Auch das Komödiantische kommt nicht zu kurz bei der Aufführung im Gymnasium, die insgesamt aber vielleicht ein bisschen zu viel des Guten will und die Zuschauer äußerst fordert. Foto: Holbein Foto: Schwarzwälder-Bote

"THEATERmobileSPIELE" mit "büchner.die welt.ein riss." zu Gast

Von Christoph Holbein

Meßstetten. Das Bühnenbild – Silvia Maradea zeichnet dafür verantwortlich – wird von Szene zu Szene weniger, bis nur noch ein Gerippe aus Ästen auf der Spielfläche steht, das Spiel dagegen – Georgios Tzitzikos gibt den Figuren durch intensive Mimik und stimmliche Variabilität Plastizität – gewinnt zunehmend an innerer und äußerer Intensität und Emotionalität: Mit der Inszenierung "büchner.die welt.ein riss" gastierte das "THEATERmobileSPIELE" aus Karlsruhe vor rund 83 Schülern der elften und zwölften Klasse im Universalraum des Meßstetter Gymnasiums – eine einstündige literarische Collage, die Regisseur Thorsten Kreilos aus dem gesamten Werk Georg Büchners einfühlsam komponiert hat.

Das gesamte Werk wird intensiv beleuchtet

Zitate aus "Der Hessische Landbote", jener Flugschrift gegen die sozialen Missstände der Zeit, wechseln ab mit Sequenzen aus Briefen Büchners und aus der Erzählung "Lenz" und münden immer wieder in Ausschnitte aus seinen drei Dramen: "Dantons Tod", "Leonce und Lena" und "Woyzeck".

Der Deutschlehrer der zwölften Klasse, Harald Menzel, hat seine Schüler im Vorfeld mit einer Stationenarbeit, die ein Kollege gefertigt hat, auf die Aufführung vorbereitet.

Thorsten Kreilos lotet mit seiner Text- und Regiearbeit den geistig-emotionalen Horizont Büchners aus in diesem Kreislauf aus Geburt und Tod. Dabei entwirft er viele Bilder und Assoziationen – nicht ohne Witz – und lässt seinen Protagonisten in die verschiedenen Figuren schlüpfen, denen Schauspieler Georgios Tzitzikos in dieser Ein-Personen-Collage mit stimmlicher Vielfalt und emotionaler Tiefe Farbe verleiht, wobei er auch die stillen Sequenzen inhaltsvoll ausspielt. Büchners politische Kritik und seine Forderung nach dem freien Menschen bekommen dabei breiten Raum.

Die Ausbrüche sind intensiv, das Spiel mit Mienen und Masken aussagekräftig, die Szenen in den Kulissen anspruchsvoll. Mit leisen, aber deutlichen Veränderungen variiert der Regisseur die Handelnden: hier eine Perücke auf dem Kopf, dort das Hemd aus der Hose, und der Schauspieler schlüpft in eine andere Rolle, ziseliert die verschiedenen emotionalen Ebenen in Gestik, Körperhaltung und Mimik und kreiert Dialoge.

Das Ganze ist auch eine Komödie, wenn aus dem geöffneten Hosenlatz die Deutschlandfahne prangt und die Papp-Krone den albernen Protagonisten zum "Bürger-König" macht. Und wird dann doch wieder zum tragischen Drama – mit Woyzeck gegängelt an der Hundeleine. Am Ende verliert die Baby-Puppe ihren Kopf unter dem Fallbeil der Guillotine, womit sich der Kreis schließt entlang der ewigen Frage – die Danton stellt –: "Was ist das, was in uns hurt, lügt, stiehlt und mordet?".

Gymnasiasten stellen am Ende Fragen

Nach der Aufführung stellten sich Schauspieler und Regisseur den Fragen der Schüler, und offenbarte Thorsten Kreilos, wie er in der Unterhaltung mit den Werken Büchners in einem inneren Dialog mit den Texten die übergreifenden Themen und Leitmotive herausgearbeitet und die Diskussionsfelder herauskristallisiert hat, etwa das Atheismus-Thema, wie er dabei auch Texte gegeneinander knallen hat lassen, um so auch zwischen den verschiedenen Rhythmen zu wechseln.

Im zum Schluss kahlen, leeren, ja trostlosen Raum des Nichts, in dem die Trikolore, die französische Nationalflagge, nur noch Müll ist, präsentiert sich nach 60-minütigem Spiel um das Menschliche eindrücklich, wie tiefgründig und sensibel die Inszenierung die Vielschichtigkeit Büchners verarbeitet und in Metaphern übersetzt hat.