Gesangverein Hartheim: Theatergruppe übertrifft sich bei "Zoff mit dem Stoff" selbst

Bio kontra Giftspritze, ein Pizzabäcker, der zu "Amore" nicht mehr fähig ist, und ein Gangster, der mit seltsamen Setzlingen einem darbenden Gemüsebauern hilft: Ganz großes Theater bringen die Laiendarsteller des Gesangvereins auf die Bühne.

Meßstetten-Hartheim. Radieschenkrieg am Gartenzaun: Franz Kohlkopf (Volker Knaus) schuftet Tag und Nacht. Dennoch bleibt kaum so viel hängen, dass es ihm und seiner migränegeplagten Erika (Heidi Weiger) wenigstens zu versalzenen Pfannkuchen reicht, während sich Nachbarin Maja Müslein (Carmen Butz) mit Bio-Gemüse und seltsamen Heilmethoden dumm und dämlich verdient, obwohl sie und ihr schweizer Gatte "Klausi-Mausi" (Arnold Kleiner) erst mittags aufstehen.

Gemüsehändler Berthold Lederle (Helge Leder), Pizzabäcker Giovanni Tomati (Viktor Kapla) und seine Frau Maria (Lisbeth Kapla) haben ihre eigenen Probleme: Ersterer mag das gespritzte Gemüse der Kohlkopfs nicht mehr verkaufen und schlägt sich auf Majas Seite, bei den Italienern klappt es nicht mehr mit "Amore".

Ein Potenzmittel aus dem Pflanzenbeet

Da kommt Mario (Philipp Butz), der Flegel mit der Knarre im allzu tief sitzenden Hosenbund, genau richtig, denn er hat Setzlinge dabei, die Potenz versprechen, und überzeugt die Kohlkopfs, die jeden Cent brauchen können, sie zwischen ihrem Gemüse großzuziehen und ihnen eines der beiden Gästezimmer zu überlassen. Im anderen mietet sich Thorsten Weichmann (Kevin Schäuble), ein scheinbar schwuler Urlauber im rosa Hemd, ein.

Für weitere Turbulenzen sorgt Henneliese von Wolkenstein (Margret Leder): Mit ihrem Kater Amadeus stets auf der Flucht vor ihrem allzu pedantischen Mann Heinz-Hajo, sucht sie inneren Einklang und nimmt die fragwürdigen Behandlungen Maja Müsleins in Anspruch, die es von den Lebendigen nimmt, womit sie Neid und Zorn der Kirchenmäuse auf der anderen Seite des Gartenzauns auf sich zieht.

Das quietschvergnügte Publikum spendet ihr begeistert Szenenapplaus, wenn sie vor Schreck mal rückwärts, mal bäuchlings vom Gymnastikball rollt. Margret Leder glänzt mit perfekt choreografiertem Körpereinsatz und herrlich weinerlichen Jammerorgien. In jedem Moment witzig sind auch Viktor und Lisbeth Kapla – etwa wenn sie sich beim Schildern ihrer nachlassenden sexuellen Attraktivität des Gemüses aus Franz’ Kiste bedienen: Früher Gurke, heute Buschbohne, wettert Maria über das beste Stück ihres Mannes, während er ihre Oberweite mit Früchten vergleicht: früher pralle Tomate, heute hängende Birne.

Die grüne Nachbarin spritzt klammheimlich

Im doppelten Sinne stark ist der rotzfreche Auftritt von Philipp Butz, der in Heidi Weiger – für Erika Kohlkopf findet er allerhand pflanzliche Necknamen – eine ebenbürtige Gegnerin findet: Zunächst noch verzweifelte Hausfrau, teilt sie am Ende ordentlich aus. Als Franz Kohlkopf glänzt Volker Knaus mit kräftiger Stimme, prägnanter Artikulation und urkomischen Soli, etwa wenn er nächtens im Garten seine grüne Nachbarin mit der Spitzkanne erwischt, nachdem er es selbst mit ihrer Methode versucht und seine Radieschen bequatscht hat, doch bitte üppig zu wachsen.

Herrlich mürrisch gibt Helge Leder den Bruddler Berthold, der am Ende doch wieder zum konventionell angebauten Gemüse greift, nachdem er festgestellt hat, dass Maja ihre Tomaten mit dem Inhalt des Nachttopfs gießt.

Besonders köstlich sind die Auftritte Kevin Schäubles, der als Thorsten Weichmann erst am Ende seine wahre Identität preisgibt, nachdem er sich wunderbar überspitzt als warmer Bruder durch die Szenerie geflötet hat.

Die Höhepunkte des Stücks "Nur Zoff mit dem Stoff" von Bernd Gombold – und wohl auch der Aufführungen der vergangenen Jahre – setzt Arnold Kleiner: Gleichzeitig Regisseur der Theatergruppe im Gesangverein "Harmonie" Hartheim, gibt er mit ebenso erstklassigem wie komischen schweizer Akzent den herumschikanierten Göttergatten, der sich heimlich bei den Nachbarn satt essen muss, lieber bei ihnen am Gartenzaun Setzlinge klaut, als auf dem eigenen Feld – eine halbe Weltreise entfernt – welche zu holen und damit den Ärger, der sich ganz am Ende in Wohlgefallen auflöst, erst provoziert.

Mal im Nachthemd mit Zipfelmütze, mal in Frauenkleidern, weil er "in Sachen Ihrer Mutter vor dem Nachlassgericht erscheinen" soll, reizen Kleiners Auftritte die Zwerchfelle der Zuschauer derart, dass sie wohl noch länger mit Muskelkater "am mittleren Ring" zu kämpfen haben werden.

Pannenfrei und bis ins Detail ein Knüller

Zum Erfolg der erfrischenden, spannenden und vergnüglichen Inszenierung tragen außerdem das Bühnenbild von Thomas Butz und seinem Team, die Maskenbildnerinnen Margret Leder und Carmen Butz sowie Bühnentechniker Benjamin Butz bei. Charlotte Falkenburger und Svenja Leder sorgen als Souffleusen dafür, dass die Aufführung ohne die geringste Panne über die Bühne geht.

Wer den "Zoff mit dem Stoff" noch erleben will, hat am Freitag und Samstag, 4. und 5. Januar, ab 20 Uhr in der Festhalle Hartheim Gelegenheit – und darf sich schon jetzt auf einen Abend voller Situationskomik und Überraschungen freuen.