur Bühne einer politischen Freakshow zu werden. Während schillernde Gestalten schon immer einen Platz im Repräsentantenhaus hatten, dominieren QAnon-Verschwörer, Anhänger der „großen Lüge“, Covid-Leugner, radikale Abtreibungsgegner und Waffennarren künftig die Wahrnehmung der Mehrheitsfraktion.
Der Senat wird mehr wie das Repräsentantenhaus Die Verfassungsväter haben den Senat als Kühlbecken verstanden, in dem mit heißer Leidenschaft beschlossene Gesetzentwürfe aus dem Repräsentantenhaus einer nüchternen Prüfung unterzogen werden. Möglich macht das die Unabhängigkeit der Senatoren, die für sechs Jahre gewählt werden, während die Repräsentanten alle zwei Jahre wieder antreten müssen. Der Einzug ideologisch stärker profilierter Senatoren macht die Zusammenarbeit mit der anderen Seite zunehmend schwierig. Bisher konnten die Republikaner den Präsidenten und dessen Partei für alles Ungemach verantwortlich machen. Künftig tragen sie einen Teil der Verantwortung. Das gibt den Demokraten 2024 die Möglichkeit, mit dem Finger auf den Kongress zu zeigen.