Metal-Fest: Disturbed haben am Freitag in der Schleyerhalle das 25. Jubiläum ihres Debütalbums „The Sickness“ gefeiert: Bilder und Kritik vom Auftritt in Stuttgart.
Wie viele von ihnen Megadeth erlebt haben, die Band des Ex-Metallica-Gitarristen Dave Mustaine, die an diesem Abend in der Schleyerhalle als Vorband auftrat, ist fraglich. Cannstatt feiert Volksfest, die Meile zwischen Wasen und Halle ist ein Chaos. Als Disturbed auf der Bühne erscheinen, um 20.40 Uhr am Freitag, stehen 11.000 Fans vor ihnen. Manche wurden gewiss noch nicht geboren, als David Draiman und seine Begleiter das Album veröffentlichten, dessen 25. Jubiläum sie auf ihrer aktuellen Tour feiern.
„The Sickness“ erschien im Frühjahr 2000 – ein kommerzieller Meilenstein des Nu-Metal, mehrfach mit Platin ausgezeichnet. Das ganze Album steht in der Schleyer-Halle auf dem Programm der Band, nebst einiger weiterer Hits. „Let me see those Fists!“, wird David Draiman rufen, spät am Abend, ehe er den Songs „Ten Thousand Fists“ beginnt – und alle werden die Fäuste emporrecken.
Disturbed spielen eine sehr harte, kompakte Musik, die jedoch über große melodische Qualitäten verfügt. Es sind donnernde Ohrwürmer, die die Band aus Chicago auf die Bühne bringt, zerhackt vom grell aufspringenden Stakkato der E-Gitarre, mit wuchtiger Breite versehen von John Moyers Bass, in flirrende Rhythmusattacken gekleidet von Mike Wengren am Schlagzeug.
Ohrwürmer donnernd in Szene gesetzt
Es wundert nicht, das Disturbed im Laufe ihrer Karriere auch Ohrwürmer anderer Autorschaft donnernd und zuckend in Szene setzten. Schon auf „The Sickness“ fand sich mit „Shout“, die Coverversion eines Hits der Synthie-Pop-Band Tears for Fears. Auf ihren dritten Album veröffentlichte die Band ihre Version des Genesis-Songs „Land of Confusion“, und 2015 eine Version von „The Sound of Silence“ – Paul Simons federleichtes Lied über die Verlorenheit des modernen Menschen verwandelte sich in einen finster drückenden Schmerzensschrei, der 2024 in einem Remix zurück in die Hitparaden kehrte.
Alle Coverversionen stehen am Freitag auf der Setlist, werden von den Fans frenetisch gefeiert. „The Sound of Silence“ beginnt mit einem düsteren Klavierintro – ein brennender Flügel steht auf der Bühne, Pauken gleich nebenan, Streicher arbeiten im Hintergrund. Die Bühne von Disturbed wird beherrscht von einem Gerüst, in dem leuchtende Streifen Projektionsfläche für giftgrüne oder schillernd rote Explosionen bieten. Pyroeffekte schießen bereits bei den ersten Songs empor. Bei „Bad Man“ einem Stück von 2022, erscheint der überdimensionale Kopf eines Unholds hinter der Band und wird zu einem diabolischen Augenpaar samt Grinsen, als die Dunkelheit sich auf die Szene senkt.
David Draiman ist der ruhende Mittelpunkt der Inszenierung. Er steht da, im dunklen Overall, spuckt die Silben seines kalten, schnellen Metal-Raps, stimmt Refrains von scharfem Pathos an, unterstreicht alles mit knappen, resoluten Gesten. Stimmen lachen im Regen und David Draiman wird auf einen elektrischen Stuhl geschnallt. Er wird die Stromstöße überleben, selbst ein lachender Irrer auf den Stuhl klettern, singen, die Arme ausbreiten.
Disturbed geben ihr Konzert mit Pause, spielen in Stuttgart insgesamt mehr als 100 Minuten. Spät am Abend wird David Draiman im Publikum einen sehr jungen Fan entdecken und sich mit ihm unterhalten – Hans heißt er, zehn Jahre alt. Und Draiman wird erklären, was auch Kinder auf einem Konzert seiner Band lernen können: Dass die Welt von heute ein schrecklicher Ort sein kann.
Dass es das Böse gibt, das versucht, die Menschen auseinanderzutreiben. Dass bei Konzerten von Disturbed alle Menschen gleich und solidarisch seien. Man möchte seine Worte zweimal bedenken: Erst 2024 sorgte dieser Sänger für heftige Kontroversen, indem er israelische Granaten signierte, auf Panzern posierte. Welch einen Standpunkt man auch immer vertritt: Friedensliebe sieht anders aus.