Peer Steinbrück (links) hat sich von seinem Sprecher Michael Donnermeyer getrennt. Foto: dpa

Der Zeitpunkt kommt überraschend, und er zeigt die Nervosität in der SPD: Kanzlerkandidat Steinbrück tauscht rund 100 Tage vor der Wahl seinen Sprecher aus.

Berlin - Nein, von einem Bauernopfer will Peer Steinbrück nichts wissen. Es gebe von seiner Seite kein Nachtreten. Kein Verletzen der Integrität einer Person, die nicht da sei. Gemeint ist sein Sprecher Michael Donnermeyer, der kurzfristig von Steinbrück vor die Tür gesetzt worden ist. Für Außenstehende mag die Personalie eine Petitesse sein. Aber sie verdeutlicht, dass die SPD zunehmend nervös wird wegen der unter 30 Prozent stagnierenden Umfragewerte.

Dieser Montag im Willy-Brandt-Haus ist symptomatisch für den bisherigen Wahlkampf des Kanzlerkandidaten - Selbstbeschäftigung und Kampagnenfehler verdrängen eine Diskussion über Ziele und Inhalte. Hinten im Saal wartet Rolf Kleine auf seinen Auftritt. Der langjährige „Bild“-Journalist zeichnete bis Samstag noch für die politischen Kommunikation des Immobilienkonzerns Deutsche Annington verantwortlich - Steinbrücks Anruf führte zur raschen Freistellung.

Das Unternehmen hat 180.000 eigene Wohnungen - die Branche kämpft vehement gegen stärkere Regulierungen für Vermieter. Nun muss Kleine die SPD-Position vertreten, wonach bei Neuvermietungen nur eine Erhöhung von maximal zehn Prozent erlaubt werden soll. Kleine ist zu diesem Zeitpunkt bei der SPD seit zwei Stunden in Amt und Würden, daher kann er verständlicherweise noch nicht sagen, was er anders machen will.

Donnermeyer goss Öl ins Feuer

Donnermeyer wurde angelastet, dass er Brandherde wie die Frage, ob Steinbrück die Finanziers des angeblich unabhängigen (und rasch wieder beerdigten) Unterstützerforums „Peerblog“ kenne, eher angefacht als ausgetreten habe. Zudem autorisierte er die Passage in einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“, in der Steinbrück betonte, ein Kanzler verdiene gemessen an der Leistung zu wenig. Union und FDP konnten Steinbrück als gierig hinstellen.

Steinbrück betont, es gehe um die bestmögliche Aufstellung für die letzten 100 Tage. Denn egal was bisher schief gelaufen ist: Er glaubt weiter an die rot-grüne Option. Warum Donnermeyer ausgerechnet jetzt gehen muss, sagt der Kandidat aber nicht. Auch wenn es schwer danach aussieht, betont Steinbrück: „Nein. Ich brauche keinen Neustart.“ Kleine kennt noch viele Journalisten gut - er soll die Außenwirkung der SPD-„Kampa“ verbessern. Ein guter Draht zu Medien wie „Bild“ kann in Wahlkampfzeiten nicht schaden. Dort ist seit 2012 mit Bela Anda der Ex-Sprecher des früheren SPD-Kanzlers Gerhard Schröder Vize-Chefredakteur.

Steinbrück will Flut nicht instrumentalisieren

Es spricht angesichts der in der SPD nervöser werdenden Stimmung sicher für Steinbrück, dass er nicht in Aktionismus verfällt. Mit Blick auf die schweren Überflutungen an der Elbe will er sich keinem Polittourismus anschließen. Die Leute dort „brauchen die Bundeswehr und das THW, aber sie brauchen nicht Peer Steinbrück“, betont er. Es gehe nach Ablaufen des Wasser darum, wie 2002 einen Fluthilfefonds. auflegen. Diese habe damals um die sieben Milliarden Euro betragen, womöglich brauche man jetzt wieder eine ähnliche Größenordnung.

Die Personalrochade lässt den eigentlichen Anlass für Steinbrücks Pressekonferenz in den Hintergrund treten: Die letzten drei Mitglieder seines zwölfköpfigen Kompetenzteams werden vorgestellt - doch es ist eine schleppende Veranstaltung. Die Präsidentin von Brot für die Welt, Cornelia Füllkrug-Weitzel, soll das Themenfeld Entwicklungshilfe abdecken. Als sie sich vorstellen will, rauscht das Mikrofon. „Ja wunderbar. Das fängt ja gut an“, meint sie süffisant.

Neben ihr stehen die frühere saarländische Wirtschaftsministerin und heutige Bankberaterin Christiane Krajewski sowie Oliver Scheytt, der das Projekt „Kulturhauptstadt Europas“ im Ruhrgebiet gemanagt hat. Er macht auf Optimismus: „Wir werden zeigen: Die SPD kann Kanzler.“

Doch ob das Team im Wahlkampf mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehen wird als bisher, bleibt abzuwarten. Steinbrück glaubt, mit der Mischung aus SPD-Politikern und Persönlichkeiten, die nicht zu den „üblichen Verdächtigen“ gehören, ein breites Wählerspektrum ansprechen zu können. Es würden Brücken zu Gewerkschaften, Kirchen und zur Internetgemeinde geschlagen. Sein Team müsse sich keineswegs hinter der schwarz-gelben Ministerriege verstecken. Zumal sich mit Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) einer der wenigen Leistungsträger bald selbst aus dem Amt katapultieren könnte.

Doch warum sorgte er mit Donnermeyers Entlassung selbst dafür, dass die vierte und finale Vorstellungsrunde seiner möglichen Minister fast zur Randnotiz wird? „Ich wollte keinen fünften Fortsetzungsroman schreiben in Sachen Personalien.“ Also erledigte Steinbrück beides in einem Akt. Klingt irgendwie doch nach Neustart.